Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind selten – nur etwa ein Verdachtsfall von zehn bestätigt sich. Welche Unverträglichkeiten gibt es und was ist zu beachten?
Was ist eine Nahrungsmittelunverträglichkeit?
Eine Intoleranz gegen bestimmte Nahrungsbestandteile – und zwar nicht gegen Moleküle, sondern größere Stoffe. Meist sind es Kohlenhydrate wie Laktose, Fruktose und der Zuckeraustauschstoff Sorbit. Dem Organismus fehlen bestimmte Enzyme, sodass er diese Stoffe nicht ausreichend aufspalten kann. Die nicht fertig aufbereiteten Stoffwechselprodukte gelangen in die tieferen Darmabschnitte, wo Bakterien sie dann weiter verdauen. Und das führt zu Gasbildung, Flüssigkeitseinstrom, Bauchschmerzen, Blähungen usw.
Und was ist der Unterschied zu einer Allergie?
Eine Allergie funktioniert pathophysiologisch ganz anders. Dann bekommt das Immunsystem Kontakt zu einem Allergen und schiebt die allergische Reaktion an – mit Antikörperbildung, Histaminausschüttung usw. Dafür braucht es meist nur sehr geringe Mengen des Allergens. Diese Reaktion vollzieht sich immunologisch über das Blut.
Wie passen Zöliakie und Weizensensitivität in das Bild?
Bei einer Zöliakie kann der Betroffene Gluten nicht verstoffwechseln. Und das führt zu einer chronischen Entzündung im Darm, meist im Duodenum und Jejunum. Die Weizensensitivität wiederum macht die Symptome einer Zöliakie, ohne eine Glutenunverträglichkeit zu sein.
Bei ihr ist man sich noch nicht sicher, ob es eine Unverträglichkeit oder eine Allergie ist.
Auf was sollte man bei diesen Menschen achten?
Haben die Patienten eine gesicherte Diagnose, sollten sie sich diätetisch korrekt ernähren. Das ist vor allem wichtig bei der Zöliakie, denn schon geringe Menge Gluten können schwere Entzündungen im Darm auslösen. Für die Zucker gilt: Nur geringe Mengen machen meist keine oder wenige Beschwerden. In einigen Tabletten ist Laktose enthalten, die Menge ist aber zu gering, um für die meisten Patienten, etwa 95 Prozent, relevant zu sein.
Gibt es eine medikamentöse Behandlung?
Bei Laktoseintoleranz können Patienten via Tabletten vor dem Essen das fehlende Enzym Laktase einnehmen. Zum Beispiel, wenn sie in ein Restaurant gehen. Die Tabletten dauerhaft zu nehmen, ist wenig praktikabel, denn sie bräuchten sehr, sehr viele. Haben Betroffene doch ihren Reiz zu sich genommen, erfolgt die Behandlung rein symptomatisch. Buscopan als Krampflöser hat sich zum Beispiel sehr bewährt.
Wenn die Diagnose steht, wie gehen Sie vor?
Die ersten vier Wochen ernähren sich die Patienten komplett reizlos. Dann können sie damit beginnen, die Dosis etwas zu steigern. Denn es ist einfacher, z. B. laktosearm statt laktosefrei zu leben. Zudem gilt bei der Laktose: Niemand muss auf Milchprodukte ganz verzichten. Viele vergorene Nahrungsmittel wie Kefir, Joghurt oder älterer Käse haben keine Laktose mehr.
Was hat es mit diesem IgG-4-Test auf sich?
Das ist ein vollkommen nutzloser Test, der aber viele Patienten stark beunruhigt. Immunologische Labors testen dabei das Blut auf Hunderte von Lebensmitteln und schauen, ob IgG-4-Antikörper darin sind. Aber: Selbst wenn ein Antikörperspiegel hoch ist, heißt das nur, dass der Organismus mit dem Stoff in Kontakt war. Mehr nicht. Es ist kein Hinweis auf eine Unverträglichkeit oder Allergie.
Das Interview führte Sabine Josten.
Zur Person
Dr. Gert Bischoff ist ärztlicher Leiter des Zentrums für Ernährungsmedizin und Prävention – ZEP, Department der Inneren Medizin I, am Barmherzige Brüder Krankenhaus, München.
Aus dem CNE.magazin 4/2016