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Gesundes Gewebe kräftigen – Tendinopathien der unteren Extremität

Die Korrelation zwischen Schmerz und pathologischer Veränderung ist bei Tendinopathien nachgewiesenermaßen sehr schwach. Eine australische Studie stellte schon 2016 fest, dass pathologische Sehnen mehr gesundes Sehnengewebe als normale Sehnen aufweisen und Verbesserungen im Bild nicht darstellbar sein können. Christian Garlich fasst die therapeutische Konsequenz zusammen.

Die Diskussion, ob degenerativ verändertes Gewebe die Ursache für Schmerzen im muskuloskelettalen System ist, ist so alt wie die diagnostische Bildgebung. Über die Jahre zeigten Studien immer wieder, dass im Bild entdeckte Befunde nicht immer die Ursache der Schmerzen sind. Insbesondere Ultraschall und MRT spielen bei Sehnen eine große Rolle. In vielen klinischen Settings setzen Ärzte sie zur Diagnostik von Tendinopathien ein, um die Effektivität von Interventionen zu beurteilen und um das Risiko einzuschätzen, ob sich Symptome entwickeln. Die Korrelation zwischen Schmerz und pathologischer Veränderung ist jedoch nachgewiesenermaßen sehr schwach. So zeigen die Ergebnisse an unterschiedlichen Sehnentypen, dass 59 % der Untersuchten Veränderungen in der Sehne aufweisen, aber keinerlei Symptome haben. Dies lässt sich damit erklären, dass Tendinopathien wie viele andere muskuloskelettale Probleme zu den chronischen Schmerzerkrankungen gehören. Die Gewebeschäden, die auf dem Bild sichtbar sind, und die klinische Präsentation des Patienten müssen nicht immer miteinander übereinstimmen. In der Symptomatik von Tendinopathien der unteren Extremität könnten andere Mechanismen eine Rolle spielen. Experten diskutieren zum einen eine gesteigerte Nozizeption, die durch eine erhöhte Signalübertragung bei den Zellen stattfindet, und zum anderen eine Modulation der Nozizeption auf spinaler oder zentraler Ebene, die zu einer Verstärkung der lokalen Beschwerden führt. Und letztlich müssen auch nicht nozizeptive Mechanismen in Betracht gezogen werden. Das Fazit für Therapeuten lautet also, sich von der Redensart „Ein Bild sagt mehr als 1 000 Worte“ zu lösen und sich mehr auf die Befundung und die individuelle klinische Präsentati on zu konzentrieren.

Pathologische Sehnen zeigen mehr gesundes Sehnengewebe

Die Tendinopathie ist eine primär nicht entzündliche Erkrankung der Sehnen aufgrund von Über-, Fehlbelastung und Verschleiß (Degeneration). Ist dieses Gewebe aber weniger belastungsfähig als eine „normale“ Sehne? Dieser Frage ist eine australische Forschergruppe um Jill Cook mit einer speziellen Ultraschalluntersuchung zur Charakterisierung des Sehnengewebes (Ultrasound Tissue Characterization) nachgegangen. Hierzu inkludierten die Forscher 66 Achillessehnen von Probanden, bei denen sich im Bild 45,5 % pathologisch verändert zeigten, und 50 Patellasehnen, bei denen 60 % pathologisch verändert waren. Die Resultate der Studie bestätigten also, dass pathologisch veränderte Sehnen dicker als normale, gesunde Sehnen sind. Neu hingegen war der Nachweis in dieser Studie, dass pathologische Sehnen mehr gesundes Sehnengewebe als normale Sehnen aufweisen.

Jill Cook und ihre Kollegen sind überzeugt, dass die Sehne die pathologischen Veränderungen mit gesundem Sehnengewebe (zueinander ausgerichtete fibrilläre Struktur) kompensiert, um die Homöostase der Sehne aufrechtzuerhalten. Entsprechend adaptiert die Sehne und muss sich nicht mehr in eine normale Sehne remodellieren. Dies würde auch erklären, warum es klinischen Studien und systematischen Übersichtsarbeiten bisher daran mangelt, eine Strukturveränderung der pathologischen Sehne nachzuweisen, obwohl sich die Symptome der Probanden verbesserten.

Lesen Sie hier den ganzen Beitrag: Gesundes Gewebe kräftigen – Tendinopathien der unteren Extremität
aus der Zeitschrift physiopraxis 18(11/12) / 2020

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