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Verzögertes Abnabeln – Frauen kompetent beraten
Wann ist der optimale Zeitpunkt für das Abnabeln Neugeborener – gibt es diesen überhaupt? Was spricht für spätes Abnabeln? Und wie beraten wir Frauen? Der Artikel fasst aktuelle Evidenz zusammen und vermittelt Wissen für die Praxis.
Hintergrund
Unter Abnabelung versteht man im ursprünglichen Sinne das Abtrennen oder Abfallen der Nabelschnur mitsamt der Plazenta des Neugeborenen. Bezogen auf die heutige geburtshilfliche Praxis bezeichnet der Begriff die aseptische Durchtrennung der Nabelschnur nach der Geburt mittels Skalpell oder Schere (Omphalotomie). Dies erfolgt in der Regel relativ einheitlich zwischen zwei angelegten Nabelklemmen. Der am Bauch verbleibende Nabelschnurrest wird gesäubert und vertrocknet innerhalb weniger Tage, bis er schließlich abfällt. Der Bauchnabel bleibt als sichtbarer Teil bestehen.
Dies ist der eigentliche und natürliche Vorgang der Abnabelung. Im übertragenen Sinne wird der Begriff Abnabelung für den Ablösungsprozess von Eltern oder anderen Bezugspersonen verwendet.
Zeitpunkt der Abnabelung
In geburtshilflichen Einrichtungen bestehen erhebliche Variationen hinsichtlich des Zeitpunkts der Abnabelung. Hier wird unterschieden zwischen:
- Sofortabnabelung unmittelbar nach der Geburt
- Frühabnabelung etwa 1,5–2 min nach der Geburt
- Spätabnabelung erst nach dem vollständigen Übertritt des Plazentabluts mit dem Erlöschen des Nabelschnurpulses („Auspulsieren“).
Aktuelle Studienansätze wenden sich von einem strikt festgelegten Zeitpunkt des Abnabelns ab. Der Fokus liegt vielmehr auf einem „baby-directed“- oder „physiological-based“ Ansatz zur Abnabelung. Die Durchtrennung der Nabelschnur sollte demnach vorzugsweise erst nach Etablierung einer ausreichenden Belüftung der Lunge erfolgen.
STICHWORT Lotus-Geburt: Bei der sog. Lotus-Geburt (englisch: lotus birth) wird die Nabelschnur nach der Geburt möglichst steril und unabgeklemmt mit der entwickelten Plazenta am Neugeborenen belassen, um so die natürliche Abnabelung nach ca. 3–10 Tagen abzuwarten. Beobachtet wurde dieses Verhalten angeblich bereits in den 1960er-Jahren bei Schimpansen. Diese Behauptung stellte sich später jedoch als falsch heraus. Die Methode verbreitet sich seit den 1970er-Jahren vor allem in esoterischen Kreisen. Zur Verhinderung bakterieller Fäulnisvorgänge wird die Plazenta bei der Lotus-Geburt gewaschen, getrocknet und mit Salz und Kräutern in atmungsaktivem Material (Mullwindeln) konserviert. Im Internet sind dafür von privaten Anbietern sog. Lotus-Sets und Plazenta-Taschen erhältlich. Befürworter postulieren, dass durch die Lotus-Geburt die spirituelle Geborgenheit der feto-plazentaren Einheit auch nach der Geburt fortbestehen würde. Dadurch sei eine geringere Traumatisierung und bessere Mutter-Kind-Bindung gegeben. Auch wird, neben zahlreichen anderen gesundheitlichen Vorteilen für das Neugeborene, ein Zuwachs an Nährstoffen, Vitaminen, Mineralien, Eisen und Stammzellen angenommen. Letzteres ist sicherlich nicht der Fall, da mit dem Auspulsieren der Nabelschnur schon nach wenigen Minuten der Blut- und Nährstoffaustausch zwischen Plazenta und Kind vollständig endet. Die vermeintlichen medizinisch-physiologischen Vorteile der Lotus-Geburt sind also ausschließlich Argumente für spätes Abnabeln und nicht für die tagelange Verbindung des Kindes mit der Plazenta. Zudem kann bei nicht sachgemäßer Anwendung dieser Methode ein Infektionsrisiko für das Neugeborene durch aufsteigende Keime bestehen. 2008 führte dies zu einer entsprechenden Warnung durch das britische Royal College of Obstetricians and Gynaecologists. Bei richtiger Anwendung erscheinen die Risiken der Lotus-Geburt allerdings eher gering. Die oft angeführten Vorteile haben jedoch keinerlei wissenschaftliche Evidenz. |
Lesen Sie den gesamten Beitrag hier: Verzögertes Abnabeln – Frauen kompetent beraten
Aus der Zeitschrift: Die Hebamme 04/2019
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