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Erfahrungen mit der vaginalen Geburt von Zwillingen
Der Wunsch einer Schwangeren, Zwillinge und ggf. auch Drillinge auf natürlichem Weg zu gebären, wird von ärztlicher Seite zunehmend weniger unterstützt. Aufgrund von fehlendem Fachwissen, fehlenden praktischen Erfahrungen und gesellschaftlichen Entwicklungen entscheiden sich Frauenärzte immer häufiger zu einer Defensivmedizin und somit zu einer primären Sectio caesarea bei Mehrlingsgeburten.
In den vergangenen zwei Dekaden stieg die Sectiofrequenz in Deutschland um 109 % (1991: 15,3 %, 2011: 32,1 %, Statistisches Bundesamt 2012)! Es ist daher nur folgerichtig, dass auch die Sectiofrequenz bei Zwillingsschwangerschaften kontinuierlich ansteigt. Studienergebnisse zeigen jedoch, dass nicht allein die „Wunschsectio“– eine Sectio caesarea ohne medizinische oder mit „weicher“ Indikation – für die Zunahme verantwortlich ist.
Vielmehr sind es auch die Empfehlungen der niedergelassenen Fach- und Klinikärzte. Sie empfehlen zunehmend nicht nur bei befundeten oder anamnestischen Risiken in der Schwangerschaft großzügig die primäre Sectio caesarea. So verwundert es nicht, dass es Perinatalzentren mit einem hohen Anteil an Zwillingsgeburten zunehmend schwerer gelingt, auch Mehrlingsschwangere aus der low-risk-Gruppe zur vaginalen Entbindung zu motivieren.
Ob eine elektive Sectio gegenüber einer Spontangeburt bei Zwillingsschwangerschaften tatsächlich einen Vorteil für die Kinder bietet, wird gerade in einer internationalen, multizentrischen, randomisierten Studie untersucht („Twin Birth Study“ – TBS, Centre for Mother, Infant and Child Research, University of Toronto/Ontario/Canada). Das Studiendesign ähnelt der Fragestellung des Term Breech Trial (s. u.). Die Rekrutierungsphase ist bereits abgeschlossen. Mit Spannung erwartet die Fachwelt die Ergebnisse der Studie.
Voraussetzungen für eine vaginale Mehrlingsgeburt
- Grundvoraussetzung für eine vaginale Mehrlingsgeburt ist die Motivation der Gebärenden zu einer vaginalen Geburt nach entsprechender individualisierter Aufklärung (informed consent). Das Wissen um die chorialen Verhältnisse stellt dabei die Basis der Aufklärung und Empfehlung zum Geburtsmodus dar.
- Aufgrund der erhöhten Schwangerschafts-, Geburts- und neonatalen Risiken sollte jede Mehrlingsgeburt risikoadaptiert in einer Frauenklinik stattfinden, die die strukturellen und personellen Voraussetzungen eines Perinatalzentrums Level I oder II erfüllt.
Für die Wahl der Geburtsklinik sind die chorialen Verhältnisse sowie das Gestationsalter die bestimmenden Faktoren.
- Je geringer das Gestationsalter, desto höher der Grad der Versorgungsstufe des Perinatalzentrums.
- Monochoriale Mehrlingsschwangerschaften sollen generell in Perinatalzentren Level I mit betreut und entbunden werden.
- Mehrlingsgeburten, die außerhalb der o. g. Strukturen stattfinden, besitzen ein erhebliches Gefährdungspotenzial für die Kinder und ggf. auch für die Mutter. So sollten z. B. auch neonatologische Sekundärtransporte (Baby-Notarzttransport/„Storchenwagen“) unter allen Umständen vermieden werden. Sie können für die Neugeborenen, insbesondere aber für Frühgeborene, mit erheblichen Gesundheitsgefahren und Belastungen verbunden sein. Die möglichen Schäden können die Entwicklung und Lebensqualität der Kinder lebenslang beeinträchtigen.
- Ein motiviertes, erfahrenes und gut eingespieltes Team in der Geburtsklinik ist eine weitere Grundvoraussetzung. Erst durch ein routiniertes Zusammenwirken aller Beteiligten ist eine optimale Versorgung von Mutter und Kindern gewährleistet.
- Außerdem steht zur Geburt ein neonatologisches Team in der Reanimationseinheit bereit. Dabei sind pro erwartetem Mehrling ein Kinderarzt/Neonatologe und eine Kinderkrankenschwester anwesend, um die Erstversorgung der Neu- bzw. Frühgeborenen adäquat und parallel zu gewährleisten, wenn dies erforderlich ist.
- Ab der „Pressphase“ wird das geburtshilfliche Team von einer weiteren Hebamme und einem zweiten Geburtshelfer verstärkt.
- Das anästhesiologische Team einschließlich OP-Pflege sollte frühzeitig über eine anstehende vaginale Mehrlingsentbindung informiert werden. Damit besteht die Möglichkeit, im Vorfeld entsprechende Maßnahmen im Kreißsaal vorzubereiten. Zum Zeitpunkt der Geburt wird das Team dann ohne Stress zum „Stand-by“ in den Kreißsaal-Bereich – nicht ins Gebärzimmer – gerufen und kann bei einer kindlichen oder mütterlichen Notsituation ohne Zeitverzug aktiv werden.
- Ein venöser Zugang bei der Gebärenden zur ggf. notfallmäßigen intrauterinen Reanimation ist ab Beginn der Eröffnungswehen obligat.
- In der späten Eröffnungs- und der Austreibungsphase wird bei beiden Zwillingen kontinuierlich die fetale Herzfrequenz (FHF) mittels simultaner fetaler CTG-Registrierung abgeleitet. Bei schlechter Aufzeichnungsqualität sollte die Kopfschwarten-Elektrode beim I. Zwilling großzügig zum Einsatz kommen.
- Bei unklarer Situation wird zusätzlich die mütterliche Herzfrequenz sonografisch visualisiert, um Fehlinterpretationen des CTG zu vermeiden (z. B. fragliche fetale Bradykardie beim II. Zwilling).
Lesen Sie den gesamten Beitrag hier: Erfahrungen mit der vaginalen Geburt von Zwillingen
Aus der Zeitschrift Die Hebamme 3/2013

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