• Kinästhetik Infant Handling - Aus der Rücken- in die Seitenlage

     

Kinästhetik Infant Handling - Aus der Rücken- in die Seitenlage

In diesem Beitrag der Reihe Kinästhetik geht es um die verfeinerte Durchführung alltäglicher Transfers mit besonderer pflegerischer Relevanz. Am Beispiel des Transfers aus der Rücken- in die Seitenlage soll gezeigt werden, wie grundlegendes Bewegungsverständnis im Sinne von Kinästhetik im pflegerischen Alltag leicht umgesetzt werden kann, um Bewegung zu fördern und körperliche Belastungen zu reduzieren. So erfolgt Entwicklungsförderung im Handling von Anfang an.

Häufig zeigt es sich, dass die Erwartung Pflegender an Kinästhetik dort beginnt, wo mit gewohnheitsmäßigem Heben und Tragen kein Weiterkommen zu erzielen ist. Dabei geht es oft um großräumige und komplexe Transfers von Menschen mit schweren Bewegungseinschränkungen, beispielsweise schlaffen oder spastischen Lähmungen oder ausgeprägten Kontrakturen. Kräftiges Zupacken, Anzählen „auf Drei“ und „hau ruck!“ machen solche Bewegungen für den Betroffenen unter Umständen zu einem Negativerlebnis, vor dem er sich selbst nur schwer schützen kann. Je komplexer und großräumiger die Transfers sind, die in dieser Weise ausgeführt werden, desto wahrscheinlicher wird die Überlastung sowohl der Pflegenden als auch der Patienten früher oder später deutlich. So wird im Handling von Früh- und Neugeborenen oft das ganze Kind oder mehrere Körperteile gleichzeitig angehoben „wie ein Paket“. Bei diesen Patienten ist der Kraftaufwand für die tragende Person meist gut leistbar und wird kaum als Belastung wahrgenommen. Das Kind kann dieser Bewegung jedoch nicht folgen, es muss sich in vorgegebenen Positionen halten, seine eigenen Bewegungsabläufe und Bewegungsprozesse werden beeinträchtigt. Da ihm die Möglichkeiten zur eigenen Bewegungssteuerung genommen werden, wird die Interaktion beeinträchtigt. Die Fremdbestimmung hemmt die Orientierung im eigenen Körper. Häufig reagieren Kinder, die in dieser Weise bewegt werden, mit Weinen oder mit Schutzreflexen. Dass schon die alltägliche Aktivität des Windelwechselns eines Früh- und Neugeborenen über die Seitenlage als entwicklungsfördernder Interaktionsprozess gestaltet werden kann, wird oft unterschätzt oder nicht beachtet.

Einer der im Pflegealltag am häufigsten anzutreffenden Transfers ist der von der Rücken- zur Seitenlage. Eine gebräuchliche Durchführungsvariante stellt sich durch Kontakt an Schulter und Gesäßmuskel dar, gefolgt von seitengleichem Ziehen an diesen Kontaktzonen. Der Patient wird also „am Stück“, in seiner Form ähnlich einer Walze, zur Seite gedreht. Diese Bewegung mehrerer Körperteile gleichzeitig in eine Richtung wird in der Kinästhetik als En-bloc-Bewegung bezeichnet. Derartige Bewegungsmuster sind im Bewegungsverhalten gesund entwickelter Erwachsener zuhauf zu beobachten. Beispielsweise werden beim Aufstehen aus dem Sitzen die Körperteile Brustkorb, Kopf und Arme meist gleichzeitig bewegt. Diese Bewegungsgewohnheiten stellen jedoch besondere Herausforderungen an die Fähigkeit des Menschen zur Bewegungssteuerung und -koordination, da die Körperteile während der Bewegung auch zueinander in Beziehung gehalten werden müssen. Dies erfordert meist einen relativ hohen Kraftaufwand. Diese Fähigkeit entwickelt sich erst im Kleinkindalter. Beobachtet man Kinder im 1. und 2. Lebensjahr in ihren Bewegungsabläufen, findet man keine En-bloc-Bewegungen.

Handlungsgewohnheiten hinterfragen

Legt man sich selbst flach auf den Rücken und versucht sich aus eigener Kraft in dieser Form in die Seitenlage zu drehen, wird dies, wenn überhaupt, nur unter größter Anstrengung, d. h. mit maximal erhöhtem Muskeltonus gelingen können.

Eben diesen hohen Muskeltonus zwingen Pflegende auch ihren Patienten auf, wenn sie versuchen, diese in der oben genannten Weise zu bewegen. Dies kommt zum einen durch die ungeeigneten Kontaktzonen an Körper, Schulter und Gesäßmuskel zustande, die in ihrer Beschaffenheit weniger geeignet sind, Körpergewichte zu bewegen. Damit beim Zug an der instabilen und in mehreren Richtungen beweglichen Schulter sowie am weichen Gesäßmuskel überhaupt ein Gewichtstransfer von einer Position in eine andere zustande kommt, muss der Patient Muskeltonus im Sinne einer schützenden Abwehrspannung aufbauen. Die Tonuserhöhung macht wiederum einen gesteigerten Kraftaufwand vonseiten der Pflegekraft nötig, um den auftretenden Widerstand zu überwinden. Dies geschieht unabhängig vom Gesamtkörpergewicht des Patienten, also bei Kindern ebenso wie bei Erwachsenen, fällt bei ersteren aber oft nicht auf, da besagter Widerstand bei geringerem Körpergewicht natürlich leichter zu überwinden ist. Langfristig werden Pflegende mit dieser Vorgehensweise an ihre Grenzen stoßen, was sich in körperlichen und seelischen Überlastungssymptomen äußern kann. Vor allem aber entspricht sie in keiner Weise den Grundideen entwicklungsfördernden Handlings oder bewegungsfördernder Unterstützung, da der Patient kein Bewegungsmuster angeboten bekommt, das er aus seiner Bewegungserfahrung einsetzen könnte, um den Positionswechsel aus eigener Kraft zu vollziehen. Entwicklungsförderndes Handling knüpft an die intrauterinen Vorerfahrungen des Kindes an. Ein sanfter Übergang in der Anpassung an das extrauterine Leben soll ermöglicht werden. Das Ziel der bewegungs- und entwicklungsfördernden Pflege ist ein individuell angepasstes Angebot entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand eines jeden Kindes.

 

Lesen Sie hier den gesamten Beitrag: Kinästhetik Infant Handling - Aus der Rücken- in die Seitenlage

Aus der Zeitschrift JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 05/2017

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