Harnuntersuchung

Autorin: Anja Ewringmann

Harngewinnung 

Spontanharn: Das Kaninchen wird, evtl. nach vorheriger Infusion, in einen Käfig oder eine Transportbox ohne Einstreu gesetzt. Der so gewonnene Urin kann sowohl problemlos mit einem Teststreifen als auch mikroskopisch untersucht werden. Er ist aufgrund der Kontamination jedoch nicht für eine mikrobiologische Untersuchung geeignet. Blasenkompression: Das Ausdrücken der Blase erfolgt durch sanften, sich stetig erhöhenden Druck. Es muss zuvor sichergestellt werden, dass keine Abflussbehinderung (z. B. Harnröhrenstein) vorliegt. Zur Blasenkompression wird das Kaninchen aufrecht gehalten, wobei eine Hand den Brustkorb fixiert und die andere die Blase umgreift.

Eine weitere Methode, bei der die Tiere in der Regel weniger Abwehrbewegungen vollführen, besteht darin das Kaninchen auf dem Unterarm zu lagern. Mit der Hand wird von unten die Blase umfasst. Durch Blasenkompression gewonnener Urin ist meist durch Hautkeime (v. a. Staphylokokken) kontaminiert und daher nur bedingt zur mikrobiologischen Untersuchung geeignet. 

Katheterharn: Das Katheterisieren der Harnblase beim Kaninchen birgt verschiedene Probleme und Gefahren. Katerkatheter haben einen kleinen Durchmesser, sie sind aber recht starr und können die empfindliche Urethraschleimhaut leicht perforieren. Dünne Ernährungssonden sind dagegen deutlich flexibler und können gut als Katheter verwendet werden. Jedes Katheterisieren birgt jedoch die Gefahr, dass Keime in die Blase eingeschleppt werden. Diese Methode der Uringewinnung sollte daher nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden. 

Zystozentese: Auf diese Weise gewonnener Urin eignet sich am besten für eine bakteriologische Untersuchung. Die Blasenpunktion ist bei Kaninchen leicht durchführbar, wenn die Blase ausreichend gefüllt ist. Durch die geringe Körpergröße der Tiere und die dünne Bauchwand kann das Organ in der Regel mit einer Hand umgriffen und gut fixiert werden. Ist die Blase nur mäßig gefüllt, sollte eine Punktion nur unter Ultraschallkontrolle durchgeführt werden. Es sind möglichst feine Kanülen zu verwenden, um das Trauma der Blasenwand gering zu halten. Zudem muss gewährleistet sein, dass die Wand der Blase möglichst im rechten Winkel durchstochen wird. Ein schräges Anritzen kann zu erheblichen Verletzungen führen. Während der Punktion ist sicherzustellen, dass die Tiere keine Abwehrbewegungen ausführen können. 

Harnanalyse 

Makroskopische Untersuchung: Es erfolgt zunächst eine Beurteilung von Farbe, Konsistenz und Beimengungen (s. Tab. 1), die bereits wichtige Hinweise auf die Art der Erkrankung liefern kann. 

  • Die Farbe des frisch abgesetzten physiologischen Harns ist in der Regel gelblich, kann durch Futterpigmente (v. a. Rote Bete) jedoch abweichen. Nach dem Absatz kommt es infolge von Oxidationsprozessen oft zu einer Umfärbung. Ursprünglich gelber Urin erhält dann eine orange-rötliche oder rotbraune Färbung
  • Der physiologische Harn des Kaninchens besitzt eine dünnflüssige Konsistenz und ist, bedingt durch die Beimengung von Kalziumkristallen, immer etwas trübe
  • Klarer Urin kann auf einen absoluten oder relativen Kalziummangel hindeuten. Ein absoluter Mangel entsteht bei Kalziumunterversorgung mit dem Futter. Ein relativer Mangel kann auf einen erhöhten Kalziumbedarf (z. B. bei wachsenden Jungtieren, trächtigen oder laktierenden Häsinnen) oder gestörte Resorptionsverhältnisse (z. B. bei chronischer Niereninsuffizienz) zurückzuführen sein. Zudem wird klarer Harn gelegentlich bei Zystitiden beobachtet, die mit deutlichen pH-Wert-Absenkungen einhergehen, wodurch ein Ausfällen von Kalziumkristallen verhindert wird. Weiterhin ist der Urin bei Polydipsie (z. B. bei Diabetes mellitus) weniger konzentriert und damit auch weniger trübe.
  • Schleimige Beimengungen entstehen durch hohe Leukozytengehalte, Infektionen mit mukoiden Escherichia-coli-Stämmen oder Vermischungen des Urins mit pathogenem Uterusinhalt. Eine deutliche Eindickung kann durch Harngrieß hervorgerufen werden. Makroskopisch sichtbare Blutbeimengungen werden sowohl bei Erkrankungen der Harnorgane (Zystitis, Urolithiasis) als auch der Geschlechtsorgane (z. B. Hämometra) beobachtet.  

Tab. 1: Physiologischer Urin des Kaninchens 

Sensorische Untersuchung 

Kaninchenurin weist einen artspezifisch intensiven Geruch auf. Bei Entzündungen der Harnblase können stechende oder jauchige Abweichungen auftreten. 

Chemische Untersuchung 

Physiologischer Urin besitzt einen pH-Wert von 8–9. Bei Zystitiden kann eine Absenkung in den neutralen oder sauren Bereich stattfinden. Gleiches gilt für Erkrankungen, die zu einer bereits länger bestehenden Inappetenz geführt haben, sodass eine ketoazidotische Stoffwechsellage besteht. Viele Kaninchen weisen eine geringgradige physiologische Proteinurie auf. Die Ursache dafür ist bisher nicht geklärt. Darüber hinausgehende Eiweißausscheidungen werden bei Nierenschädigungen beobachtet. 

Ein Nachweis von Glukose im Urin deutet entweder auf eine Diabetes-Erkrankung oder eine schwere Nierenschädigung hin. Auch bei ausgeprägten Stresshyperglykämien können jedoch Glukosegehalte im Harn vorgefunden werden. Ketonkörper lassen sich bei Kaninchen erst bei schweren ketoazidotischen Stoffwechsellagen im Urin diagnostizieren. Ein Nachweis von Nitrit deutet auf eine Harnwegsentzündung hin. Durch die Anwesenheit bestimmter pathogener Keime (z. B. E. coli) kann Nitrat zu Nitrit reduziert werden. Bilirubinurien können gelegentlich bei Obstruktionen der Gallengänge (v. a. durch Leberkokzidiose) auftreten. Ein Nachweis von Urobilinogen kann auf
schwere Hepatopathien und hämolytische Prozesse hindeuten. Werden Erythrozyten und Hämoglobin im Urin nachgewiesen, können diese sowohl aus den Harnorganen als auch aus den Geschlechtsorganen stammen! Der Leukozytennachweis mithilfe von Teststreifen ist für Kaninchenurin nicht geeignet. Es treten gehäuft falsch positive Ergebnisse auf. 

Physikalische Untersuchung 

Die physikalische Untersuchung ist bei Kaninchen nur wenig aussagefähig, da die Werte großen Schwankungen unterliegen. Das spezifische Gewicht ist in hohem Maße von den im Urin enthaltenen Kalziumkristallen abhängig, diese variieren in Abhängigkeit von der Fütterung. 

Mikroskopische Untersuchung 

Im Gegensatz zu anderen Haustieren empfiehlt es sich, beim Kaninchen auf ein Zentrifugieren des Urins zu verzichten! 

Durch den hohen Anteil an Kristallen sind im Sediment andere Strukturen nur schwer zu erkennen. Bei der mikroskopischen Untersuchung von Kaninchenurin können besonders häufig Kalziumoxalat-Monohydrat (Whewellit) (s. Abb.1 und Abb.2), amorphe Kalziumphosphatkristalle (Abb.3) und Kalziumkarbonat gefunden werden. Gelegentlich sind außerdem Kalziumoxalat- Dihydrat (Whedellit) sowie in Einzelfällen Magnesiumammoniumphosphate (Tripelphosphat = Struvit) nachzuweisen. 

Abb. 1: Kalziumoxalat-Monohydrat-Kristalle (ungefärbt, Harn nicht zentrifugiert, 500-fache Vergrößerung) 

Abb. 2: Kalziumoxalat-Monohydrat-Kristalle (ungefärbt, Harn nicht zentrifugiert, 1000-fache Vergrößerung) 

Abb. 3: Amorphe Kalzium-Phosphat-Kristalle (1) und Kalziumoxalat-Monohydrat (2) (ungefärbt, Harn nicht zentrifugiert, 500-fache Vergrößerung) 

 

Epithelzellen werden in größeren Mengen nur bei Erkrankungen der Harnwege vorgefunden. Vereinzelte Plattenepithelien können, bedingt durch ständig ablaufende Zellmauserung, auch im Urin gesunder Kaninchen auftreten.

Bakterien sind im Harn gesunder Tiere (bei steriler Urinentnahme) nicht nachzuweisen. Gleiches gilt für Zylinder, bei denen es sich um Ausgüsse der Nierenkanälchen handelt. Auch der Nachweis von Leukozyten deutet auf einen entzündlichen Prozess in den Harnwegen hin. 

Quelle: A. Ewringmann, Leitsymptome beim Kaninchen, Diagnostischer Leitfaden und Therapie, ISBN: 9783830410904, 2. Aufl., überarb. 2010, S. 293-296

 

 

 

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