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Grüner Tee zur primären und tertiären Prophylaxe des Mammakarzinoms
Bei der Herstellung von grünem Tee wird nach dem Welken der frisch gepflückten Blätter der Teepflanze (Camellia sinensis) der Oxidationsprozess der Teeblätter durch kurzes Erhitzen, Rösten oder Dämpfen verhindert. Dadurch wird unter Anderem die Umwandlung von Inhaltsstoffen in Aromastoffe unterbunden, sodass sich grüner Tee von schwarzem Tee in Geschmack und Inhaltsstoffen unterscheidet. Die wesentlichen gesundheitsfördernden Wirkungen des grünen Tees werden den Catechinen, vor allem Epicatechin (EC), Epicatechingallat (ECG), Epigallocatechin (EGC) und Epigallocatechingallat (EGCG), zugeschrieben, die dem Tee auch den bitteren Geschmack verleihen.
Seit Urzeiten werden dem grünen Tee vielfältige gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben. Eine Vielzahl von In-vitro-Studien und tierexperimentellen Studien haben die positiven Effekte von grünem Tee untersucht. Mit deren Hilfe war es möglich, die Wirkmechanismen von grünem Tee näher zu charakterisieren. Zu diesen Wirkmechanismen gehören:
- Antiangiogenese
- Interaktionen mit Schlüsselproteinen in der Karzinogenese,
z. B. Phosphoinositid-3-kinase (PI3K), 67-kDa Lamininrezeptor, Ras-GTPase aktivierendes Protein (GAP), SH3 Domain-bindendes Protein (G3BP1), Bcl-xL und Bcl-2, Vimentin, Fyn, GRP78, Insulin-like-growth-factor 1 Rezeptor (IGF-1R) - Inhibition von Zellsignalpfaden – reduzierte Phosphorylierung und Aktivierung des Her-2/neu-Rezeptors, Inhibition des Hepatozyten-Wachstumsfaktor-Signalweges und dadurch auch ERK1/2 und Akt/protein kinase B (PKB)
- Enzyminhibition – z. B. Cyclin-abhängige Kinasen (CDK)
2 und 4 - Induktion der Apoptose und Hemmung der Zellteilung – Erhöhung der Expression von p21 und p27, Veränderung der Aktivität von EGFR, Expression von proapoptotischen Genen wie Caspase 3, 8 und 9 sowie TP53
- Effekte auf die MicroRNA (MiR): MiR-27a zielt auf FOXO1, einen möglichen Tumorsuppressor. EGCG reguliert MiR-16 in Tumorzellen hoch, welches wiederum die IκB-Kinase α und nachfolgend die IκB-Akkumulation in tumorassoziierten Makrophagen verursacht
- veränderte DNA-Methylierung
- Demethylierung der humanen Telomerase-Revers-Transkriptase
- Veränderung der Fettsäuresynthase durch Blockierung von Heregulin
- Verstärkung der Quercetin-, Paclitaxel- und Vinblastin-induzierten Aktivierung der Proapoptose in Zellorganellen
u. v. a. m.
Zahlreiche Studien zur primären Krebsprävention bei unterschiedlichen Tumorentitäten sind durchgeführt worden, sodass mittlerweile zu einigen Entitäten bereits Metaanalysen möglich waren. Es zeigte sich, dass grüner Tee keine positiven Effekte bei Prostata-, Blasen- und Magenkarzinomen hat, dass bei Ösophagus-, Lungen-, Leber- und Endometriumkarzinomen positive Effekte möglich sind und dass beim Ovarialkarzinom ein positiver Effekt sicher nachweisbar ist. Was kolorektale Tumoren betrifft, war eine Beurteilung nicht möglich. Jedoch waren die Effekte von grünem Tee nicht immer positiv: Bei Rauchern erhöhte Teetrinken zum Beispiel das Risiko von Blasenkrebs.
Grüner Tee zur Prävention des Mammakarzinoms
Im Hinblick auf das Mammakarzinom erschien 1997 eine vielbeachtete Studie, die zeigte, dass bei japanischen Frauen, die bis zu 10 Tassen grünen Tee am Tag tranken, das Erkrankungsrisiko an Brustkrebs und das Trinken von grünem Tee in einer inversen Korrelation standen. Seither haben weitere klinische Studien das Ergebnis bestätigt, sodass es inzwischen möglich wurde, mit Hilfe von Metaanalysen einen positiven Effekt von grünem Tee zu bestätigen. Bislang steht allerdings eine prospektive Studie aus, die bestätigen könnte, dass eine Intervention mit dem Trinken von grünem Tee das Erkrankungsrisiko senkt. Ferner stellt sich die Frage, ob sich der präventive Effekt von grünem Tee auf alle Arten von Brustkrebs (Luminal-A, Luminal-B, HER2-positive Tumoren, basal-like) bezieht oder ob nur bestimmte Arten von Brustkrebs verhindert werden. Zu beiden Fragestellungen besteht entsprechend noch Bedarf an weiterer Forschung.
Grüner Tee und die Therapie des Mammakarzinoms
Bereits Seely und Mitarbeiter beschrieben, dass grüner Tee auch einen positiven Effekt nach der Erkrankung an einem Mammakarzinom haben könnte. Ogunleye und Mitarbeiter formulierten dieses schon deutlich positiver, denn zwei Studien beschrieben bereits einen positiven Effekt von grünem Tee auf die Rezidivwahrscheinlichkeit des Mammakarzinoms. Die Hintergründe und Wirkmechanismen dieses Phänomens sind ebenfalls nicht aufgeklärt. In-vitro-Experimente und Tierversuche haben jedoch gezeigt, dass grüner Tee die Expression der Östrogenrezeptoren (insbesondere in Kombination mit einem Histon-Deacetylase-Inhibitor) wiederherstellen kann. Grüner Tee kann möglicherweise auch die Empfindlichkeit eines Tumors gegenüber dem Antikörper Trastuzumab wiederherstellen, die Wirksamkeit von Tamoxifen verstärken sowie die Sensitivität des Tumors gegenüber Taxanen und anderen üblichen Zytostatika erhöhen. Auch hier ergeben sich durch diese Befunde interessante neue Behandlungsansätze, die in klinischen Studien geprüft werden sollten.
Wenn Patientinnen grünen Tee auch heute schon anwenden möchten, so werden 3–5 Tassen täglich (entsprechend 250 mg Catechine/Tag) empfohlen. Die Empfehlung, trotz der noch nicht zufriedenstellenden Datenlage zum grünen Tee auch heute Patientinnen mit Mammakarzinom nicht von diesem abzuraten, begründet sich in dem Umstand, dass dieser auch zahlreiche weitere positive Effekte auf den Körper hat, die für die eine oder andere Patientin einen Zusatznutzen versprechen. So konnte gezeigt werden, dass grüner Tee einen positiven Einfluss auf den Nüchternblutzucker und die Hb A1c-Werte hat, möglicherweise der koronaren Herzkrankheit vorbeugt, bei adipösen Patienten zu einem geringen Gewichtsverlust führt und sich günstig auf eine Hypercholesterinämie (Reduktion des LDL-Cholesterins) auswirkt.
Vielfach wird in Pressemeldungen auf die mögliche Schadstoffbelastung des grünen Tees hingewiesen. Eine Studie, die sich der Problematik angenommen hat, kam zu dem Schluss, dass in den meisten Fällen Schadstoffe nicht nachweisbar waren bzw. in Mengen nachgewiesen wurden, die weit unter den Grenzwerten lagen. Diese Arbeit warnte jedoch davor, den Tee aufzukochen, da dadurch eine erhöhte Gefahr bestünde, dass Giftstoffe in das Getränkt übertreten könnten. Ansonsten sind unerwünschte Wirkungen von grünem Tee eher selten.
Fazit
Auch wenn die Datenlage noch Wünsche offen lässt, stellt sich grüner Tee insgesamt als eine interessante Substanz in der Prävention und der komplementären Behandlung des Mammakarzinoms dar. Patientinnen, die nach zusätzlichen Möglichkeiten fragen, können auf grünen Tee aufmerksam gemacht werden, der beim Mammakarzinom bei ergänzender Anwendung mögliche Vorteile mit sich bringt, sich unter Anderem auf den Glukose- und Fettstoffwechsel positiv auswirkt und selten zu unerwünschten Wirkungen führt. Grüner Tee ist damit aktuell sicher eine der interessanteren Substanzen im Bereich der Komplementärmedizin, die eine weitere intensive Erforschung verdient.
Prof. Dr. med. Karsten Münstedt
Aus der Deutschen Zeitschrift für Onkologie
