DMW Walter Siegenthaler Preis 2011

Aufarbeitung der EHEC-Krise

Die Deutsche Medizinische Wochenschrift honoriert 2012 mit dem Walter Siegenthaler Preis zwei gleichberechtigte Erstautoren aus der Asklepios Klinik Barmbek in Hamburg. Ihre in der DMW publizierte Originalarbeit hat einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der EHEC-Krise 2011 geleistet.

 

Die honorierten Erstautoren Dr. Claudia Dücker und Dr. Philip Dautel haben in ihrer Arbeit „Klinische Symptomatik, Therapie und Verlauf stationär behandelter EHEC/EHEC-HUS Patienten“ (Dtsch Med Wochenschr 2011; 136: 1770–1776) retrospektiv eines der bislang weltweit größten publizierten Kollektive zur EHEC-Krise beschrieben.

Insgesamt wurden von Mitte Mai bis Ende Juni 2011 über 100 Patienten mit akuter und blutiger Diarrhoe auf eine Infektion mit dem neuartigen Stamm des enterohämorrhagischen E. coli (EHEC) untersucht. Die Patienten wurden stationär aufgenommen und isoliert. Bei 84 % der mit EHEC-infizierten Patienten konnte in der Stuhlprobe durch PCR das EHEC-Toxin-Gen oder durch ELISA das Toxin in Zellkulturen nachgewiesen werden. Außerdem wurden alle Patienten mit akuter Diarrhoe auch auf andere Erreger wie Salmonellen, Campylobacter, Yersinien, Clostridium difficile, Rota- und Noroviren untersucht. Im Verlauf wurden täglich Thrombozyten, Kreatinin, LDH und Haptoglobin im Serum bestimmt, um Komplikationen mit dem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) frühzeitig zu erkennen.

Durch die Laboranalyse bestätigten sich von 117 Verdachtsfällen 36 als EHEC-Fälle und 32 als HU-Syndrom (HUS). Insgesamt waren die meisten der Patienten Frauen, die mit 81% sogar den Hauptanteil der schweren HUS-Fälle bildeten. Auffallend war zudem, dass die Patienten mit HUS signifikant jünger (Median 44 Jahre) im Vergleich zu den EHEC-Infizierten ohne HUS waren. Die klinische Symptomatik bzgl. Diarrhoe zeigte zwischen EHEC und HUS keine Unterschiede. Ko-Infektionen mit anderen Durchfallserregern lagen bei 34 % vor. Behandelt wurden die Betroffenen überwiegend symptomatisch: Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution, Analgetika und Antiemetika. Antibiotika wurden nur bei schwerer Kolitis bzw. bei Sekundärinfektion unter intensivmedizinischer Betreuung appliziert. Traten unter HUS-Symptomatik Hämolyse, Thrombozytenabfall oder akutes Nierenversagen (93 %) auf, wurden zeitnah Plasmaseparationen eingeleitet, und bei 59 % dialysiert. Des Weiteren hatten bei HUS über die Hälfte neuropsychiatrische Symptome, von Kopfschmerzen über paranoide Wahnvorstellungen bishin zum Status epilepticus. Eine Patientin starb durch eine zerebrale Massenblutung bei hypertensiver Krise unter Thrombopenie. Im Durchschnitt war die Krankenhausaufenthaltsdauer bei HUS mit 20,2 Tagen signifikant länger als bei EHEC-Infektion (7,5 Tage). Nach der Entlassung wurden die Patienten mehrere Wochen ambulant weiter betreut, und fast alle erholten sich vollständig.

Das Spektrum der in dieser Arbeit involvierten Fachabteilungen mit neun Autoren (Medizinische Klinik III. und IV. sowie Neurologie und Radiologie) ist ein Beleg für die notwendige und in diesem Fall sehr erfolgreiche interdisziplinäre Behandlung vieler Patienten mit EHEC im Rahmen der norddeutschen Epidemie 2011. Die hohe Zahl der damals Betroffenen stellte eine besondere Herausforderung für die Medizin und unser Gesundheitssystem dar. Die systematische Aufarbeitung einer großen Fallserie aus einem Zentrum ist daher hervorragend geeignet, wichtige klinische Erkenntnisse zu generieren und die gemachten Erfahrungen weiterzugeben. Denn EHEC ist ein Dauerthema: Die Statistik des Robert Koch-Instituts weist bereits für die ersten sechs Wochen dieses Jahres 121 Fälle aus (Stand: März 2012).

Die Gutachter der Arbeit waren daher der Meinung, dass mit dieser Publikation ein sehr wichtiger Beitrag zur notwendigen Aufarbeitung der EHEC-Krise geleistet wurde.

Herzlichen Glückwunsch an die Preisträger des DMW Walter Siegenthaler Preises 2011 und weiterhin viel Erfolg bei ihrer Arbeit!

Verlag, Schriftleitung und Redaktion

 

Die Verleihung des Walter Siegenthaler Preises fand während der Preisträgersitzung beim 118. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin in Wiesbaden am 17. April 2012 (Rhein-Main-Hallen Wiesbaden) statt. 

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