• Trauerprozess: Fragen hilft © Fotolia/nikrcrn

    In der Psychoonkologie können Fragen an den Sterbenden den Trauerprozess unterstützen

     

Trauerprozess: Fragen hilft

Um die Lebensgeschichte, die zu betrauernden Objekte und Situationen kennen zu lernen, habe ich Ihnen im Folgenden einige Beispiele für Fragen an den Sterbenden zusammengestellt, die es Ihnen erleichtern können, die Seelenlebenslandschaft Ihres Patienten schneller zu überblicken, sodass sie Bezüge zuordnen und einen übergreifenden Zusammenhang herstellen können.

Nützliche Fragen

  • Stellen Sie sich vor, dass sie auf dem höchsten Gipfel Ihrer Seelenlandschaft stehen, sich nach alles Seiten umwenden und sich fragen, ob alles, was Sie sehen, schön und gut war. Erzählen Sie von den Abgründen der Einsamkeiten, Schluchten der Ängste und Verzweiflungen, Ebenen und Wüsten der Enttäuschung über sich und/oder andere.
  • Was glauben Sie war die Aufgabe in Ihrem Leben, wenn Sie sich vorstellen, dass jeder von uns eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hätte?
  • Was in Ihrem Leben war das Schönste, Beste, was Ihnen passiert ist? Was das Schlimmste?
  • Was haben Sie für sich oder andere am Besten getan? Was war Ihre schlimmste Handlung oder Unterlassung? An welche Abschnitte in Ihrem Leben erinnern Sie sich am liebsten? Warum?
  • Welche Abschnitte in Ihrem Leben möchten Sie am liebsten ungeschehen machen? Warum?
  • Aufbauend und gewissermaßen die vorangestellten Fragen mit einbeziehend: Was war Ihrer Meinung nach das Thema Ihres Lebens? Wo zeigte und zeigt es sich?
  • Ich möchte Sie bitten, sich an Ihre Kindheit zu erinnern. Was sind Ihre schönsten Erinnerungen, welches Ihre schlimmsten?
  • Bleiben Sie in diesem Lebenslandschaftsabschnitt und versuchen ie alte Stimmen zu hören. Welche Glaubenssätze, welche Wertungen, Normen und Aufgaben wurden ausgesprochen und gelebt?
  • Wer übertrug Ihnen Ihre Aufgaben? Sehen Sie die Zusammenhänge zwischen Ihren Lebensaufgaben und Ihren Erinnerungen? Wenn Sie die wichtigste Lebensentscheidung ungeschehen oder verändern könnten, welche Entscheidung wäre es und warum trafen Sie sie?
  • Was kann Ihnen helfen, mit dem damaligen Tun bzw. Unterlassen Friede zu schließen?
  • Versuchen Sie, sich eingebettet in Ihrer damaligen Lebenssituation zu sehen und zu verstehen. Gibt es heute Möglichkeiten, etwas real zu verändern, was Ihnen helfen könnte, sich mit sich zu versöhnen? Zum Beispiel

-jemanden anrufen und um Verzeihung bitten

-die damaligen Entscheidungen Leidtragenden verständlich machen und um Verzeihung bitten

-Missverständnisse ausräumen oder

-sich trauen, sich endlich zu wehren,

-endlich berechtigt die Wut ausdrücken zu können und etwas abzuschließen etc.?

  • Was für alte "Rechnungen" stehen noch offen, die Sie mit anderen ode´ andere mit Ihnen haben?
  • Was hindert an der Versöhnung?
  • Welchen Anteil Ihrer Persönlichkeit schätzen Sie? Welchen Teil lehnen Sie ab oder betrachten ihn mit Scham? Wie zeigen sich diese Teile Ihres Seins als Kind und später als Erwachsener?
  • Auf welche Entscheidungen, Taten oder Ausdrücke Ihres Seins sind Sie stolz?
  • Welche Teile Ihres Seins, welche Handlungen, Gefühle oder Taten beschämen Sie, lösen Schuldgefühle aus?
  • In welchen Momenten Ihres Lebens haben Sie sich mit sich wohl, aufrichtig, authentisch gefühlt und erlebt?
  • Was machte es Ihnen damals möglich, in dieser Art mit sich zu sein?
  • Was hinderte Sie daran, immer wieder zu Ihnen selbst zurückzukehren? Können Sie die Komplexität Ihrer unterschiedlichen Lebenssituationen, Ihre vielen Entwicklungsschritte sehen?
  • Wer und was begleitete Sie, unterstütze Sie in diesen besonders authentisch erlebten Phasen Ihres Lebens? Was tat gut?
  • Wie kann Ihnen das, was Ihnen so gut getan hat im bisherigen Leben, jetzt helfen?
  • Wer könnte Sie jetzt am besten begleiten?
  • Wenn Sie jetzt Ihren Krankheitsalltag erleben, was beschäftigt Sie am intensivsten? Warum?
  • Gibt es Teile an Ihnen, Handlungen, Entscheidungen, die Sie auch jetzt noch vor anderen verbergen müssen? Rollen, die Sie glauben weiter aufrechterhalten zu müssen, Fassaden, die nicht bröckeln dürfen? Für wen und warum?
  • In unserem ganzen Leben sind wir immer beschäftigt. Mit uns, mit anderen, im Fühlen, Planen, Handeln usw. Jetzt zählt eine neue Zeit. Was gilt es jetzt noch abzuschließen, abzurunden? Wie heißen Ihr Thema, Ihre Aufgabe jetzt?
  • Was brauchen Sie jetzt, um Ihr Leben rund, befriedet und versöhnt abschließen zu können? Brauchen Sie technische, materielle, wirtschaftliche, körperliche oder seelische Unterstützung?
  • Welche Rituale könne Sie jetzt, entsprechend Ihrer Tagesform, unterstützen?
  • Sind Sie spirituell oder religiös eingebettet? Wenn ja, wer betet mit Ihnen, hilft Ihnen bei Ihrem Wunsch, diese Rituale zu verrichten? Wenn nein, besteht der Wunsch, dass wir uns auf dieser Ebene unterhalten, ähnlich einem philosophischen Disput? Welche Gesprächspartner wünschen Sie sich zu Ihrem persönlichen Wachstum?
  • Wie fühlen Sie sich jetzt, was geschieht in Ihnen?

Wie helfen diese Fragestellungen?

Durch diese Fragestellungen, die zum Teil unserem Patienten viel abverlangen werden, vermitteln wir Ihnen nicht nur unser konkretes Interesse an Ihnen und Ihrem individuellen Leben; vielmehr steht dahinter die Botschaft: "Du kannst mit mir über alles reden. Ich habe keine Angst und lasse dich nicht allein. Du brauchst mich nicht zu schonen, denn ich kann für mich sorgen. Beanspruche mich ohne den Gedanken etwas für mich tun zu müssen."

In der Auseinandersetzung mit den gestellten Fragen besteht für den Patienten die Chance, dem eignen Leben und dem Sterbeprozess eine Zielrichtung und Sinngebung zu verleihen. Trotz Behinderung durch Medikamente oder organische Ausfälle erleben sich die Betroffenen nicht hilflos und ohnmächtig, sondern aktiv suchend und findend in ihrem Leben und Sterben. Parallel zu der Betrachtung der Vergangenheit integriert sich auf diese Weise - scheinbar passiv - die zunehmende Akzeptanz des Sterbens.

Quelle: G. Angenendt, U. Schütze Kreilkamp, V. Tschuschke: Praxis Psychoonkologie. Psychoedukation, Beratung und Therapie. 2. Auflage. Stuttgart. Haug Verlag. 2011. S. 116-117

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