• Liliane Juchli

     

Ein Nachruf für die Grande Dame der Pflege

Zu den herausragenden Persönlichkeiten, die die Pflege in den vergangenen 70 Jahren maßgeblich mitgeprägt und weiterentwickelt haben, gehört die Schweizer Ordensschwester Liliane Juchli. Am vergangenen Montag ist die „Grande Dame der Pflege“ im Alter von 87 Jahren im Haus für Pflege in Bern gestorben. Erst vor wenigen Tagen ist das von ihr begründete Pflege-Standardwerk „Thiemes Pflege“ in der 15. Auflage erschienen.

Der Weg zur "Grande Dame der Pflege"

Nicht nur pflegebedürftige Menschen, sondern auch Generationen von Pflegefachkräften haben von der Erfahrung und dem herausragenden persönlichen Engagement Liliane Juchlis profitiert.

Juliane Juchli lehr

Nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester und einigen Jahren Pflegetätigkeit übernahm Liliane Juchli vertretungsweise Aufgaben an einer Pflegeschule und entdeckte dort ihr Talent zur didaktischen Aufbereitung und Vermittlung von Wissen. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Schulschwester und übernahm nach dem Abschluss die neu geschaffene Stelle der klinischen Schulschwester am Theodosianum in St. Gallen. Dort baute sie in den 1960er-Jahren das Ausbildungsangebot für Pflegekräfte auf. Das Lehrmaterial, das sie in diesen Jahren erstellte und weiterentwickelte, fasste Liliane Juchli 1969 zu einem 500-seitigen Manuskript zusammen, das zunehmend auch von auswärtigen Schülerinnen angefordert wurde. Denn ein vergleichbares, sämtliche Inhalte der Pflege umfassendes Lehrmaterial hatte es bis dahin nicht gegeben.

Der Georg Thieme Verlag erkannte das Potenzial dieses Kompendiums und brachte 1973 auf dieser Grundlage die erste Auflage von „Krankenpflege“ heraus, die bei Lehrenden und Lernenden als „der Juchli“ bekannt wurde. Bis zur 8. Auflage, die 1997 erschienen ist, begleitete Liliane Juchli das Werk, das über 40 Jahre lang Generationen von Pflegenden geprägt hat. Heute wird das Standardwerk in der mittlerweile 15. Auflage unter dem Titel „Thiemes Pflege“ von Susanne Schewior-Popp, Franz Sitzmann und Lothar Ullrich herausgegeben.

Veränderung ihrer Sicht auf die Pflege

Juliane Juchli im Gespräch

Persönliche Erfahrungen mit Erschöpfung, Depression und anschließender Gesundung veränderten in den 1970er-Jahren Liliane Juchlis Menschenbild und damit auch ihren Blick auf die Pflege nachhaltig. Pflege sollte, so ihre Überzeugung, auf einem ganzheitlichen Denken und Handeln beruhen und wesentlich enger als bisher an den körperlichen und seelischen Bedürfnissen des Menschen in seiner Gesamtheit orientiert sein – und zwar sowohl des Pflegebedürftigen als auch des Pflegenden. Diese neue Herangehensweise führte zu einer weiteren Professionalisierung und Aufwertung der Pflegeberufe. Sie gehört zu den wichtigsten Impulsen, die Liliane Juchli der Pflege gegeben hat.

Der 4. Auflage ihres Lehrbuches, die 1983 erschienen ist, legte sie ihr neues, ganzheitliches Menschenbild zugrunde. Hier beschreibt sie erstmals die „ATL“, die Aktivitäten des täglichen Lebens, nach denen sie die grundlegenden und in der Pflege zu berücksichtigenden Lebensbereiche strukturierte.

Seit den 1980er-Jahren war Liliane Juchli zunehmend auf nationalen und internationalen Pflegekongressen zu Gast. In Vorträgen und Seminaren vermittelte sie die Ideen und Inhalte ihres neuen Pflegemodells, das sich bis heute in allen Bereichen der Pflege etabliert hat. Gleichzeitig engagierte sie sich zunehmend seelsorgerisch und therapeutisch. Mit einer entsprechenden Zusatzausbildung und vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrung mit Lebenskrisen und schwierigen Entscheidungsphasen leistete sie Menschen in problematischen Lebenssituationen Beistand.

Ihr Leben im hohen Alter

Nach ihrer Pensionierung 1998 beschäftigte sich Liliane Juchli vorranging mit der Frage, wie Altern gut „gelingen“ kann. Sie setzte sich aber auch nach wie vor im Bereich Pflege ein und engagierte sich zu Themen rund um Spiritualität und Sinnfindung in der Pflege.

Juliane Juchli wird ausgezeichnet

2013 würdigte Thieme Liliane Juchli anlässlich ihres 80. Geburtstags und des 40-jährigen Jubiläums ihres Standardwerkes mit einer Feier im Wilhelma-Theater in Stuttgart. Im selben Jahr erschien bei Thieme die Biografie „Liliane Juchli. Ein Leben für die Pflege“. Die Journalistin Trudi von Fellenberg-Bitzi schildert darin das Leben von Liliane Juchli mit allen Höhen und Tiefen. Dabei wird deutlich, dass ihr Leben geprägt wurde von der Begegnung mit Menschen, dem intensiven Austausch und einem Geben und Nehmen, das die Ordensfrau nicht nur als persönliche Bereicherung, sondern auch als ihr ganz besonderes Talent erkannt hatte. Ihre Zuwendung zum Menschen machte sie zu einem Vorbild – nicht nur für die Menschen in ihrem persönlichen Wirkungskreis, sondern auch weit darüber hinaus.

2018 wurde sie für ihre Verdienste um die Weiterentwicklung der professionellen Pflege mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland geehrt.

In tiefer Trauer

Juliane Juchli

Jetzt ist Liliane Juchli nach einem langen, erfüllten Leben gestorben. Unsere Anteilnahme gilt ihren Angehörigen und allen, die sie auf ihrem Lebensweg in besonderer Weise begleitet haben. Nicht zuletzt dank ihres Standardwerkes in der Pflege wird ihr Wirken auch bei Thieme dauerhaft spürbar bleiben.

Ihre Werke

Liliane Juchli - Ein Leben für die Pflege
Trudi vonLiliane Juchli - Ein Leben für die Pflege

EUR [D] 19,99Inkl. gesetzl. MwSt.

Thiemes Pflege (große Ausgabe)
Susanne Schewior-Popp, Franz Sitzmann, Lothar UllrichThiemes Pflege (große Ausgabe)

Das Lehrbuch für Pflegende in der Ausbildung

EUR [D] 79,99Inkl. gesetzl. MwSt.

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