Sinnvolle Diagnostik- und Therapiestrategien für Frauenärzte
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Zusammenfassung
Schilddrüsenfunktionsstörungen können Fertilität, Schwangerschaftsverlauf und die kindliche Entwicklung ungünstig beeinflussen. Physiologische Veränderungen in der Schwangerschaft müssen von pathologischen Veränderungen der Schilddrüsenfunktion abgegrenzt werden.
Es handelt sich um eine Literaturrecherche (1990–2013) aus PubMed sowie um eine Auswertung der aktuellen Empfehlungen von Fachgesellschaften.
Es bestehen Trimenon-spezifische Unterschiede der Referenzwerte von TSH und T4 in der Schwangerschaft. Veränderungen der Schilddrüsenfunktion liegen in bis zu 15 % aller Schwangerschaften vor (0,4 % manifeste Hypothyreose, 0,1–0,4 % Hyperthyreose) und können zu vermeidbaren Komplikationen der Schwangerschaft und der Entwicklung des Kindes führen. Eine Hypothyreose erhöht das Risiko für Spontanabort, Früh- und Totgeburt, ferner für neurokognitive Defekte des Kindes, die auch bei einem gravierenden Jodmangel belegt sind.
In Ergänzung des Neugeborenenscreenings zur Früherkennung der angeborenen Hypothyreose (Inzidenz 0.03 %) sollte die Screening-Untersuchung auf Schilddrüsenfunktionsstörungen in der Schwangerschaft, insbesondere der Hypothyreose, fest in die Vorsorge nach den Mutterschaftsrichtlinien aufgenommen werden. Bei Nachweis einer manifesten Hypothyreose ist unverzüglich eine Schilddrüsenhormon-Substitution einzuleiten. Bei latenter Hypothyreose sollte eine Schilddrüsenhormon-Therapie ebenfalls in Erwägung gezogen werden. Eine Jodid-Supplementation ist bei allen Schwangeren und Stillenden zur Vermeidung einer fetalen bzw. neonatalen Hypothyreose und Struma zu empfehlen.
Einleitung
Während der Schwangerschaft kommt es zu physiologischen Veränderungen der Schilddrüsenfunktionsparameter, welche die Abgrenzung einer behandlungsbedürftigen Störung erschweren. Entsprechend kontrovers sind die Daten und Empfehlungen zur Diagnostik und Behandlungsindikation einer Schilddrüsenfunktionsstörung in der Schwangerschaft. In verschiedenen Screening-Studien zeigte sich eine manifeste Hypothyreose bei etwa 0,4 % der Schwangeren, so dass alleine in Deutschland die Geburt und die Entwicklung von ca. 3500 Kindern pro Jahr durch eine gravierende mütterliche Schilddrüsenfunktionsstörung gefährdet sind.
Die vorliegende Arbeit fasst die verfügbare Evidenz entsprechend einer PubMed-Recherche (1990–2013) und die aktuellen Empfehlungen von Fachgesellschaften (Endocrine Society und American Thyroid Association) zusammen und bewertet Screening und Behandlung von Schwangeren mit Schilddrüsenfunktionsstörungen für Deutschland.
Physiologische Veränderungen der Schilddrüsenfunktionsparameter in der Schwangerschaft
Zur Interpretation von Schilddrüsenhormonparametern in der Schwangerschaft sind Kenntnisse physiologischer Veränderungen wichtig: Östrogen-induziert steigt die Konzentration des Thyroxin-bindenden Globulins (TBG) und hierdurch bedingt auch die Konzentration von Gesamt-Trijodthyronin (T3) und -Thyroxin (T4). Das Verteilungsvolumen der Schilddrüsenhormone nimmt zu, der T4-Metabolismus ist beschleunigt. Dies erklärt einen um bis zu 50 % gesteigerten Mehrbedarf an Schilddrüsenhormonen.
Der TSH-Referenzbereich ist bei Schwangeren im Vergleich zu Nicht-Schwangeren Frauen enger, mit einem physiologisch niedrigeren unteren und oberen Grenzwert. Dies hängt vor allem mit der partialagonistischen Wirkung des Schwangerschaftshormons Choriongonadotropin (HCG) am TSH-Rezeptor zusammen.
Methodische Schwierigkeiten in der Beurteilung der Schilddrüsenfunktion bei Schwangeren
TSH-Referenzbereiche für Schwangere sind für verschiedene Assays unterschiedlich, möglicherweise auch für verschiedene Populationen und lassen sich somit nicht allgemeinverbindlich festlegen. Beispielsweise wurden in der US-amerikanischen Studie von Haddow et al. Schwangerschafts-bezogene TSH-Referenzwerte von 0,1–5,2 mU/l im 1. Trimenon und 0,4–4,2 mU/l im 2. Trimenon ermittelt (5. bzw. 98. Perzentile). Wurden Schwangere mit positiven Thyreoperoxidase(TPO)-Antikörpern (Titer > 35 IU/ml) von der Analyse ausgeschlossen, lagen die TSH-Referenzwerte im 1. Trimenon bei 0,08–3,61 mU/l und im 2. Trimenon bei 0,39–3,71 mU/l. In der Studie von Stricker et al. wurden nach Ausschluss von Schwangeren mit TPO-Antikörpern trimenonspezifische TSH-Referenzbereiche von 0,09–2,8 mU/l im 1. Trimenon und 0,2–2,8 mU/l im 2. Trimenon berichtet (2,5. bzw. 97,5. Perzentile, Schwangere aus dem Raum Genf). In der Untersuchung von Panesar lagen die trimenonspezifischen TSH-Werte zwischen 0,03–2,3 mU/l im 1. Trimenon und zwischen 0,03–3,1 mU/l im 2. Trimenon (5. bzw. 95. Perzentile, Schwangere aus dem Raum Hong Kong). Basierend auf Ringversuchsdaten stehen in Deutschland zahlreiche TSH-Assays zur Verfügung (Ringversuch RfB 4/2013), wobei sich ca. 80 % der Proben auf TSH-Assays von 5 Herstellern konzentrieren.
Neben den Perzentilen-bezogenen Referenzwerten muss bei der Beurteilung der TSH-Werte die Korrelation mit Schwangerschaftsrisiken, insbesondere dem Frühabort berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund haben die Endocrine Society und die American Thyroid Association (ATA) Richtwerte für die Trimenon-spezifischen TSH-Werte formuliert, die zur Orientierung dienen sollen:
Besondere Vorsicht ist bei der Interpretation der fT4-Werte geboten, da die fT4-Bestimmung in der Schwangerschaft mit gängigen Immunoassays störanfällig ist. Als alternative Strategien zur fT4-Bestimmung werden derzeit die Bestimmung des freien T4-Index oder die früher übliche Bestimmung des Gesamt-T4 diskutiert (unterer Referenzbereich im 2. und 3. Trimenon: T4-Wert Nicht-Schwangerer Frauen multipliziert mit 1,5). Der Laborbefund einer isolierten Hypothyroxinämie in der Schwangerschaft wird kontrovers diskutiert. Bislang gibt es keine überzeugenden Daten für eine Krankheitsrelevanz.
KURZGEFASST
In der Schwangerschaft gelten engere und niedrigere TSH-Referenzwerte, wobei Assay-spezifische Variationen beachtet werden müssen. Richtwerte, die lediglich zur Orientierung dienen können, sind ein TSH-Bereich von 0,1–2,5 mU/l im 1. Trimenon bzw. von 0,2–3 mU/l und 0,3–3 mU/l im 2. und 3. Trimenon.
Jodbedarf bei Schwangeren und Stillenden
Um die Mehrproduktion von Schilddrüsenhormonen zu gewährleisten und vor dem Hintergrund einer erhöhten Jod-Clearance, ist eine ausreichende Jodzufuhr während der Schwangerschaft unverzichtbar. Hierüber wird auch die Jodversorgung für die fetale Schilddrüsenhormonproduktion sichergestellt. Mehrere aktuelle Studien zeigen eine unzureichende Jodversorgung von Schwangeren. Beispielsweise wurde in der britischen ALSPAC-Studie (Avon Longitudinal Study of Parents and Children) ein milder bis moderater Jodmangel bei mehr als 50 % der Schwangeren beschrieben, ein Jodexzess hingegen lag lediglich bei < 10 % der Schwangeren vor. Dabei korrelierte der mütterliche Jodmangel während der Schwangerschaft mit einer geringen Absenkung des Gesamt-IQ um 3 Punkte bzw. einer niedrigeren Lesegenauigkeit um 2 Punkte bei Kindern im 8 bzw. 9 Jahres-Follow-Up.
Die WHO empfiehlt seit langem bei allen Schwangeren eine tägliche Zufuhr von 250 µg Jodid/Tag. Praktisch bedeutet dies eine Supplementation von etwa 150 µg Jodid/d (enthalten z. B. in Folsäure-Jodid-Kombinationspräparaten), zusätzlich zur Zufuhr über die Nahrung. Wichtig ist die Fortsetzung der Jodid-Supplementation auch in der Stillzeit, um die Versorgung des Neugeborenen sicherzustellen. Die WHO-Empfehlungen gelten unter den o. g. Zusammenhängen auch für Frauen mit Autoimmunthyreoiditis oder Hypothyreose.
KURZGEFASST
Alle Schwangeren und stillenden Mütter sollten eine Jodid-Supplementation von 150 µg Jodid/d erhalten.
Schilddrüsenfunktionsstörungen in der Schwangerschaft
Hypothyreose
Die Prävalenz der manifesten Hypothyreose in der Schwangerschaft liegt bei etwa 0,4 %, die der latenten Hypothyreose bei 3–10 %. Die wichtigsten Ursachen sind eine Autoimmunthyreoiditis, ein (nicht adäquat substituierter) Zustand nach Schilddrüsenoperation oder Radiojodtherapie und eine iatrogene Hypothyreose unter thyreostatischer Therapie. Die Diagnose einer Autoimmunthyreoiditis beruht auf sonographischen Kriterien und dem Vorliegen von Schilddrüsen-Autoantikörpern (Titer oberhalb des Assay-spezifischen Cut-Offs), wobei TPO-Antikörper die höchste Sensitivität und Spezifität für eine Autoimmunthyreoiditis haben. TPO-Antikörper sind bei 5–10 % der euthyreoten Frauen im reproduktionsfähigen Alter nachweisbar. Etwa 20 % der Frauen mit Autoimmunthyreoiditis entwickeln eine latente oder manifeste Hypothyreose (aufgrund der Erfordernis der gesteigerten SD-Hormonproduktion) in der Schwangerschaft. Zusätzlich sind erhöhte TPO-Antikörper mit dem Auftreten einer Postpartum-Thyreoiditis assoziiert.
Risiken einer unbehandelten Hypothyreose für Mutter und Kind
Es besteht ein erhöhtes Risiko für Spontanabort sowie Früh- und Totgeburt. Dies scheint für die manifeste und die latente Hypothyreose zu gelten. Darüber hinaus wird für die Mutter ein erhöhtes Risiko für Präeklampsie und Anämie diskutiert. Eine aktuelle Cochrane-Analyse konnte die Ergebnisse bzgl. der Präeklampsie aufgrund einer unzureichenden Datenlage jedoch nicht reproduzieren.
Mögliche Risiken für das Kind sind eine erhöhte Rate an Frühgeburtlichkeit, ein niedriges Geburtsgewicht, eine leicht erhöhte perinatale Sterblichkeit und eine fetale/neonatale Struma. Wichtigste und irreparable Komplikation der unbehandelten Hypothyreose in der Schwangerschaft ist eine Beeinträchtigung der neurokognitiven Entwicklung des Feten. Tierexperimentelle und epidemiologische Untersuchungen zeigen, dass das fetale zentrale Nervensystem gegenüber einer maternalen Hypothyroxinämie besonders vulnerabel ist. Eine unbehandelte schwere Hypothyreose der Schwangeren kann beim Kind schwerwiegende neuro-kognitive Defekte verursachen. Ein um 3–4 Punkte geringerer IQ wurde auch bei der latenten Hypothyreose beobachtet; ob dieser aber unabhängig von einer Autoimmunthyreoiditis oder den T4-Werten auftritt, ist noch ungeklärt.
Hyperthyreose
Die Prävalenz der manifesten Hyperthyreose in der Schwangerschaft beträgt 0,1-0,4 %. Eine latente Hyperthyreose liegt in etwa 4 % der Schwangerschaften vor. Häufige Ursachen sind der Morbus Basedow und die Gestationshyperthyreose. Selten handelt es sich um eine Schilddrüsenautonomie oder eine Hyperthyreosis factitia.
Der Morbus Basedow wird durch TSH-Rezeptorantikörper verursacht, die plazentagängig sind und zu einer fetalen/neonatalen Hyperthyreose führen können. Eine fetale/neonatale Hyperthyreose kann somit auch bei schwangeren Basedow-Patientinnen mit Z. n. Radiojodtherapie oder Z. n. Schilddrüsenresektion auftreten, wenn deutlich erhöhte TSH-Rezeptorantikörper vorliegen. Die Gestationshyperthyreose ist eine durch die partialagonistische Wirkung von HCG-bedingte passagere, nicht-behandlungsbedürftige Hyperthyreose, die typischerweise im 1. Trimenon auftritt und selbstlimitierend ist.
Risiken einer unbehandelten Hyperthyreose für Mutter und Kind
Wie bei der Hypothyreose besteht ein erhöhtes Risiko für Spontanabort sowie Früh- und Totgeburt. Risiken für die Mutter sind Präeklampsie, Herzinsuffizienz und sehr selten eine thyreotoxische Krise. Risiken für das Kind sind neben der Frühgeburtlichkeit, ein geringes Geburtsgewicht und Fehlbildungen (u. a. Ventrikelseptumdefekt) sowie beim Morbus Basedow eine neonatale Hyperthyreose bzw. eine iatrogene Hypothyreose unter thyreostatischer Therapie.
Bei Patientinnen mit Morbus Basedow sollte vor Schwangerschaftseintritt eine Remission nach Absetzen der thyreostatischen Therapie bzw. Euthyreose nach Schilddrüsenablation gewährleistet sein. Bei bestehendem dringenden Kinderwunsch und M. Basedow sollte eine Schilddrüsenablation mittels Radiojod aufgrund der postinterventionell ansteigenden TRAK möglichst nicht durchgeführt werden. Eine TRAK-Bestimmung sollte im 2. Trimenon (22.–28. SSW) erfolgen, um das Risiko für die Entwicklung einer fetalen/neonatalen Hyperthyreose abzuschätzen. Bei TRAK-Werten > 2–3-fach des oberen Referenzbereichs wird ein Monitoring auf eine fetale/neonatale Hyperthyreose empfohlen.
Aktuelle internationale Empfehlungen zur Behandlung von Schilddrüsenfunktionsstörungen in der Schwangerschaft
Im Jahr 2012 wurden die überarbeiteten Empfehlungen der Endocrine Society zur Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen in der Schwangerschaft publiziert. Bereits 2011 erschienen die Empfehlungen der American Thyroid Association zur Schwangerschaft. Die Empfehlungen der beiden Fachgesellschaften sind in weiten Teilen kongruent:
[BOX 1]
Vorgehen bei erniedrigtem TSH-Wert (unterhalb der Trimenon-spezifischen Richtwerte) in der Schwangerschaft
[BOX 2]
Vorgehen bei erhöhtem TSH-Wert (oberhalb der Trimenon-spezifischen Richtwerte) in der Schwangerschaft
KURZGEFASST
Eine manifeste Hyperthyreose in der Schwangerschaft wird thyreostatisch behandelt (Ausnahme Gestationshyperthyreose). Im ersten Trimenon erfolgt die Behandlung mit Propylthiuracil danach mit Thiamazol/Carbimazol. Eine manifeste Hypothyreose (erhöhtes TSH und erniedrigtes T4) in der Schwangerschaft ist unverzüglich mit Levothyroxin zu behandeln. Die Ursache der Hypothyreose muss abgeklärt werden. Bei einer latenten Hypothyreose kann eine Behandlung erwogen werden; insbesondere bei Anamnese eines vorrausgegangenen Aborts.
Risikoorientiertes oder generelles Screening?
Internationale Leitlinien
Vor- und Nachteile eines individuellen risikoorientierten Screenings versus eines generellen Screenings aller Schwangeren werden seit langem kontrovers diskutiert. In den EndocrineSociety Empfehlungen wurde zu diesem Punkt kein Konsens erreicht. Die ATA hält auch in ihren aktuellen Empfehlungen (noch) weiter an einem fallbasierten Screening fest.
Neue Gesichtspunkte zum Schilddrüsen-Screening
Negro et al. zeigten in einer randomisierten Studie an 4562 schwangeren Frauen im 1. Trimenon einen Vorteil des generellen vs. fallbasierten TSH-Screenings zur Reduktion der Rate maternaler Komplikationen bei Frauen mit einem anamnestisch niedrigen Risiko. Allerdings waren die Fallzahlen der beiden Gruppen sehr niedrig. In einer retrospektiven Analyse einer Bostoner Geburtsklinik, zeigte sich nur eine 20 %ige Diagnoserate bei Anwendung der ATA-Empfehlungen, d. h. bei 80 % der Schwangeren wäre eine Schilddrüsenfehlfunktion ohne generelles Screening nicht entdeckt worden. Von Lazarus et al. wurde im Jahre 2012 die bislang einzige Interventionsstudie zum Schilddrüsenscreening in der Schwangerschaft mit Ziel der Optimierung der kognitiven Entwicklung des Kindes veröffentlicht (Antenatal Thyroid Screening And Child Cognitive Function Study, CATS). In der CATS-Kohorte (21 846 Schwangere) wurde am Ende des 1. Trimenons eine Serumprobe gewonnen und nach Randomisierung die Screening-Gruppe bei einem TSH-Wert oberhalb der 97,5. Perzentile (2 Assays: Cut-Off 3,65 bzw. 3,5mU/l) und/oder bei fT4-Werten unterhalb der 2,5. Perzentile (2 Assays: Cut-Off 8,4 pmol/l bzw. 7,15 pg/ml) mit Levothyroxin (150 µg/Tag) behandelt. Unter Levothyroxin wurde ein Ziel-TSH-Wert zwischen 0,1 bis 1,0 mU/l angestrebt. Die Serumproben der Kontrollgruppe wurden eingefroren und erst nach Ende der Schwangerschaft untersucht. Alle Kinder der Mütter der Kontrollgruppe, die erhöhte TSH- und/oder erniedrigte fT4-Werte hatten, aber nicht behandelt wurden, wurden mit den Kindern der gescreenten und behandelten Mütter im Alter von 3 Jahren verglichen. Hierbei zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im Intelligenzquotient (IQ) der beiden Gruppen. Methodische Einschränkungen der Studie waren zum einen der späte Screening-Zeitpunkt (Ende des 1. Trimenons). Zu diesem Zeitpunkt ist die Gehirnentwicklung schon fortgeschritten und die Intervention startete gegebenenfalls zu spät. Zum anderen wurden auch Schwangere mit isolierter fT4-Erniedrigung behandelt, deren Relevanz unklar ist. Desweiteren ist anzumerken, dass der IQ im Alter von 3 Jahren schwierig zu bewerten ist und die Daten nicht auf Kinder im Alter von 7–8 Jahren übertragbar sind.
Kosten-Nutzen-Analyse
Es besteht eine gewisse Evidenz dafür, dass eine manifeste Hypothyreose der Mutter mit deutlich erhöhten TSH-Werten zu einer erhöhten Abortrate und einem erniedrigten IQ der Kinder führen kann, und dass eine frühzeitige Substitution mit Levothyroxin deshalb nützlich und kosteneffektiv ist. Gleiches gilt vor dem Hintergrund der Ergebnisse der ALSPAC, der Generation R und weiteren Kohorten.
Empfehlungen für Deutschland
Die Autoren des Artikels empfehlen das Screening aller Schwangeren auf eine Schilddrüsenfunktionsstörung zum Zeitpunkt der gynäkologischen Feststellung der Schwangerschaft. Das Screening sollte mindestens die Bestimmung des TSH-Wertes beinhalten, idealerweise auch die Bestimmung der TPO-Antikörper als Risikofaktoren für eine Schwangerschafts-assoziierte Hypothyreose und eine Postpartum-Thyreoiditis.
Diese Empfehlung fußt auf der hohen Prävalenz von Indikatoren für Schilddrüsen-Autoimmunität bei Frauen im reproduktionsfähigen Alter, der hohen Prävalenz von Schilddrüsenfunktionsstörungen während der Schwangerschaft und der Verfügbarkeit einer kostengünstigen Behandlungsoption mit Levothyroxin bei maternaler Hypothyreose. Angesichts der sehr umfangreichen Vorsorgemaßnahmen bei Schwangeren in Deutschland ist nicht nur die jüngste Aufnahme des Screenings auf Gestationsdiabetes in die Vorsorge nach Mutterschaftsrichtlinien erfreulich, sondern die feste Implementierung eines Screenings auf Schilddrüsenfunktionsstörungen in der Schwangerschaft längst überfällig. Zusätzlich sollte die Jodid-Supplementation in der Schwangerschaft zur Optimierung der kognitiven Entwicklung der Neugeborenen eine erstattungsfähige Leistung werden
Nachtrag
In den aktuell publizierten Empfehlungen der European Thyroid Association (ETA) wird nun erstmals ein universelles Screening aller Schwangeren befürwortet. Ferner wird auf ethnisch bedingte Variationen der TSH und (f)T4-Werte in der Schwangerschaft hingewiesen und aufgrund neuer epidemiologischer Daten erstmals eine Öffnung zur Behandlung auch einer isolierten Hypothyroxinämie im 1. Trimenon diskutiert.
KURZGEFASST
Bei allen Schwangeren sollte mindestens ein TSH-Screening erfolgen, und bei pathologischen Werten eine weitere Abklärung veranlasst werden.
Sinnvolle Diagnostik- und Therapiestrategien für Frauenärzte
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