• Andrew Taylor Still

     

Welche Elemente charakterisieren die Osteopathie?

Wenn wir A. T. Stills Denkschritte untersuchen, zeigt sich, dass nicht alle seine philosophischen Ideen und Prinzipien direkt der „Osteopathie“ als solcher zugeschrieben werden können.

Was macht die Osteopathie einzigartig?

Daher sollte man über die wesentlichen Aspekte nachdenken, welche die Osteopathie von allen anderen medizinischen und therapeutischen Ansätzen unterscheidet. Obwohl der „alte Doktor“ die Meinung vertrat, dass bei Osteopathen der Tastsinn in einem sehr hohen Maß entwickelt sein und eine wesentliche Qualifikation eines erfolgreichen osteopathischen Arztes sein muss [1], sind unsere heilenden Hände nicht die entscheidenden Unterscheidungsmerkmale. Tatsächlich sind die magischen Hände auch für Chiropraktiker, Manualtherapeuten, Physiotherapeuten, Masseure und viele andere unverzichtbar.

Wie wäre es dann mit „panta rhei“, dem sog. freien Flüssigkeitsaustausch? Richtig: In der Osteopathie nutzen wir dieses Prinzip auch, um einen guten Teil unserer therapeutischen Ansätze zu erklären. Aber ist es das, was uns einzigartig macht? Ich fürchte nicht, weil dieses Prinzip auch in der Homöopathie, Akupunktur, im Reiki und bei anderen naturheilkundlichen Therapieverfahren und alternativmedizinischen Konzepten großgeschrieben wird.

Zusätzlich müssen wir uns eingestehen, dass viele der sog. philosophischen osteopathischen Säulen, auf die immer wieder in Interviews, Flyern und Websites verwiesen wird, eher Teile der medizinischen Grundphilosophie anzusehen sind, wie sie von Hippokrates, Sokrates und anderen griechischen Philosophen formuliert wurden.

Was also ist es, das die Osteopathie einzigartig macht? Was sind die Leitgedanken bei unserer Arbeit mit Patienten oder beim Studieren? Einen wichtigen Teil der Antwort gibt Still im Interview vom 28.11.1904, in dem er sagt: „Ich entschied um 1845, dass diese unbekannte Intelligenz, nennen Sie sie, wie Sie wollen, die allen Strukturen und Funktionen zugrunde liegt, vertrauenswürdig ist. Ihre Arbeit ist perfekt.“

Apotheke Gottes

Seine Argumentation ist in der heutigen Zeit noch aktuell: Denn kein Molekül oder Medikament, das entwickelt wurde, ist wirklich neu. Die meisten synthetisch hergestellten Medikamente sind „einfache“ Kopien von körpereigenen Molekülen. Dementsprechend entwickelte der alte Doktor einen praktischen Ansatz, mit dem er versuchte, die inneren Regulationskräfte zu stimulieren, sodass der Körper selbst seine Regulationssysteme starten oder verbessern konnte. Still nannte den Körper „Apotheke Gottes“.

Der wesentliche Unterschied zwischen der Medizin und der Osteopathie liegt darin, wie sie mit dem Angebot der Apotheke Gottes umgehen. Still formulierte: „Ich glaube, der Mensch machte den Fehler, als er damit begann, giftige Substanzen als Heilmittel für Krankheiten in das menschliche System zu injizieren, anstatt die Gesetze der Schöpfung zu diesem Zweck anzuwenden. Hier ist der Punkt, an dem Osteopathie und Medizin getrennte Wege gehen.“

Es ist bekannt, dass Still in seiner Kommunikation viele Metaphern benutzte. Die Frage, die sich daraus ergibt, ist: Wie haben wir diese zu verstehen? Michael A. Lane, der 1928 den Distinguished Service Award der American Osteopathic Association erhielt, hatte eine überraschende, aber wissenschaftliche Deutung der Apotheken-Metapher. Für ihn war Still der Erste, der die innere Kraft zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit mit dem allgemeinen Gesetz der Immunität verband, das Lane als das erste, für die Osteopathie bestimmende, Axiom definierte.

Still hatte von Anfang an die Beobachtung gemacht, dass der menschliche Körper durch den Kontakt mit Krankheitserregern nicht grundsätzlich krank wurde. Darüber hinaus bemerkte er, dass in einigen Fällen Patienten nach dem Auftreten einer Krankheit für eine Weile oder sogar ein ganzes Leben lang resistent zu sein schienen. So argumentierte er, dass er irgendwo irgendetwas in unserem Körper, im Blut, vor zerstörerischen Krankheitserregern bewahren müsse. Dass es einen natürlichen vererbten Widerstandsmechanismus geben müsse, eine Abwehr, die den Körper gegen die Krankheit reagieren lasse und es ihm ermögliche, sich zu erholen und sogar zu heilen. Erst 1889, 15 Jahre nachdem Still die Immunität und die Apotheke Gottes als wichtigste Axiome seiner Vorgehensweise definiert hatte, publizierte Paul Ehrlich die Theorie der Immunologie.

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Aus der Zeitschrift: DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 01/2019

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