TENS – transkutane elektronische Nervenstimulation zur Schmerzbewältigung während der Geburt

Hebammen in Deutschland kennen TENS oft nur vom Hörensagen. Aber wie funktioniert die Methode genau? Und was wünschen sich Frauen von Hebammen in der Aufklärung und Anwendung? Der folgende Beitrag erörtert Hintergrund, Wirkungsprinzip und Nutzen mithilfe wissenschaftlicher Evidenz. Erfahrungen aus dem britischen Hebammenalltag geben Einblick in die Arbeit mit TENS.

Hintergrund
TENS ist eine nichtinvasive und nebeneffektfreie Methode der Schmerzbewältigung durch transkutane Stimulation am Rücken. Der Sinn der Anwendung während der Geburt wird kontrovers diskutiert. Während viele Frauen und Hebammen auf den positiven Effekt schwören, halten sich selbst große Institutionen wie WHO und NICE mit einer Empfehlung zugunsten von TENS zurück.

Nachdem TENS erfolgreich in der Schmerztherapie zum Einsatz kam, zum Beispiel in der Physiotherapie, wurde es in den 1970er Jahren auch während der Geburt eingeführt. Vorreiter waren dabei skandinavische Länder, gefolgt von Großbritannien und USA. Vor allem in Industrienationen erfreut sich die Methode heute wachsender Beliebtheit.

Internationale Studien
Seit der Einführung von TENS in die Geburtshilfe wurden zahlreiche internationale Studien durchgeführt. Erste Untersuchungen verglichen TENS mit einem inaktiven Vergleichsapparat. Dabei wurde kein Unterschied zwischen beiden Gruppen in Bezug auf das Schmerzempfinden festgestellt. Erstaunlicherweise berichtete ein Teil der Frauen der inaktiven Testgruppe von höherer Schmerzlinderung. Beide Studien schlossen deshalb auf einen Placeboeffekt. Dennoch wurde aus den positiven Rückmeldungen der Frauen abgeleitet, dass TENS eine zusätzliche Rolle in der Schmerzlinderung spielen könnte.

Eine weitere Studie betrachtete TENS während der Geburt aus Sicht der Physiotherapie. Frauen wurden hier schon vor der Geburt intensiv im Umgang mit TENS geschult. 97,3 % der Testpersonen gaben eine moderate oder signifikante Schmerzlinderung an. Die Resultate zeigten einen hohen Grad an Zufriedenheit, wenn TENS zusätzlich zu anderen Bewältigungstechniken genutzt wurde.

Die bedeutendsten Erkenntnisse zum schmerzlindernden Effekt von TENS in der Geburtshilfe ergaben sich in zwei unabhängigen zusammenfassenden, systematischen Literaturrecherchen. Beide arbeiteten mit ähnlichen Untersuchungsmethoden und kamen zu nahezu identischen Schlussfolgerungen: Es ergab sich keine eindeutige Evidenz dafür, dass die Benutzung von TENS einen Unterschied hinsichtlich des Geburtsverlaufs oder der Rate an Interventionen machte. Allerdings zeichnete sich eine geringe Evidenz dafür ab, dass Frauen mit TENS weniger wahrscheinlich von sehr heftigen Schmerzen während der Geburt berichteten. Viele der Frauen, auch die mit Placebo-Apparaten, waren motiviert, TENS bei zukünftigen Geburten wieder zu nutzen. Darüber hinaus schlussfolgerte man, dass das Gerät eine nützliche Ablenkung darstellt. Die Tatsache, dass Frauen das Gerät selbst bedienen können, schien dabei das Gefühl der Schmerzkontrolle zu verstärken, was wichtiger zu sein schien als der schmerzlindernde Effekt selbst.

Es gab Kritik daran, dass Studien TENS bislang nur mit dem Ziel untersuchten, Schmerz auszuschalten und nicht zu bewältigen. Da Schmerz subjektiv empfunden wird, ist dieser schwer messbar. Jüngere Studien zweifeln den reinen Placeboeffekt daher inzwischen wieder an.

Ergebnisse aus den jüngsten Jahren zeigen, dass TENS durchaus eine signifikante Senkung der Schmerzen erzielte und dass der Bedarf für pharmazeutische Analgetika hinausgezögert wurde – vorausgesetzt TENS wurde von Beginn der aktiven Geburtsphase an genutzt [18]. Eine weitere Studie kam zu ähnlichen Schlussfolgerungen: Im Gegensatz zur Kontrollgruppe berichteten Frauen mit TENS von signifikanter Schmerzlinderung während der aktiven Geburtsphase und kurz nach der Geburt.

MERKE: Keine Studie konnte Nebeneffekte im Zusammenhang mit TENS aufzeigen und es gab keine Unterschiede im Outcome von Neugeborenen, wenn TENS angewendet wurde. Dadurch lässt sich TENS derzeit aus wissenschaftlicher Sicht als sichere Methode bezeichnen. 
Anwendung und Wirkungsprinzip
Der TENS-Apparat für die Geburtshilfe besteht aus einem handlichen, batteriebetriebenen Gerät. Damit sind vier Elektrodenpads verbunden, die am Rücken angebracht werden. Über verschiedene Einstellungen, die die Frau selbst steuern kann, gibt das Gerät minimale Reize ab. Üblicherweise wählen Frauen einen elektronischen Reiz kurz unter der persönlichen Schmerzgrenze für die dauerhafte Stimulation. Das Gefühl beschreiben die Anwenderinnen mit einem Kribbeln oder Prickeln. Über einen entsprechenden Boosterknopf lässt sich der Effekt während einer Wehe verstärken. Das Gerät ist so konzipiert, dass Frauen es zusammen mit ihren Geburtsbegleitern ohne Hilfe von Fachpersonal nutzen können.

Kontraindikationen
Kontraindikationen sind schwere Herzfehler, Herzschrittmacher und Epilepsie. Aufgrund der elektrischen Leitfähigkeit, ist die gleichzeitige Anwendung von Hydrotherapie (z. B. Dusche, Wanne oder Gebärpool) ausgeschlossen. Ansonsten kann TENS prinzipiell in jeder Phase der Geburt und von den meisten Frauen genutzt werden.

Das Wirkungsprinzip hinter TENS lässt sich, neben dem subjektiven Empfinden der Anwenderinnen, hauptsächlich durch das Zusammenspiel zweier wissenschaftlicher Theorien erklären:

Gate control theory of pain
Zum einen spielt die sogenannte „Gate control theory of pain“ eine entscheidende Rolle. Es ist erwiesen, dass die Stimulation der Haut Nervenimpulse erzeugt, die über das Rückenmark ins Gehirn übermittelt werden. Eine Erregung dieser schnellen aufsteigenden Nervenfasern unterdrückt die gleichzeitige Informationsübertragung der langsamen schmerzführenden Fasern. Dabei wirkt ein spezielles System im Rückenmark wie eine Pforte, die die Weiterleitung von Reizen ins Gehirn regelt. TENS kann ein Schließen dieser Pforte herbeiführen. Dies geschieht durch die transkutane Anregung der Nervenfasern über den Rücken, mithilfe von hochfrequenter elektronischer Stimulation geringer Intensität. Die Weiterleitung der schmerzhaften Reize aus Bereichen des Uterus lässt sich so unterdrücken.

Anwendung: Zur optimalen Ausnutzung dieses Effekts wird empfohlen, zwei Paar Pads am Rücken, etwa 5 cm beidseitig der Wirbelsäule, anzubringen: Das obere Elektrodenpaar unterhalb der Schulterblätter auf Höhe T10–L1, das untere Elektrodenpaar knapp oberhalb des Gesäßes auf Höhe S2–S4. Dadurch sitzen die Elektroden über den Wurzeln der aufsteigenden Nervenbahnen von Uterus, Zervix, Vagina und Perineum. Hersteller von TENS für die Geburtshilfe empfehlen als Richtlinie BH-Verschlusshöhe und Lendengrübchen mit 2–4 cm Abstand zur Wirbelsäule.

Gesteigerte Hormonausschüttung
Die Wirkung von TENS lässt sich außerdem durch eine gesteigerte Hormonausschüttung (Endorphine und Enkephaline) in der zerebrospinalen Flüssigkeit erklären. Diese opiat- und morphinähnlichen Hormone sind verantwortlich für eine Erhöhung der Schmerzgrenze und ein gesteigertes Wohlbefinden.

Lesen Sie den gesamten Beitrag hier: TENS – transkutane elektronische Nervenstimulation zur Schmerzbewältigung während der Geburt 

Aus der Zeitschrift: Die Hebamme 04/2019


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