Veränderte Persönlichkeit
TIEFE HIRNSTIMULATION: Wenn Medikamente nicht mehr helfen, kann die Tiefe Hirnstimulation (THS) Bewegungs-störungen von Menschen mit Parkinson reduzieren. Häufiges Zielgebiet der THS ist der Nucleus subthalamicus im Gehirn. Dort implantieren Neurochirurgen Elektroden, um über die elektrische Stimulation Bewegungsstörungen zu mindern. Die Methode gilt als erfolgreich: Etwa 80.000 Betroffene mit Parkinson weltweit bekamen bislang Elektroden implantiert.
Doch der Eingriff bleibt nicht ohne Nebenwirkungen. Prof. Dr. Christiane Woopen, stellvertretende Vorsitzende des deutschen Ethikrates, stellte 2012 Ergebnisse einer deutsch-kanadischen Studie vor: Eine Befragung von 30 an Parkinson Erkrankten und deren Angehörigen ergab, dass jeder dritte Patient und jeder zweite Angehörige eine Wesensveränderung bemerkte – auch zwölf Monate nach dem Eingriff. Einige Patienten seien zum Beispiel kommunikativer, humorvoller oder motivierter geworden. Viele zeigten aber auch ein risikofreudiges, aggressives oder sogar gleichgültiges Verhalten. Jede zweite Partnerschaft hatte sich nach der THS verschlechtert.
Zudem gibt es mehrere Fallberichte von Identitätsveränderungen nach einer THS. So entwickelte ein 64-Jähriger ohne psychia-trische Vorerkrankung eine Kleptomanie und hatte aggressive, teilweise handgreifliche Ausbrüche. Ein anderer Patient entwickel-te manische Symptome und eine Hypersexualität und griff sein 15 Jahre zuvor abgebrochenes Physikstudium wieder auf. Experten erklären die Wesensveränderungen dadurch, dass die Elektroden auch Areale stimulieren, die Stimmung und Verhalten modulieren.
Während die positive Wirkung der THS gut erforscht ist, werden die Auswirkungen auf das Verhalten erst seit einigen Jahren disku-tiert. In erster Konsequenz bedeutet das, Patienten und Angehö-rige vor dem Eingriff über mögliche Identitätsveränderungen auf-zuklären. Es gilt mehr denn je, Vorteile und Risiken individuell abzuwägen.