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Terminüberschreitung – Einleiten oder Abwarten?
Mehr als ein Drittel der Kinder kommen in Deutschland nach Schwangerschaftswoche 40 + 0 auf die Welt. Der folgende Beitrag wägt das Vorgehen bei Terminüberschreitung auf Basis eines integrativen Literaturreviews ab, erläutert Ursachen und Risiken und zeigt auf, warum abwartendes Verhalten eine sinnvolle Alternative zur steigenden Zahl an Geburtseinleitungen sein kann.
Hintergrund
Laut Lehrbuch dauert eine Schwangerschaft 280 Tage bzw. 40 + 0 SSW. Mit dem Begriff Terminüberschreitung (TÜ) wird der Zeitraum nach dem errechneten Geburts- bzw. Entbindungstermin (ET) bis zur SSW 42 + 0 bezeichnet. Ab SSW 42 + 0 spricht man von einer Übertragung.
In Deutschland sind im Jahr 2017 rund 37,6 % der Kinder nach SSW 40 + 0 geboren worden. Bei 33,3 % davon wurde die Geburt aufgrund von Terminüberschreitung eingeleitet. Die Einleitung der Geburt bei TÜ zählt damit zu den häufigsten Interventionen in der Geburtshilfe in der BRD. Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) empfehlen, betroffenen Frauen die Geburtseinleitung ab SSW 41 + 0 anzubieten und ab SSW 41 + 3 zu empfehlen.
Der Trend zur Geburtseinleitung bei TÜ wird kontrovers diskutiert. Tatsächlich gibt es wenig Evidenz zur optimalen Dauer einer Schwangerschaft. Der Zeitpunkt des natürlichen Geburtsbeginns hängt u. a. von neuro-hormonalen Kettenreaktionen ab. Diese sind durch individuelle und genetisch programmierte Reifungsprozesse beeinflusst, was sich in einer unterschiedlich langen Schwangerschaftsdauer von Frau zu Frau manifestiert.
Ursachen für eine Überschreitung des errechneten Termins
Parität und Alter der Schwangeren haben Einfluss auf die Schwangerschaftsdauer. Im Vergleich zu Mehrgebärenden und jüngeren Schwangeren wurde bei Erstgebärenden und älteren Schwangeren häufiger eine Überschreitung des Geburtstermins beobachtet. Ebenso ist ein hoher Body-Mass-Index mit einer Überschreitung des errechneten Geburtstermins assoziiert. Bei Frauen, die in einer früheren Schwangerschaft den errechneten Geburtstermin überschritten haben, besteht ein 30-40 % höheres Risiko für eine Terminüberschreitung bei erneuter Schwangerschaft. Studien zeigen außerdem, dass afro-amerikanische Frauen häufiger Frühgeburten (< 37 + 0) erleben. Die statistisch gesehen kürzere Schwangerschaftsdauer in dieser Gruppe wird jedoch eher mit sozioökonomischer Benachteiligung als mit ethnischer Herkunft in Verbindung gebracht. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Ursache für die Diagnose einer Überschreitung des Geburtstermins auch in einer fehlerhaften Bestimmung desselben liegen kann. Geburtstermine, die per frühem Ultraschall bestimmt werden, sind in der Regel akkurater als die Berechnung nach der jüngsten Periode.
Risiko Totgeburt
Als häufigster Grund für eine Einleitung der Geburt bei TÜ wird das Vermeiden einer Totgeburt genannt. Eine Totgeburt nach Terminüberschreitung ist ein äußerst seltenes Ereignis. Abhängig von der Berechnungsgrundlage liegt das Risiko in SSW 41 + 0 bei etwa 1,7 Totgeburten je 1000 Geburten oder aber bei 1,3 Totgeburten je 1000 fortbestehenden Schwangerschaften. In SSW 42 + 0 liegt das Risiko bei etwa 1,9 Totgeburten je 1000 Geburten oder aber bei 1,6 Totgeburten je 1000 fortbestehenden Schwangerschaften. Das Risiko für eine Totgeburt steigt ab SSW 37 + 0 leicht an, bleibt jedoch bis SSW 42 + 0 relativ gering.
Erstgebärende, Raucherinnen und Schwangere mit hohem BMI sowie ältere Schwangere haben ein erhöhtes Risiko für eine Totgeburt. Die Reservekapazität der Plazenta zum Ende der Schwangerschaft ist ein weiterer Einflussfaktor. Wenn eine plazentare Ursache für eine Totgeburt ausgeschlossen werden kann, bleibt die Ursache für das Versterben eines Kindes in utero nach ET oft unbekannt.
Durch die nach TÜ vorgesehenen CTG- und US-Kontrollen gelingt es nicht zufriedenstellend, gefährdete Kinder zu identifizieren, die von einer Geburtseinleitung profitieren könnten. Überwachungsmodelle wie das Growth Assessment Programm und das Kick-Chart-Modell, deren Anwendung in England und in den Niederlanden zu einem signifikanten Rückgang der Rate an Totgeburten geführt hat, konnten sich in Deutschland bisher nicht etablieren.
Aktuelle Analysen zeigen, dass die Totgeburtenrate in Deutschland in den vergangenen 15 Jahren fast gleich geblieben ist, während der Anteil an Geburtseinleitungen von 16,5 % im Jahr 2005 auf 21,7 % in 2017 gestiegen ist. Diese Evidenz spricht nicht klar für eine Senkung der Totgeburtenrate durch eine routinemäßige Geburtseinleitung. Daher ist es wichtig, die Risiken einer Geburtseinleitung im Vergleich zur Alternative, dem abwartenden Vorgehen, genau zu betrachten.
Lesen Sie den gesamten Beitrag hier: Terminüberschreitung - Einleiten oder Abwarten?
Aus der Zeitschrift: Die Hebamme 04/2019
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