Entlastungstape für die Wade
Es ist die 85. Minute im Fußballspiel, und plötzlich verspürt der Spieler einen stechenden Schmerz in der Wade. Der Schmerz tritt auf bei Anspannung und wenn er sich auf die Zehen stellen will. Schnell stellen die Betreuer fest, dass das Spiel für den Fußballer vorbei ist. Er verlässt das Spielfeld, doch für den Sportphysiotherapeuten fängt die Arbeit erst an. Der Muskelentlastungsverband für die Wadenmuskulatur ist ein sehr praxisrelevanter Tape und gehört zum Rüstzeug eines jeden Sportphysiotherapeuten. Dabei sind Rehabilitation und Prävention die Haupteinsatzgebiete des Muskelentlastungsverbands.
Muskelentlastungsverband
Zum Abschluss der vierteiligen Taping-Serie stellen wir ihnen den Muskelentlastungsverband am Beispiel einer Wadenverletzung vor. Wie in der Sportphysio-Ausgabe 3/2014 im Artikel „Taping
– funktionelle Verbände“ beschrieben, treffen die vier Anwendungsbereiche (Prävention, Erstversorgung, Therapie und Rehabilitation) des funktionellen Verbandes gerade im Bereich der Muskulatur in vollem Umfang zu (s. Tab. 1).
Der Muskelentlastungsverband ist nach erfolgreicher Durchführung der Sofortmaßnahmen und anschließender Diagnose der Verletzung bei verschiedenen Muskelverletzungen angezeigt. Im Anschluss an die Akut- bzw. Entzündungsphase und nach abgeschlossenem Wundverschluss in der frühen Proliferationsphase bewirkt er eine Zugentlastung der verletzten Muskelfaser. Zusätzlich kann man eine gezielte Verschiebung der Spannung in Richtung der verletzten Muskelpartie erreichen.
Zu den Kontraindikationen für Muskelentlastungsverbände zählen: komplette Muskelruptur, Muskelteilruptur, massive Muskelquetschungen oder Entzündungen, große Muskelhämatome, entzündlicher Rheumatismus sowie das Kompartment-Syndrom.
Tabelle 1: Einsatzgebiete des Tapings
Anwendungsbereich | Funktion |
Prävention | Der präventive Verband soll die Verletzungsgefahr reduzieren – insbesondere die Retraumatisierung. |
Erstversorgung | Das Tape als Erstversorgung soll einen bereits entstandenen Schaden begrenzen und die Therapie vorbereiten. |
Therapie | Das während der Therapie eingesetzte Tape soll die Heilung beschleunigen, um möglichst schnell die volle Funktion wiederherzustellen. |
Rehabilitation | Rehabilitativ angewendete Tapes unterstützen die frühfunktionelle Wiederherstellung bei zeitlich begrenzten Übungsund Trainingsbelastungen. |
Verletzungen, bei denen ein Muskelentlastungsverband zweckmäßig ist:
- Muskelüberdehnung
- Muskelzerrung
- Muskelfaserriss
- Muskelbündelriss
- nach physiotherapeutischen Maßnahmen bei Muskelverletzungen zur Verstärkung des Therapieeffekts
Benötigtes Material: Gazofix-Unterzugbinde 8 cm, Leukotape 3,75 cm, ggf. Optiplast-Binde 8 cm, ggf. Leukospray
Wirkungsweise und Epidemiologie
Muskelverletzungen gehören zu den häufigsten Verletzungen im Breiten- und Hochleistungssport. Mithilfe einer großen Anzahl von funktionellen Verbänden kann man auf den Heilungsverlauf einen positiven Einfluss nehmen. Deshalb ist es für den Sportphysiotherapeuten wichtig, sich über Aufbau und Funktion sowie Nachbehandlung und Heilungsverlauf von Muskelverletzungen zu informieren. Der Mensch besitzt über 600 Muskeln, die über ein komplexes Zusammenspiel von Gehirn, Rückenmark und Nervennetzwerken unterschiedliche Funktionen ausüben. Um den hohen koordinativen Anforderungen in vielen Spielsportarten zu genügen, müssen die Gleitmechanismen zwischen Muskel und seinen umhüllenden Bindegeweben optimal funktionieren. Da verschafft der Verband durch seine feste äußere Hülle einen mechanischen Effekt und bietet passive Stabilität sowie passiven Schutz (abhängig vom Material). Die Haut als größtes Sinnesorgan fungiert als Vermittler des Tapematerials.
Wichtige Informationen und Tipps für Sportler
Durch zu wenig Flüssigkeit (zum Beispiel durch ungenügende Flüssigkeitsaufnahme vor dem Spiel/Training), ungenügendes Aufwärmen, Ermüdung vor allem gegen Ende des Spiels/Trainings
können die Gleitmechanismen erheblich gestört werden. Die Folge ist häufig eine Muskelverletzung, vor der auch ein funktioneller Verband nicht schützen kann. Gerade die Wadenmuskulatur – M. gastrocnemius – zeigt eine hohe Prävalenz bei Muskelverletzungen. Sicherlich auch, da der M.
gastrocnemius hohen koordinativen Ansprüchen genügen muss. Man denke nur an die intra- und intermuskuläre Koordination bei einem gezielten Bewegungsablauf.
Erhebungen von Daten über Fußballverletzungen zeigen zum Beispiel, dass bei 30–35 % aller Verletzungen die Muskeln betroffen sind, bei 13 % davon die Wadenmuskulatur. Das Risiko für Muskelverletzungen der Wade steigt mit zunehmendem Alter. Etwa 96 % der indirekten Muskelverletzungen entstehen ohne Kontakt mit einem Gegenspieler. 16 % aller Muskelverletzungen sind Rezidive, welche zu einer um 30 % längeren Abwesenheit als die ursprüngliche Verletzung führen.
Hinweis
Bei tieferliegenden Hämatomen und/oder bei zu starker Kompression – Gefahr eines Kompartment-Syndroms!
Wie das Tape korrekt angelegt wird, sehen Sie in der Bildgalerie – klicken Sie sich einfach durch die 12 Schritte:
Autor:
Axel Kautz arbeitet als Physiotherapeut in der Ruhr Sport Reha Bochum und ist Mitglied im Lehrteam DOSB-Sportphysiotherapie. Seit 1999 gehört er zum Team der spt-education und betreut als Sportphysiotherapeut die Leichtathletik-A-Nationalmannschaft am Olympiastützpunkt Dortmund.
Den ganzen Artikel finden Sie hier noch einmal als PDF.
Aus der Zeitschrift Sportphysio 2/2015