DMW Walter Siegenthaler Preis 2019

In diesem Jahr honoriert die Deutsche Medizinische Wochenschrift Prof. Dr. med. Christian Karagiannidis und seine Kollegen von der Lungenklinik Köln-Merheim, der Uniklinik Köln sowie des St.-Antonius-Hospitals Eschweiler mit dem Walter-Siegenthaler-Preis. Der Beitrag „Epidemiologische Entwicklung der außerklinischen Beatmung: Eine rasant zunehmende Herausforderung für die ambulante und stationäre Patientenversorgung“ beschäftigt sich mit einem hochbrisanten Thema.

Der Erstautor Prof. Dr. Christian Karagiannidis und die Koautoren Dr. Stephan Strassmann, Dr. Jens Callegari, PD Dr. Matthias Kochanek, Prof. Dr. Uwe Janssens und Prof. Dr. Wolfram Windisch analysierten alle stationären Aufnahmen im Zeitraum 2006–2016, bei denen eine Langzeit-Abhängigkeit vom Respirator bestand und stellten fest: Patienten mit chronischer respiratorischer Insuffizienz werden in nahezu exponentiell zunehmender Zahl nichtinvasiv oder invasiv in einem häuslichen Setting beatmet. Diese Patienten müssen im Rahmen von Kontrolluntersuchungen oder Akut-Problemen immer wieder stationär behandelt werden. Die für die Steuerung des Gesundheitswesens wichtige Entwicklung der stationären Behandlungsfälle war bislang ebenso unbekannt wie die Morbidität und Krankenhaussterblichkeit der häuslich beatmeten Patienten.

In der Datenanalyse zeigte sich eine Zunahme von stationären Behandlungsfällen; 2006 wurden noch 24 845 Patienten stationär behandelt, im Jahr 2016 hingegen 86 117 Patienten. Im gleichen Zeitraum sank die Krankenhaussterblichkeit von 13,2 % auf 5,7 %. Die Studie offenbarte auch, dass immer häufiger sehr alte Menschen mit einem Beatmungsgerät versorgt werden. Knapp 1500 der im Jahr 2016 künstlich beatmeten Patienten waren laut den Recherchen von Prof. Karagiannidis über 90 Jahre alt.

Viele der dauerbeatmeten Patienten haben eine oder mehrere schwerwiegende Erkrankungen. Mehr als die Hälfte (58 %) leidet an einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), ein Drittel hat eine Pumpschwäche des Herzens (32 %) oder einen Typ-2-Diabetes (32 %). Ein Viertel leidet an einer Verengung der Herzkranzgefäße (25 %) oder an einer Nierenschwäche (24 %). Auch neurologische Erkrankungen sind häufig zu verzeichnen.

Die rasante Zunahme der außerklinischen Beatmung beeinflusst die Entwicklung der Krankenhauslandschaft in Deutschland. Der Anstieg der pflegeintensiven Patienten stellt das Gesundheitssystem vor Herausforderungen und verlangt eine gesundheitspolitische Diskussion über die Grenzen des Systems. Die Autoren fordern, die gängige Praxis der Beatmung und der teils unkritischen Transfers in die außerklinische Beatmung kritisch zu hinterfragen. Ökonomische Aspekte dürfen keinen Anreiz zur Durchführung einer Langzeitbeatmung darstellen. Die drängende Thematik muss unter Einbeziehung des Gesetzgebers im Rahmen einer gesellschaftlichen ethischen Diskussion gelöst werden.

Als Stärken der Studie hoben die Gutachter insbesondere die klinisch hochrelevante Thematik und Evidenz sowie die ethische und gesundheitsökonomische Relevanz hervor.

Die Jury des WS-Preises der DMW hat diesen sehr wichtigen und sehr kritischen Beitrag als beste Original-Publikation des letzten Jahres aus einer Vielzahl von Beiträgen ausgewählt.

Herzlichen Glückwunsch an die diesjährigen Preisträger des DMW-Walter-Siegenthaler-Preises! Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Arbeit!

Verlag, Schriftleitung und Redaktion

C. Karagiannidis, S. Strassmann, J. Callegari, M. Kochanek, U. Janssens, W. Windisch: Epidemiologische Entwicklung der außerklinischen Beatmung: Eine rasant zunehmende Herausforderung für die ambulante und stationäre PatientenversorgungDtsch Med Wochenschr 2019; 144: e58–e63

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