DMW Walter Siegenthaler Preis 2010
Langfristiger Erfolg der Zweit-Therapie bei einer HIV-Infektion
Die Deutsche Medizinische Wochenschrift verleiht ihren Autorenpreis für die im Jahr 2010 in der DMW publizierten Originalarbeit 2011 an zwei gleichberechtigte Erstautoren. Der Autorenpreis der Deutschen Medizinischen Wochenschrift, benannt nach dem im letzten Jahr verstorbenen, langjährigen Schriftleiter der DMW Walter Siegenthaler, wird traditionell anlässlich des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin verliehen.
Die beiden Autoren Dr. Juliane Brunner und Dr. Ulrich Seybold aus der Poliklinik in München sind gleichberechtigte Erstautoren. Die Arbeit analysiert die Wahrscheinlichkeit für ein Therapieversagen zweier verschiedener HAART-Zweitlinientherapien (hochaktive antiretrovirale Kombinationstherapie) der HIV-Infektion in einer deutschen Kohorte. Die Analyse der unterschiedlichen Strategien für die Zweit-Therapie nach virologischem Versagen eines initialen Protease-Inhibitor (PI)-basierten Therapieschemas wurde an Patienten des Projektes „Klinische Surveillance der HIV-Krankheit, ClinSurv“, des Robert Koch-Instituts in einer retrospektiv ausgewerteten Kohorte (1999 bis 2008) untersucht. Für 157 Patienten war ein Therapiewechsel nach virologischem Versagen der Erst-Therapie über mindestens 3 Monate dokumentiert. 84 der 157 Patienten (54 %) hatten eine PI-basierte Erst-Therapie, so dass diese in die statistische Analyse eingeschlossen wurden. 51 der 84 Patienten (61 %) wechselten auf einen anderen PI (Gruppe 1) und 33 (39 %) auf einen nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NNRTI) (Gruppe 2). Primäre Ziele waren die Zeit nach Therapiewechsel bis zur Viruslastsenkung unter die Nachweisgrenze, die Dauer des erfolgreichen Zweit-Schemas und die Wahrscheinlichkeit für virologisches Versagen im Zweit-Schema.
Die Untersuchung ergab, dass die mediane Zeit bis zum virologischen Erfolg mit 88 Tagen in Gruppe 1 und 57 Tagen in Gruppe 2 nicht signifikant unterschiedlich (p=0,16) war. Nach über 3000 Tagen waren in Gruppe 2 mit Klassenwechsel auf NNRTI noch über 50 % der Patienten erfolgreich behandelt, das Risiko eines virologischen Versagens war damit deutlich niedriger als in der Gruppe 1 mit Wechsel innerhalb der PI, wo die mediane Zweit-Therapie-Dauer lediglich 581 Tage betrug. In der multivariaten Cox-Regressionsanalyse war keine der untersuchten weiteren Kovariaten (Viruslast, CD4-Zellzahlen u.a.) ein signifikanter Prädiktor der Dauer des Zweit-Schemas oder ein Störfaktor. Es ergab sich für die Gruppe 1, die innerhalb der PI wechselte, im Vergleich zur Gruppe 2 ein mehr als 2-faches Risiko eines virologischen Versagens während der Beobachtungszeit (Hazard Ratio 2,3; 95 %-Konfidenzintervall 1,1-4,9; p=0,03). Die Autoren folgern aus ihrer Untersuchung, dass nach virologischem Versagen eines PI-basierten Erst-Schemas ein Klassenwechsel von PI auf NNRTI im Gegensatz zu einem Wechsel innerhalb der PI deutliche Vorteile bzgl. der Durabilität des Zweit-Schemas hat. Als Konsequenzen für Klinik und Praxis formulieren sie:
- Zweit-Schemata nach PI-basierter Initialtherapie gehen mit guten Langzeitergebnissen einher.
- Bei virologischem Versagen von PI-basierten Erst-Schemata sollte bevorzugt auf einen NNRTI gewechselt werden.
Die Gutachter der Arbeit heben das klare Studiendesign, die gute Planung der Untersuchung und das klare Ergebnis hervor.
Herzliche Glückwünsche an die Preisträger des DMW Walter Siegenthaler Preises 2010 und weiterhin viel Erfolg bei ihrer Arbeit!
Verlag, Schriftleitung und Redaktion
Die Verleihung des Walter Siegenthaler Preises fand während der Preisträgersitzung beim 117. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin in Wiesbaden am 3. Mai 2011 (Rhein-Main-Hallen Wiesbaden) statt.