• Faszien © H. Könneker/U. Reiter

     

Faszientherapie und Fasziale Fitness: Ausblicke für die Tiermedizin

Nachdem das fasziale Netzwerk trotz seiner funktionellen Vielfalt für Jahrzehnte ein medizinisches Schattendasein führte, ist es in den letzten Jahren zunehmend ins Blickfeld der Wissenschaft gerückt. Dazu hat vor allem die Entwicklung neuer Untersuchungsmethoden beigetragen, mit denen sich Veränderungen der Struktur und Funktion von Faszien mit der erforderlichen Präzision darstellen lassen.

Insbesondere in der Humanmedizin haben sich Faszientherapie und inzwischen auch spezielle Formen des Faszientrainings mit dem Fokus auf Rehabilitation sowie auch Prävention sehr etabliert.

Faszien sind mehr als nur Bindegewebe. Sie bilden ein dichtes Netzwerk aus Kollagenfasern, Fibroblasten, Makrophagen und verschiedenen anderen Zelltypen, das den ganzen Organismus durchzieht und sämtliche Strukturen umhüllt – eine durchaus faszinierende Vorstellung, denn alle Körperteile stehen auf diese Weise lückenlos miteinander in Verbindung. Das Bindegewebegeflecht umgibt die inneren Organe, kleidet Schädel, Bauch und Brustraum aus, umzieht Nerven und Gefäße und die gesamte Muskulatur. Selbst im Inneren einiger Organe und Gewebe trifft man auf Faszien: So segmentieren sie beispielsweise die Leber und grenzen einzelne Muskelfaserbündel voneinander ab, was bei Muskelkontraktion und -erschlaffung die Beweglichkeit der Muskelfasern gegeneinander gewährleistet.

Die Funktion des Fasziennetzwerks ist enorm komplex und lässt erahnen, warum Wissenschaftler in den vergangenen Jahren dem Bindegewebe immer größere Bedeutung beimessen. Wichtige Funktionen übernehmen Faszien etwa bei der Stabilisation der Körpers, einschließlich der Gelenke, und der Körperhaltung. Neueste wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass Faszien auch für die Leistungsfähigkeit der Muskeln, die Koordination und die Propriozeption von großer Bedeutung sind. Und tatsächlich trifft man in keinem anderen Gewebe auf eine vergleichbar hohe Zahl an Mechanorezeptoren. Die verschiedenen Arten von Sinnesrezeptoren dienen daher in der Therapie auch als wichtige Angriffspunkte. Darüber hinaus übernehmen Faszien als Umhüllung von Organen und Geweben eine mechanische Schutzfunktion. Mithilfe phagozytierender Histiozyten beteiligt sich das Bindegewebesystem nicht zuletzt an der Körperabwehr. Auch der venöse Rückfluss und die Lymphzirkulation werden durch die im Bindegewebe eingelagerten glatten Muskelzellen beeinflusst.

Für den Praktiker bietet die Faszientherapie durch ihren ganzheitlichen Ansatz vielfältige Einsatzmöglichkeiten im Praxisalltag. Wenngleich die Behandlungsformen nicht als Generalschlüssel zur erfolgreichen Therapie von Erkrankungen anzusehen sind, bieten sie jedoch eine beachtenswerte komplementäre Möglichkeit, die nicht außer Acht gelassen werden sollte. Insbesondere die enorme Anpassungsfähigkeit von Faszien, etwa durch die nachgewiesene steigende Anzahl an Myofibroblasten infolge starker Beanspruchung, bietet sowohl im Bereich der Prävention als auch der Rehabilitation, zum Beispiel nach operativen Eingriffen, großes Potenzial. Die zunehmende Aufmerksamkeit und das wissenschaftliche Interesse in der Humanmedizin in den vergangenen Jahren unterstreichen zudem, dass die Faszientherapie immer weiter an Bedeutung gewinnt. Das therapeutische Konzept wurde hier zudem um einen zusätzlichen Bereich erweitert: das Faszientraining. Der Fokus liegt hierbei nicht mehr nur auf der Behandlung und Nachsorge von Krankheitszuständen, sondern zielt vielmehr auch auf die Verbesserung und Aufrechterhaltung eines straffen und gesunden Bindegewebes ab und eines damit verbundenen, guten allgemeinen Gesundheitszustands. Unter dem Schlagwort „Fasziale Fitness“ wurde inzwischen eine Vielzahl an effektiven Übungen für den Menschen entwickelt, durch die sich der Trainingszustand nachweislich verbessern lässt. Ein für die Tiermedizin interessanter Aspekt könnte es in Zukunft sein, auch für den Kleintierbereich adäquate Konzepte des Faszientrainings zu entwickeln – sicherlich eine große Herausforderung, die in Zukunft spannende und überraschende Ergebnisse liefern dürfte.

 

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