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Seit Jahren sehen die Reanimationsleitlinien traditionell die stabile Seitenlage (SL) für bewusstlose Patienten mit erhaltener Spontanatmung und Kreislauffunktion vor. Teilweise werden derart tradierte Maßnahmen jedoch nicht auf ihre Wirksamkeit hin überprüft oder gar hinterfragt. Bis heute konnte keine Studie eine Verbesserung der Überlebenschancen von Patienten in SL belegen. Jedoch ist es gerade bei einem Patienten in stabiler Seitenlage wichtig, einen möglichen Kreislaufstillstand sofort zu erkennen, um Reanimationsmaßnahmen nicht zu verzögern und das Outcome des Patienten nicht zu gefährden.
Ist es bei Patienten in SL möglich, einen Atem- und damit Kreislaufstillstand rechtzeitig zu erkennen, oder verzögert sie den Beginn von Wiederbelebungsmaßnahmen? Dieser Frage gingen Miguel Freire-Tellado und seine Kollegen von der Universität Santiago de Compostela (Spanien) nach. Sie kamen zu dem Schluss, dass durch die SL das Erkennen eines Atemstillstands erschwert, die Wahrscheinlichkeit, mit Wiederbelebungsmaßnahmen zu beginnen, verringert und deren Beginn verzögert wird.
Sie untersuchten dazu 2 Gruppen von Studenten: Beide Gruppen erhielten eine Auffrischung in Basisreanimation. Die einen sollten bewusstlose Patienten mit erhaltener Spontanatmung in die SL verbringen und überwachen. Die anderen hielten den Atemweg durch Überstrecken des Kopfes in Rückenlage offen. In beiden Gruppen wurde betont, wie wichtig es sei, die Atmung zu überwachen und bei Atemstillstand bzw. Schnappatmung mit Wiederbelebungsmaßnahmen zu beginnen, da dies mit einem Kreislaufstillstand gleichzusetzen ist.
Eine Woche nach dem Kurs sollten die beiden Gruppen an Schauspielern (Apnoetaucher) folgendes Szenario beüben: Nach einer Brustschmerzepisode verliert der Taucher das Bewusstsein und kollabiert, beobachtet durch die Probanden. Nach zunächst normaler Atmung verlangsamt der Taucher seine Atmung über einen Zeitraum von 2 Minuten und simuliert dann einen Atemstillstand für weitere 2 Minuten. Das Ende des Szenarios stellte der Beginn der Herzdruckmassage dar.
Insgesamt nahmen 59 Studenten teil; vier begannen nach Erstuntersuchung des Mimen mit Thoraxkompressionen, was das Ende der Simulation bedeutete.
27 verbrachten den Patienten in die SL, 14 (52 %) erkannten den Atemstillstand innerhalb von 2 Minuten und begannen mit Wiederbelebungsmaßnahmen.
Von den 28 Studenten, die statt SL den Kopf überstreckten, erkannten mit 23 (82 %) Probanden deutlich mehr den lebensbedrohlichen Zustand (p = 0,006, OR 6,571 zugunsten des Kopfüberstreckens).
Die Studenten, die den Kopf überstreckten, erkannten den Atemstillstand auch deutlich früher als in der SL (17,52 s vs. 31,92 s, p = 0,024). Daher war die Wahrscheinlichkeit, dass mit Thoraxkompressionen innerhalb der ersten 4 min begonnen wurde, deutlich höher.
Fazit: Die stabile Seitenlage erschwert das rechtzeitige Erkennen eines Atemstillstands und verzögert den Beginn von Wiederbelebungsmaßnahmen. Daher sollte sie bei bewusstlosen Patienten mit erhaltener Spontanatmung überdacht werden. Das Überstreckthalten des Kopfes in Rückenlage könnte eine sinnvolle Alternative darstellen; zudem erleichtert die Rückenlage die Überwachung des Patienten durch den Helfer am Kopf. |
Aus der Zeitschrift retten! 04/2018
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