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Die Ohren gespitzt!
Die Menschen hören wie sie sehen – vielleicht bleiben sie deshalb oft unberührt. Hören verlangt, dass der Hörende sich zum Gehörten in Beziehung setzt, da sonst die akustischen Signale ein Geräusch bleiben.
Die Augen kann man im Gegensatz zu den Ohren schließen, man kann weggucken. Ein Weghören meint eher das Überhören bestimmter Inhalte, jedoch nicht das Nichthören. Selbst im Schlaf hören wir Geräusche und verarbeiten diese in unseren Träumen. Obwohl wir es bewusst gar nicht mitbekommen haben, wird das Gehörte zu einem Bewusstseinsinhalt. Das Hören verbindet uns unmittelbar mit unserer Umwelt. Taubheit wird von vielen daher auch als eine größere Einschränkung befürchtet als Blindheit, da sie einen massiven Einschnitt in die menschliche Kommunikation darstellt.
Ein Blinder kann sich führen lassen, um sich in seiner Umwelt zurechtzufinden. Ihm kann erklärt werden, was er nicht sieht. Einem Tauben zu vermitteln, was er nicht hört, ist kaum möglich. Es muss in eine Gebärden- oder Taubstummensprache übersetzt werden, die allerdings mit den Augen erfasst wird und nie so differenziert sein kann, wie es das gesprochene und gehörte Wort ist. Dennoch können sich taubgewordene Menschen Töne vorstellen. Beethoven zum Beispiel hat großartige Musik geschrieben, die er gar nicht mehr hören konnte.
Die Magie des Hörens
Am Anfang war die Stille. Die Entstehung der Welt, der Urknall, war kein hörbares Geschehen, denn im Weltall gibt es keine Schallwellen. Für den Menschen allerdings beginnt die Wahrnehmung der Welt vornehmlich mit dem Hören.
Das Gehör ist als erstes Sinnesorgan ausgebildet und verändert sich in seiner Größe kaum mehr. Bereits der ungeborene Mensch kann etwa ab dem fünften Monat seine Umgebung hörend wahrnehmen. Das Hören ist auch das Letzte, was der Mensch hier auf Erden vernehmen kann.
Etwas Gehörtes rührt uns wohl am heftigsten an, obwohl sich das, was wir hören, nicht anfassen oder berühren lässt. Der Liebesschwur betört uns, Musik kann uns so packen, dass wir zu Tränen gerührt sind und unser Umfeld völlig vergessen. Musik und Rhythmus führen dazu, dass wir die Rührung in Bewegung umsetzen wollen und tanzen.
Insofern ist das Hören keineswegs passiv, es ist ein aktiver Vorgang, der aus den akustischen Signalen etwas Eigenes macht und gerade deshalb so berührt. Das akustisch Wahrgenommene wird in uns erst zu einem Gehörten.
Da das Gehörte so nah ist, kann es verführerisch sein. Odysseus ließ sich der griechischen Mythologie nach an den Mast seines Schiffes ketten, um den Gesang der Sirenen hören zu können und gleichzeitig daran gehindert zu sein, dem inneren Drang zu folgen, da dies seine Vernichtung gewesen wäre.
Macht und Gehorsam
So ist es nicht verwunderlich, dass Macht mit Gehorsam verbunden wird. Befehle werden gehört. Propaganda und Wahlkampfparolen betören maßgeblich mit dem gesprochenen Wort. Durch die Ohren will der Machthaber in die Herzen vordringen und den Menschen besetzen. Wie bei einem Echo zwingt das Gesagte zu einer unvermittelten Reaktion.
Der einseitige und aufdringliche Monolog, das einseitige akustische Eindringen bewirken, dass im Hörenden kein Diskurs mit dem Gehörten entstehen kann. Das innerlich Gehörte soll überhört und die Geräusche gleich in eine Bewegung des Folgens umgesetzt werden.
Lesen Sie hier den gesamten Beitrag: Die Ohren gespitzt!
Aus der Zeitschrift PPH 3/2016

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