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Rettung extrem: Einsatz in der Riesending-Höhle
8. Juni 2014. In der Riesending-Höhle ereignet sich ein schwerer Unfall: Weit unter der Erde erleidet der Höhlenforscher Johann Westhauser bei einem Steinschlag schwere Kopfverletzungen. Ohne Arzt, ohne Funkkontakt, nicht ansprechbar liegt er in 1000 Metern Tiefe. Seine Begleiter entscheiden: Einer bleibt bei Westhauser. Die anderen machen sich an den Aufstieg durch das komplizierte Höhlensystem, um Hilfe zu holen.
Noch am selben Tag um die Mittagszeit erreicht die Meldung über den Unfall Lars Bohg: Der 47-Jährige ist Geschäftsführer eines IT-Unternehmens in der Nähe von Stuttgart – und nebenberuflich ein erfahrener Höhlenforscher. Die Community ist klein, man kennt sich. Über eine eigene Rettungskette erfährt er bereits kurz nach dem Ausstieg von Westhausers Begleiter aus der Höhle von dem Unglück. „Ich war geschockt“, erzählt Bohg. „Ich bin mit Westhauser befreundet, wir haben die Höhle zusammen erforscht – und mir war klar, dass ein solcher Unfall lebensbedrohlich ist!“ Die Riesending-Höhle im Untersberg bei Berchtesgaden ist die derzeit tiefste und längste bekannte Höhle Deutschlands. Es wäre schon schwierig, überhaupt medizinische Ausrüstung und genug Helfer zur Unfallstelle zu bringen.
Bohg telefoniert sofort mit einem Bekannten bei der Bergwacht und bietet seine Hilfe an. Ohne offizielle Beauftragung kann er jedoch zunächst nichts machen. Am Dienstagmorgen schickt die Bergwacht dann endlich eine SMS, ob er kommen kann. „Ich ging davon aus, dass ich in die Höhle soll, und habe meine gesamte Ausrüstung gepackt“, so Bohg. In der Firma hinterlegt er die nötigen Passwörter, damit seine Mitarbeiter eine Weile ohne ihn zurechtkommen. Am Dienstagabend ist Bohg vor Ort.
Helfer und Material aus dem ganzen Alpengebiet
Bohg geht davon aus, direkt in der Höhle den Einsatz zu unterstützen und bis zur Rettung unter der Erde zu bleiben. Es kommt aber anders: „Die Bergwachtleitstelle meinte, aus einsatztaktischen Gründen verzichte man vorerst auf meinen Einsatz in der Höhle“, erklärt er. Man bittet ihn, trotzdem vor Ort zu bleiben und die Einsatzkräfte mit seiner Ortskenntnis zu beraten. Es gibt jedoch Anlaufverzögerungen beim Rettungseinsatz. Viele Fragen sind zu klären: Wer kann in die Höhle, welche Fachärzte können zum Verletzten, und welche ärztlichen Aufgaben können erfahrene Höhlenforscher übernehmen? Wer kann ein Transportsystem aufbauen, um einen Schwerverletzten aus 1000 Metern Tiefe zu bergen? In Deutschland gibt es zwar eigene Rettungstrupps aus Höhlenforschern, die auch regelmäßige Rettungsworkshops durchführen, und jeder Höhlenforscher hat ein Erste-Hilfe-Set dabei. „Aber bei einer derartigen Verletzung sind die Möglichkeiten für einen medizinischen Laien sehr begrenzt“, erklärt Bohg.
Helfer aus dem ganzen Alpengebiet treffen ein. Einige Höhlenforscher aus Österreich, die sich in der Riesending-Höhle auskennen, zusammen mit einem Rettungssanitäter der deutschen Bergwacht bilden die Vorhut. Sie leisten die Erstversorgung des Verletzten mit Medikamenten und Kochsalzlösung, um eine völlige Dehydrierung zu verhindern. Nötiges Material in die enge, kalte und nasse Höhle zu bringen, dauert viele Stunden. „Es ist extrem anstrengend, sich in der Höhle zu bewegen“, erzählt Bohg. „Jeder Schritt muss überlegt sein und jeder Handgriff sitzen. Es ist oft eng und steil, man muss ständig hochkonzentriert sein.“
Bohg gibt Tipps, kann die verschiedenen Stellen in der Höhle einschätzen, kennt die Gefahren und weiß, wie viel Ausrüstung benötigt wird. Er unterstützt diejenigen, die in die Höhle gehen, auch mental. „Wenn Sie sich in einen 200 m tiefen Schacht abseilen und dabei in eine Tiefe wie vom Stuttgarter Fernsehturm runterschauen, ist das psychologisch sehr anspruchsvoll.“ Sehr positiv erlebt er die kurzen Entscheidungswege. Ein Beispiel: Die Einsatzkräfte sind zunächst auf dem Gelände der Feuerwehr Berchtesgaden untergebracht. „Dort hatte aber jeder Zugang, und es gab Probleme mit der Presse und nicht verifizierten Leuten.“ Nach wenigen Tagen wird das Lager daher in die Jägerkaserne der Bundeswehr in Bischofswiesen-Strub bei Berchtesgaden verlegt.
In der streng bewachten Kaserne ist das Rettungsteam unter sich und kann die Einrichtungen mit nutzen, von der Kantine bis zu Unterkünften. Die Anspannung bleibt trotzdem: „Ich habe am Anfang faktisch null geschlafen, weil ich immer mit meinem Einsatz gerechnet habe“, sagt Bohg. „Außerdem fühlte es sich an wie in einem Vietnamfilm: Tag und Nacht knatterten die Hubschrauber über meinem Bett. Das war sehr anstrengend.“
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