DMW Walter Siegenthaler Preis 2022
Die Begleitung von schwerkranken und sterbenden Menschen war insbesondere in der ersten Welle der COVID- 19-Pandemie herausfordernd. Wissenschaftler*innen der PallPan- Forschungsgruppe haben unter Leitung von Prof. Dr. med. Birgitt van Oorschot patientennah tätige Klinikmitarbeitende zu ihren Erfahrungen in dieser Zeit befragt. Für ihre Publikation in der Fachzeitschrift „DMW Deutsche MedizinischeWochenschrift“, erhalten die Autor*innen den diesjährigen „DMW Walter Siegenthaler Preis“.
PallPan – Palliativversorgung in Pandemiezeiten ist ein Verbund aus 13 universitären palliativmedizinischen Einrichtungen in Deutschland. In gemeinsamen Forschungsprojekten untersuchen Wissenschaftler*innen die Patientenversorgung und Hospizarbeit während der Pandemie. Die jetzt ausgezeichnete Studie ist ein Teil dieser Arbeit.
Zur Teilnahme an der bundesweiten Online-Befragung waren 8882 akutstationär tätige Ärzt*innen, Pflegende und Therapeut*innen außerhalb spezialisierter Palliativstationen eingeladen. 505 von ihnen sendeten vollständig bearbeitete Fragebögen zurück. Darin berichteten sie über ihre Erfahrungen bei der Versorgung von Schwerkranken und Sterbenden im Zeitraumvon Dezember 2020 bis Januar 2021.
Im Mittelpunkt der Befragung standen Veränderungen, Belastungen und die Zusammenarbeit mit palliativmedizinischen Fachkräften.
Mehr als ein Drittel der Befragten berichtete über eine verschlechterte Versorgungsqualität von Schwerkranken und Sterbenden. Besonders belastend empfanden sie die Vereinsamung der Patient*innen (86 Prozent). Hinzu kamen die verschärften Hygieneregeln (81 Prozent), die erhöhte Arbeitsbelastung (73 Prozent) und die psychische Belastung von Angehörigen und Hinterbliebenen (78 Prozent). Um mit Angehörigen Kontakt zu halten, konnten Patient*innen teilweise Tablets nutzen (28 Prozent) oder erhielten das Angebot einer Videokonferenz (9 Prozent). 61 Prozent der Befragten gaben an, palliativmedizinisches Fachpersonal eingebunden zu haben. 70 Prozent hätten weitere palliativmedizinische Angebote als hilfreich empfunden.
„Die Umfrageergebnisse zeigen, dass wir in Zukunft verstärkt digitale Möglichkeiten wie videogestützte Familiengespräche anbieten sollten. Auch könnten Seelsorger*innen und Hospiz-Ehrenamtliche mehr als bisher auf Station unterstützen“, empfehlen die Studien-Autor*innen. Zudem fordern sie, die Palliativversorgung als einen festen Bestandteil in zukünftige Pandemie- und Krisenpläne zu integrieren.
Unter Federführung von Professorin Dr. med. Birgitt van Oorschot haben Wissenschaftler*innen der Zentren für Palliativmedizin der Universitätsklinika Würzburg, Düsseldorf und Köln sowie der LMU Ludwig-Maximilians-Universität München gemeinsam mit demInstitut für Angewandte Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt zusammengearbeitet.
Van Oorschot selbst leitet das Interdisziplinäre Zentrum Palliativmedizin in Würzburg. Sie erklärt: „Es ist wichtig, aus den zurückliegenden Erfahrungen zu lernen und Maßnahmen für die Zukunft zu entwickeln, um Patient*innen jederzeit ein würdevolles Sterben zu ermöglichen.“ Dazu müssten jedoch ausreichend personelle und materielle Ressourcen in den Kliniken geschaffen werden.
Professor Dr. med. Martin Middeke, Vorsitzender der Jury und Schriftleiter der „DMW“ betont: „In Pandemiezeiten fehlen Kapazitäten, um neue Angebote und Strukturen zu etablieren. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, auf eine verbesserte Versorgung Schwerkranker und Sterbender hinzuwirken. Die ausgezeichnete Studie bietet dafür sehr konkrete Empfehlungen.“
Werner L, Fischer M, van Oorschot B et al. Allgemeine Palliativversorgung im Krankenhaus während der ersten Welle der COVID-19-Pandemie Dtsch Med Wochenschr 2022; 147(21): e102-e113