DMW Walter Siegenthaler Preis 2005
Studie zur „Sterblichkeit älterer Herzinfarktpatienten im klinischen Alltag" prämiert
Am 25. April 2006 wurde auf dem Internistenkongress in Wiesbaden der DMW Walter Siegenthaler Preis verliehen. Die Auszeichnung ging an die Autoren einer DMW Originalarbeit des Vorjahres, die sich mit der Sterblichkeit über 75-jähriger Patienten mit akutem ST-Hebungsinfarkt im klinischen Alltag befasste.
Die Autoren der prämierten Studie waren U. Zeymer, A. Gitt, R. Winkler, R. Zahn, C. Jünger, R. Schiele, M. Gottwik und J. Senges aus dem Herzzentrum Ludwigshafen. Sie wurden für ihre Arbeit „Sterblichkeit bei über 75-jährigen Patienten mit akutem ST-Hebungsmyokardinfarkt im klinischen Alltag" (Dtsch Med Wochenschr 2005; 130: 633–636) ausgezeichnet.
Der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung wird in den nächsten Jahr immer mehr ansteigen; entsprechend nimmt auch die Anzahl der Myokardinfarkte zu. Daten zum Nutzen einer frühen Reperfusionstherapie in der älteren Bevölkerungsgruppe gibt es jedoch kaum. Aufgrund der fehlenden Erkenntnisse sowie aus Angst vor Komplikationen wird älteren Patienten daher eine solche Behandlung häufig vorenthalten – obwohl sie möglicherweise besonders davon profitieren würden. Zeymer et al. untersuchten bei über 75-jährigen Patienten mit ST-Hebungs-Myokardinfarkt (STEMI) die im Alltag eingesetzte Akut-Therapie, den Verlauf im Krankenhaus sowie die 1-Jahres-Sterblichkeit.
Insgesamt wurden innerhalb von 29 Monaten 16 823 Patienten mit akutem Koronarsyndrom in das ACOS(Acute Coronary Syndrome)-Register eingeschlossen. Davon wiesen 8309 einen ST-Hebungsinfarkt von weniger als 24 Stunden Symptomdauer auf. Dokumentiert wurden Daten zur medikamentösen und interventionellen Therapie innerhalb der ersten 48 Stunden nach Krankenhausaufnahme, Untersuchungen und Therapien im weiteren Verlauf sowie die Entlassungmedikation. Der Verlauf nach Entlassung wurde telefonisch erfasst.
Die Datenananalyse umfasste 2045 Patienten im Alter über 75 Jahre (mittleres Alter 80,1 Jahre). Etwa die Hälfte dieser Patienten wurde konservativ behandelt, in 19 % erfolgte eine Fibrinolyse und in 30% eine primäre Ballonangioplastie (PTCA). Bei den konservativ behandelten Patienten war die Sterblichkeit sowohl im Krankenhaus als auch nach einem Jahr höher als unter interventioneller Therapie: So starben in der Klinik 23,4 % der Patienten unter konservativer Therapie, aber nur 10,2% nach PTCA; nach einem Jahr waren über die Hälfte (52,4%) der konservativ behandelten Patienten gestorben, verglichen mit 19,3% nach PTCA. Allerdings hatten die interventionell behandelten Patienten signifikant seltener einen kardiogenen Schock sowie prognostisch ungünstige Begleiterkrankungen wie Diabetes und Niereninsuffizienz. Ferner erhielten sie signifikant häufiger eine Begleittherapie mit ASS, Statinen, b-Blockern und ACE-Hemmern. Daher ist die niederigere Sterblichkeit auch durch eine Auswahl von Patienten mit niedrigerem Risiko und leitliniengerechterer Begleittherapie zu erklären. Dennoch, so die Autoren, sollte ein höheres Lebensalter allein kein Grund sein, sich gegen eine frühzeitige Reperfusionstherapie zu entscheiden. Die Indikation sollte vielmehr vom biologischen Alter sowie von wichtigen Vor- und Begleitkrankheiten abhängig gemacht werden.
Das Thema der Arbeit ist von großem klinischem Interesse: So nimmt zum einen die Lebenserwartung in der Bevölkerung immer mehr zu, und zum anderen werden ältere Patienten aus kontrollierten randomisierten Studien zur Infarktbehandlung in aller Regel ausgeschlossen. Das ACOS-Register, an dem bundesweit 154 Kliniken beteiligt sind, liefert wichtige Daten zur optimalen Therapie älterer Infarktpatienten und leistet somit einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungsforschung in Deutschland.
Herzliche Glückwünsche an die Preisträger des DMW Walter Siegenthaler Preises 2005 und weiterhin viel Erfolg bei ihrer Arbeit!
Verlag, Schriftleitung und Redaktion