• Wundbehandlung bei Kindern

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Evidenzbasierte Wundbehandlung in der pädiatrischen Pflegepraxis

Kinder bedürfen einer auf die Bedürfnisse der pädiatrischen Patienten ausgerichteten qualifizierten Wundversorgung. [1], [2] Evidence-based Nursing (EbN) kann die Gesundheitsfachperson unterstützen, die jeweils ideale Wundauflage für die jeweilige Patientensituationen zu wählen. Es gibt jedoch wenig wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wundbehandlung bei Kindern.

Es zeigt sich in der Pflege- und medizinischen Praxis, dass vor allem chronisch kranke Kinder aller Altersstufen schwere Wunden haben und daher eine komplexe Wundversorgung notwendig wird. [3] Der Zugang und die Sichtung empirisch begründeten Wissens im Rahmen des EbN [4] sind nicht gleichzusetzen mit der Kenntnis von Standards und Leitlinien. Standards und Leitlinien beruhen häufig auf Konsens, auf Expertenvermutungen, auf Traditionen und klinischen, manchmal durchaus trügerischen Erfahrungen. Entspricht jedoch eine kritisch beurteilte Studie den methodischen Qualitätskriterien für die eigene Fragestellung und bietet sie eine Lösung für das Pflegeproblem, gilt es zu überlegen, wie die Ergebnisse in der Praxis implementiert werden können. Letztlich ist es notwendig, zu überprüfen, ob der gewünschte Effekt eingetreten ist und ob der Aufwand den Nutzen rechtfertigt. In die Evaluation sind Strukturen, Prozesse, Ergebnisse, der personelle und der finanzielle Einsatz mit einzubeziehen. [4]

[1] Stone S, Levy M. Practical guide to pediatric wound care. Seminars in plastric surgery 2006; 20 (3) 192-199
[2] Baharestani MM. An overview of neonatal and pediatric wound care knowledge and considerations. Ostomy Wound Management 2007; 53: 34-36 38, 40
[3] Panfil EM, Schröder G. Die Pflege von Menschen mit chronischen Wunden. 2. überarb. Aufl. Bern: Hans Huber; 2010
[4] Behrens J, Langer G. Evidence-based Nursing and Caring. Methoden und Ethik der Pflegepraxis und Versorgungsforschung. 3. überarb. und erg. Aufl. Bern: Hans Huber; 2010

  • Wundheilung

    Wunde Erstbefund 7 Tage postoperativ bei initial guter und unauffälliger Wundheilung. (Foto: Anna-Barbara Schlüer)

     
  • Wundheilung

    Wunde 21 Tage postoperativ mit manifester Wundheilungsstörung. (Foto: Anna-Barbara Schlüer)

     
  • Wundheilung

    Wundheilung im Verlauf nach zwei Verbandwechseln nach Benutzen eines Hydropolymerverbands. (Foto: Anna-Barbara Schlüer)

     
  • Wundheilung

    Wundsituation nach drei Verbandwechseln. (Foto: Anna-Barbara Schlüer)

     
  • Wundheilung

    Wundsituation nach 40 Tagen. (Foto: Anna-Barbara Schlüer)

     
  • Wundheilung

    Narbe drei Monate nach kompletter Abheilung. (Foto: Anna-Barbara Schlüer)

     

Fallbeispiel professionelle Wundversorgung bei pädiatrischen Patienten

Im Folgenden werden anhand einer Patientensituation mögliche Schritte einer professionellen Wundversorgung bei einer sekundär heilenden und komplexen Wunde aufgezeigt.

Maria [*], ein achtjähriges Mädchen mit einem angeborenen Immundefekt, zeigt nach einem orthopädischen Eingriff an der Hüfte einen initial unauffälligen Verlauf. Nach sieben Tagen entsteht eine zunehmend klaffende Wunde mit offenen und nässenden Stellen im Bereich der Hüfte. Die Wundheilung stagniert über die nachfolgenden 21 Tage. Die Wunde ist nicht infiziert, zeigt aber keine weitere Aktivität zur Epithelisierung. Die Wundoberfläche ist glasig rosa mit einer Tendenz zur Hypergranulation, die Wundränder sind scharf begrenzt. Die Wunde steht unter Zug und das Mädchen ist an Krücken ohne Belastung des Operationsgebiets mobil. Es wurde am 3. postoperativen Tag entlassen und die Eltern führen seither jeden Tag einen Verbandwechsel durch, der einerseits zeitraubend ist, andererseits eine Belastung für die Eltern darstellt, da das Mädchen sich zunehmend gegen die täglichen Interventionen wehrt.

Bei der Erstkonsultation der Patientin durch pädiatrische Gesundheitsfachpersonen gilt es einerseits eine konkrete Anamnese der Wunde, aber auch eine Patientenanamnese mit Fokus auf die Wundheilung zu erheben.

Problemstellungen und Anamneseschwerpunkte bei Maria

  • Mobilität
    Bei der Patientenanamnese von Maria ist es von zentraler Bedeutung, die Belastung der Mobilität zu erfassen: Wie aktiv ist sie? Wie oft ist sie an den Krücken unterwegs? Kann ihre Mobilität die Wundheilung durch mechanische Reizung beeinträchtigen? Ist eine besondere Belastung im Kontext von Lageveränderungen von Bedeutung?
  • Immunologische Grunderkrankung
    Weiter stellt die immunologische Grunderkrankung von Maria einen wichtigen und entscheidenden Faktor für die Wundheilung dar. Hier gilt es zu berücksichtigen, welche Wundheilungsfaktoren dadurch beeinträchtigt sind. Aufgrund der immunologischen Grunderkrankung ist mit einer verlängerten Wundheilung zu rechnen.
  • Belastung der Familie und des Patienten
    Bei Maria ist die Belastung sowohl der Eltern wie auch von Maria selbst ein Faktor, dem Rechnung getragen werden muss. Beispielsweise ist ein täglicher Verbandwechsel wenn immer möglich bei Kindern zu verhindern.

Eine mögliche Fragestellung für die klinische Entscheidungsfindung könnte heißen: Welche Wundauflage unterstützt die sekundäre Wundheilung bei einem Schulkind mit einer immunologischen Grunderkrankung nach einem operativen Eingriff an der Hüfte?


Wissensquellen nutzen

Die externe Evidenz (die aktuelle und beste Forschungsliteratur zur Thematik) zeigt wenig Untersuchungen betreffend Wundauflagen und Anwendung bei Kindern. Forschungsgestützte Literatur zur erwähnten Fragestellung ist zum heutigen Zeitpunkt nicht publiziert.

Demnach ist die interne Evidenz (das klinische Erfahrungswissen) von zentraler Bedeutung. Hierzu kommt die Expertise von Fachexperten innerhalb einer Thematik. Im Fall von Maria ist es zwingend, Fachpersonen, die über eine klinische Expertise mit der entsprechenden Fragestellung verfügen, zu involvieren (Wundexpertinnen mit Schwerpunkt Pädiatrie). Eine sinnvolle Wundauflage, welche die mechanische Reizung minimiert, den Schutz der Wunde gewährleistet und Exsudat aufnehmen kann, ist zum Beispiel eine Polyurethanschaumauflage. Weiter gilt es Wundauflagen zu wählen, die auch bei eingeschränkter Immunaktivität die Wundheilung aktivieren. Wichtig sind dabei eine sanfte Wundreinigung, die durch die Wundauflage aktiviert wird, eine ideale Feuchtigkeitsregulation, eine Schmerzverminderung und eine Absorbtionsfähigkeit, um Wundsekret in die Auflage einschließen zu können.

Die Patienten- und Familienpräferenzen beinhalten die Reduktion der Verbandwechsel und damit verbunden eine Reduktion der Belastung für Maria und ihre Eltern. Weiter ist die Unterstützung der Mobilität und Aktivität von Maria wichtig.

Ein ebenso wichtiges Kriterium sind die zur Verfügung stehenden lokalen Ressourcen. Ist die geeignete Wundauflage verfügbar? Ist die Wundauflage kassenpflichtig? Welche eventuellen internen Weisungen gibt es zur Anwendung einzelner Wundauflagen? Was sind die Konzepte und Richtlinien des eigenen Gesundheitssettings?

Im Falle von Maria wurde als Wundauflage ein Hydropolymerverband gewählt, der jeweils für fünf Tage auf der Wunde belassen wurde. Bereits beim ersten Verbandwechsel zeigte sich ein markanter Rückgang des hypertrophen Granulationsgewebes, von allen Wundrändern her setzte die Epithelisierung ein und der Wundgrund zeigte sich rosig, mit intaktem, gesundem Granulationsgewebe. Die Wundheilung erfolgte innerhalb von 14 Tagen nach dem Wechsel auf die Hydropolymerauflage stabil und nachhaltig. Die Narbenreifung verlief normal und Maria wird bei allen zukünftigen Wunden mit auf ihre individuelle Situation bezogenen Wundauflagen versorgt.


Schlussfolgerung

Wundauflagen sind oftmals nicht für alle Altersstufen von Kindern forschungsgestützt evaluiert. In komplexen Wundsituationen und bei unklarem Wundverlauf ist es sinnvoll, Wundexperten mit einer pädiatrischen Vertiefung zu involvieren, um die pädiatrischen Bedürfnisse der Wundversorgung zu gewährleisten. Wundauflagen für Kinder müssen flexibel und anpassbar sein. Lange Verbandsintervalle bei Kindern sind zu bevorzugen.
Anna-Barbara Schlüer

Aus der Zeitschrift JuKiP 2/2015

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