Vordere Kreuzbandruptur: konservative oder operative Behandlung?
Bei der Behandlung von vorderen Kreuzbandrupturen bestehen widersprüchliche Expertenaussagen hinsichtlich der Erfolgsaussichten von konservativen im Vergleich zu operativen Behandlungsmaßnahmen.
Richard Frobell und seine schwedische Forschungsgruppe publizierten bereits 2010 im New England Journal of Medicine die Zwei-Jahres-Resultate dieser erstklassigen RCT-Studie über die Versorgung von akuten VKB-Rupturen.Bei den beiden verglichenen Behandlungsstrategien handelte es sich um a) Rehabilitation nach früher VKB-Rekonstruktion (62 Patienten) und b) Rehabilitation mit der Option zur VKB-Rekonstruktion (wenn erforderlich; 59 Patienten). Nach zwei Jahren fanden sich bei den Outcomes der beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede. Die absolute Gruppendifferenz im KOOS-Durchschnittsscore war bis auf 0,2 Punkte (95 %-Konfidenzintervall; –6,5 zu 6,8; P = 0,96) gleich. In der Gruppe mit primärer Rehabilitation erhielten 40 % der Patienten während der zwei Jahre eine VKB-Rekonstruktion (wegen anhaltender symptomatischer Instabilität). Jedoch hatten 60 % ähnlich gute Outcomes wie diejenigen mit primärer operativer VKB-Versorgung. Die Studienergebnisse des Fünf-Jahres-Follow-ups beinhalteten auch radiografische und chirurgische Daten. Nach fünf Jahren war nur ein Patient ausgeschieden. Bei den verbliebenen 120 Patienten ergaben sich auch nach fünf Jahren keine signifikanten Gruppen-unterschiede hinsichtlich der Outcomes. Die durchschnittliche Verbesserung (Baseline vs. 5 Jahre) im KOOS-Score war in beiden Gruppen etwa gleich (42,9 bzw. 44,9 Punkte) ebenso wie die absolute Gruppendifferenz im KOOS-Durchschnittsscore mit 2,0 Punkten (95 %-Konfidenzintervall; –8,5 zu 4,5 P = 0,54). Bezüglich mechanischer Stabilität (anhand des Lachman- und Pivot-Shift-Tests) waren die Knie der operierten Patienten signifikant stabiler (P < 0,001) als die der Patienten mit primärer Rehabilitation. Dies ist übrigens der einzige signifikante Unterschied zwischen den beiden Gruppen innehrhalb der gesamten Studie. Die Evaluation der Arthrosezeichen erfolgte mittels Röntgenaufnahmen mit einem standardisierten Verfahren und ergab keine auffälligen Gruppenunterschiede. Befunde einer beginnenden Arthrose wurden in maximal 20 % aller Kniegelenke dokumentiert. Laut der Analyse der Anzahl der operativen Meniskuseingriffe während der fünf Jahre wurden 29 Patienten mit früher VKB-Rekonstruktion und 32 Patienten mit primärer Rehabilitation am Meniskus operiert (keine signifikanten Gruppenunterschiede; P = 0,483). In den fünf Jahren erlitten 4 Patienten (3 mit primärer VKB-Rekonstruktion) erneut eine VKB-Ruptur. Insgesamt erhielten 30 Patienten (51 %) mit primärer Rehabilitation eine spätere VKB-Rekonstruktion wegen symptomatischer Knieinstabilität.
Die Follow-up-Untersuchung nach fünf Jahren spiegelt die Ergebnisse der ersten Studie wider: Die frühe operative Versorgung der VKB-Ruptur erzielte keine besseren Resultate als die primäre Rehabilitation mit eventuell späterem operativen Eingriff. Mit dieser konservativen Strategie benötigten 50 % der Patienten keine VKB-Rekonstruktion. Die Autoren betonen jedoch, dass sich die Ergebnisse nicht auf professionelle Sportler und wenig aktive Personen übertragen lassen. Die Studie zeigt eindeutig die Rolle der primären strukturierten Rehabilitation in der Versorgung von frischen VKB-Rupturen bei jungen und hochaktiven Patienten. Letztere erreichten keine besseren Ergebnisse als diejenigen nach Rehabilitation und einer optionalen späteren Rekonstruktion.
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