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Halb zehn in Deutschland
Es ist immer dasselbe. Jeden Monat denke ich darüber nach, über welches Thema ich mich in meiner nächsten Kolumne auslassen könnte. Immer gut geeignet (oder gerade nicht) ist die tagesaktuelle oder große Politik. Oder soll es etwas über Patienten im Allgemeinen oder im Besonderen oder über die Familie werden? Selbst das Wetter gibt immer wieder etwas her. Nein, dieses Mal nicht! In dieser Kolumne will ich mal ein ganz heißes Eisen anfassen – und zwar das leidige Thema Arbeitspausen. Und um dem noch eins draufzusetzen: Pausen im Stationsalltag. Und die Idee dazu kam so:
Während eines Frühdienstes saß ich um 8 Uhr in unserem Aufenthaltsraum am mehr oder weniger gedeckten Tisch. Ich wartete auf meine Kollegen, die noch oder schon wieder auf der Station herumschwirrten, und ließ meinen Blick schweifen. „Gedeckter Tisch“ heißt bei uns ein Sammelsurium an mehr oder weniger geschmackvollen Tassen, dazu nicht passende Teller. Die Tassen sind natürlich personenbezogen und es kommt schon mal zu leichter Hysterie, sollte die eigene Tasse nicht gleich gefunden werden. Ich würde es zum Beispiel nie wagen, die „Äffchentasse“ meiner Kollegin Maria für mich zu beanspruchen. Dafür weiß aber auch jeder, dass die geblümte Doppeltasse mir gehört. Leider macht die es wohl nicht mehr lange. Der große Sprung im Innern weitet sich langsam aus. Andere Kollegen bleiben ganzjährig ihrer Weihnachtstasse treu. Ich bin nur froh, dass wir derzeit keine Tasse mit einer Diddl-Maus oder einem flapsigen Spruch wie „Held der Arbeit“ im Rennen haben. Diverse Marmeladengläser reihen sich aneinander. Natürlich immer mit selbstgemachter Marmelade, die entweder von den Kollegen oder deren Müttern oder Großmüttern mit Liebe gekocht wurde. Müslischüsseln, gefüllt mit oft nicht zu definierender Pampe, die sich dann die gesundheitsbewussten Kollegen mit verzerrter Miene reinschaufeln und dabei beteuern, wie gut es angeblich schmeckt, dürfen auch nicht fehlen. Insgesamt sieht unser Frühstückstisch also nicht besonders einladend aus. Aber das ist nur das kleinere Übel. Wenn wir es doch nur einmal schaffen würden in Ruhe zu frühstücken!
Wir haben vor Jahren viele Möglichkeiten ausprobiert, um eine im Stationsalltag günstige Zeit für unser Frühstück zu finden, und fanden es eigentlich relativ pfiffig, dann zu frühstücken, wenn es die Patienten auch tun. Da haben wir allerdings die Rechnung ohne den Patienten an sich gemacht. Obwohl unsere Patienten zwischen etwa 6.30 Uhr und 8 Uhr von uns geweckt und, wenn nötig, ins Bad mobilisiert werden, die Visite stattfindet und das Frühstück und die Medikamente ausgeteilt werden und wir annehmen könnten, dass alle jetzt für die nächste halbe Stunde zufrieden mit ihrem Frühstück zu tun haben sollten, klingelt es auf Station oft im Minutentakt. Der eine wünscht noch eine zweite Tasse Kaffee, ein anderer fragt, ob man nicht die gelbe Marmelade in eine rote tauschen könnte. Manchmal dürfen wir auch das Fenster schließen, weil es im Rücken zieht, oder andere lebenswichtige Dinge tun. Dann das Telefon! Das Röntgen ruft Patienten ab, das Labor hat mal eben eine Frage und Angehörige hätten gern Auskunft über die Befindlichkeit ihrer Familienmitglieder. Dann kommen noch diverse Ärzte vorbei und wollen irgendwas, begleitet von einem leichtherzigen Bedauern, dass sie gerade beim Frühstück stören. Oft geben wir dann genervt auf und gehen wieder an die Arbeit. Man kann ja zwischendurch noch mal von dem Brötchen abbeißen und einen Schluck vom kalten Kaffee nehmen. Soll ja schön machen.
Lesen Sie hier den gesamten Beitrag sowie zwei Fälle aus unserem Rechtsticker: Kolumne · Rechtsticker
Aus der Zeitschrift JuKiP 3/2016

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