• Schnobbl, Protagonist des DOLORES-Konzepts

     

Mit Schnobbl gegen die Angst

Das Fantasiewesen Schnobbl, der Protagonist des DOLORES-Konzepts, begleitet Kinder im Krankenhaus vor, während und nach Operationen. Schnobbl sorgt dafür, dass sie weniger Angst haben, ruhiger aus der Narkose aufwachen und insgesamt stressärmer auf die Normalstation zurückverlegt werden können. Wir stellen das bereits in mehreren deutschen Kliniken etablierte Angst- und Schmerzprophylaxe-Konzept für Kinder im Krankenhaus vor.

Kinder erleben ein Krankenhaus oft sehr bedrohlich. Die Größe des Gebäudes, die als unübersichtlich empfundenen Wege zu den Stationen, die Betriebsamkeit des Personals sowie die von medizinischen Notwendigkeiten und Sparzwängen geprägte Atmosphäre rufen bei ihnen nicht selten Angst und Hilflosigkeit hervor. Gerade darum ist es heutzutage sinnvoller denn je, sie behutsam und gezielt auf den Klinikaufenthalt vorzubereiten.

Auch wenn man versucht, sich auf die Bedürfnisse von Kindern und Familien einzustellen, kommt es immer wieder zu schwierigen, teilweise grenzwertigen Situationen und Belastungen für alle Beteiligten. Man begegnet dabei typischen kindlichen Verhaltensmustern, die den Behandlungs- und Genesungsprozess erheblich beeinträchtigen können und womöglich zu Traumatisierungen führen.

  • Sensibilität: Angst vor schlechten Erfahrungen, gesteigertes Wahrnehmen von Schmerzen, Skepsis, Heimweh
  • Ablehnung: Verweigerung notwendiger Untersuchungen und medizinischer Maßnahmen, sich wegdrehen, sich entziehen, fehlendes Vertrauen
  • Abwehr: aggressives Verhalten, Abwehrspannung, Schreien, Weinen, Greinen
  • Traurigkeit: Rückzug, ausgeliefert sein, Sehnsucht nach Geborgenheit

Darüber hinaus spielt natürlich auch der soziale Hintergrund eine ganz wesentliche Rolle. Wie bereiten Eltern sich und vor allem ihr Kind auf den Krankenhausaufenthalt vor? Die Mitarbeiter einer Klinik haben im Normalfall, wenn überhaupt, nur einen geringen Einfluss darauf.

Welche Maßnahmen sind geeignet, Kinder und Eltern vonseiten des Krankenhauses besser zu unterstützen und wie kann man sie optimaler auf das operative Setting vorbereiten? Zumeist bleibt Pflegenden und Ärzten in den auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit getrimmten Arbeitsabläufen wenig Spielraum, auf die individuellen Prägungen und Befindlichkeiten der Anvertrauten einzugehen. Ein geplanter operativer Eingriff bietet aber durchaus gewisse Möglichkeiten, diesen im Grunde notwendigen Aspekt zu berücksichtigen. In der Regel finden eine zielorientierte medizinische Aufklärung durch den jeweiligen Facharzt und ein Prämedikationsgespräch durch den Anästhesisten statt. Wie dabei allerdings auf die Bedürfnisse, Sorgen und Ängste von Kinder und Eltern eingegangen wird, hängt zumeist vom Faktor Zeit und von der Einfühlsamkeit des Arztes ab. Einheitliche, zielgruppenorientierte und kreative Vorgehensweisen sind eher Mangelware.

2011 untersuchte Pflegewissenschaftler Prof. Dr. Michael Isfort, Vorstand des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung (dip), im Rahmen eines Ländervergleichs zwischen Japan und Deutschland genau diese Problematik mittels einer umfassenden Online-Befragung unter Kinderkrankenpflegenden. Auf deutscher Seite wird deutlich, dass aus Sicht der Pflege adäquate, umsetzbare Methoden und Konzepte fehlen, die Kinder und Eltern auf Untersuchungen oder Operationen vorbereiten, um eine bessere Compliance zu erreichen und Traumatisierungen entgegenzuwirken.

Mutet der Vergleich zwischen Deutschland und Japan zunächst ein wenig sonderbar an, da sich beide Länder kulturell sehr voneinander unterscheiden, so zeigen die Befragungsergebnisse doch recht deutlich, dass in Japan spielerische Elemente bei der Vorbereitung auf eine Operation eine wichtige Rolle zu spielen scheinen.

Ebenso signalisiert ein Großteil der deutschen Pflegekräfte, dass es hierzulande an Möglichkeiten fehlt, sich z. B. als spieltherapeutische Fachkraft weiterzubilden, um sich auf Kinder im Klinikalltag besser einstellen zu können.

Mit dem nachfolgend beschriebenen DOLORES-Konzept erhalten seit geraumer Zeit Pflegende, Ärzte und andere Berufsgruppen ein Instrument, das die schon vorhandenen eigenen Bemühungen für eine altersentsprechende medizinische Versorgung von Kindern einfach und nachhaltig unterstützt.

Die Ursprünge des DOLORES-Konzepts

Ende 2009 wurde erstmalig in Deutschland im Bremer St. Joseph-Stift ein neuartiges Angst- und Schmerzprophylaxe-Konzept für Kinder im Alter zwischen ca. drei bis zehn Jahren eingeführt. Das Konzept heißt DOLORES – kombiniert aus den Worten DOLOR (lat.: Schmerz, Kummer) und RESistance (engl.: Widerstand).

Zentrale Bedeutung für die Planung und Entwicklung des Konzepts hatte seinerzeit ein pflegewissenschaftlicher Artikel zur Vorbereitung von Kindern bei einer Operation in dem Magazin „Pain“ der IASP, einer internationalen Schmerzgesellschaft, mit dem Titel „Imagination reduziert postoperativen Schmerz bei Kindern“. Diese richtungsweisende, doppelblind randomisierte amerikanische Studie konnte nachvollziehbar belegen, dass bei Kindern im Schulalter nach Tonsillektomie und Adenoidektomie durch den Einsatz von Imagination eine Verminderung von Angst und Schmerzen erreichbar ist.

73 Kinder nahmen über einen Zeitraum von 53 Wochen – von Juni 1999 bis Juli 2001 – an der Studie teil. Die Kinder kamen aus einem Schwerpunkt- Kinderkrankenhaus, von der chirurgischen Station eines Kinderkrankenhauses, einem städtischen Krankenhaus und zwei chirurgischen Ambulanzen.

Zur Vorbereitung auf den Klinikaufenthalt wurde die experimentelle Intervention „To Tame the Hurting Thing“ eingesetzt, eine Anleitung zur Imagination für Eltern und Kinder im Schulalter. Mithilfe eines Videos und einer Hörkassette wurden Imaginationstechniken, z. B. tiefes Atmen, trainiert sowie eine Fantasiereise mit musikalischen Elementen vermittelt. Die benötigten Materialien wurden zwei bis 22 Tage vor dem Operationstermin nach Hause mitgegeben, damit ausreichend Zeit für die Imaginationsübungen zur Verfügung stand. Die Imagination bestand darin, sich vorzustellen, in einen wunderschönen Park oder alternativ zu einem anderen Lieblingsplatz zu gehen, um dort positive Dinge zu erleben, zu entspannen, Tiere usw. zu entdecken. Alle Kinder in der Behandlungsgruppe bekamen die gleiche Hörkassette und den gleichen Kassettenrekorder mit Kopfhörern, sodass sie zu Hause üben konnten. Kindern und Eltern wurde gesagt, dass sie das Imaginationsband vor und nach der OP so oft benutzen könnten, wie sie wollten.

In der Studie wurde nicht nur das Ausmaß an empfundenen Schmerzen mit der „Oucher-Scale“, einer Gesichterskala, erfasst, sondern auch das Angstempfinden mithilfe des „STAIC“ (State-Trait Anxiety Inventory for Children), ein ca. 40 Items umfassender Fragebogen.

Der Schmerzmittelverbrauch wurde insgesamt nicht reduziert, jedoch hatten die Kinder der Behandlungsgruppe gegenüber der Kontrollgruppe (keine Imagination) signifikant weniger Angst und Schmerzen.

Dass Angst ein nicht zu unterschätzender Verstärker von Schmerzen sein kann und umgekehrt Schmerzen wiederum Angst entfachen können, sind Umstände, die bei Kindern gegenüber Erwachsenen erfahrungsgemäß viel stärker zum Tragen kommen.

Das vielschichtige und dennoch einfach umzusetzende DOLORES-Konzept macht sich, neben den Ergebnissen der Studie von Huth, auch die Gedanken der systemischen und ganzheitlichen Wirkungsweise zunutze. Die bekannte Metapher vom Flügelschlag eines Schmetterlings, der bewirken kann, dass sich auf der anderen Seite der Welt das Klima ändert, beschreibt recht zutreffend die Wirkungsweise systemischer Konzepte.


Lesen Sie hier den gesamten Beitrag: Mit Schnobbl gegen die Angst

Aus der Zeitschrift JuKiP 1/2016

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