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Kastration von Hund und Katze – eine Betrachtung aus ganzheitlicher Sicht

Die in den letzten Jahren scheinbar gängige Praxis, Haustiere grundsätzlich zu kastrieren, sollte unter Einbeziehung neuer Studien über die Folgen eines solchen Eingriffes und unter Berücksichtigung der ethischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen, neu überdacht werden. Der kompetenten und einfühlsamen Beratung der Tierhalter durch uns Tierärzte kommt damit eine große Bedeutung zu.

Kastration? Ja, nein, vielleicht?
Als ganzheitlich denkende und arbeitende Tierärztinnen betrachten wir dieses Thema unter verschiedenen Gesichtspunkten.

Altbekannt sind Studien aus den 1980er und 1990er Jahren mit folgenden Ergebnissen:

Die möglichst frühe Kastration von Hündinnen kann die Entstehung von Mammatumoren oder Erkrankung des Uterus unterbinden.

Die Kastration macht einen entspannten Umgang mit Rüden möglich, verhindert Rangordnungsprobleme und Prostataerkrankungen.

Auch in den Köpfen der Hundehalter sitzt die Angst vor solchen Erkrankungen tief und wurde lange Zeit durch sich wiederholende Veröffentlichungen geschürt.

Als Tierärzte stehen wir im Spannungsfeld verschiedener Interessen: zwischen unserem Wissen als Tiermediziner, als berufener Tierschützer, der die Interessen der Tiere vertritt, und den Wünschen und Nöten unserer Kunden.

Wie so oft sitzen wir zwischen den Stühlen. Wem sind wir verpflichtet? Welche Faktoren beeinflussen unsere Entscheidung? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen spielen eine Rolle?

Hundehalter wünschen die Kastration ihres Tieres, weil :

  •  das Zusammenleben einfacher ist.
  • unerwünschte Trächtigkeiten vermieden werden.
  • Unannehmlichkeiten bei Läufigkeiten nicht auftreten.
  • Verhaltensprobleme während der Scheinträchtigkeit vermieden werden.
  • Aggressionsprobleme bei Rüden sich vermindern.
  • sie Angst vor dem Auftreten von möglichen Erkrankungen (Pyometra, Mammatumoren, Lactatio falsa) haben.

Der Wunsch, Tiere kastrieren zu lassen, ist in den letzten 20 Jahren erheblich gestiegen. Die Kastration von Katzen und Katern verhindert eine unkontrollierbare Vermehrung und das damit verbundene Leid. Dies hat aus Tierschutzsicht eine über das Individualrecht des einzelnen Tieres hinausgehende Berechtigung, ein sogenannter vernünftiger Grund, wie ihn das Gesetz fordert.

Bei Hunden sieht das anders aus. Unkontrollierte Vermehrung ist in Deutschland weniger verbreitet, die Tiere sind meist in enger Obhut des Menschen. Und doch scheint es, als wenn dieser Eingriff eine „Selbstverständlichkeit“ geworden wäre und es beinahe ketzerisch anmutet, wenn ein Halter oder Tierarzt das hinterfragt oder ablehnt. Dabei hat sich das Wissen um die Folgen einer Kastration in den letzten Jahren stark erweitert. Folgen der Kastration sind, wie schon lange bekannt, Inkontinenz, Adipositas und Hypothyreose. Hinzu kommt ein höheres Risiko für schwerwiegende Erkrankungen (Neoplasien, Diabetes mellitus usw.). Und darüber hinaus haben neue Studien ergeben, dass bei intakten Geschlechtsorganen keineswegs mehr Neoplasien dieser Organe auftreten.

Das bedeutet, dass wir jeden Einzelfall viel detaillierter und individueller betrachten sollten. In unseren Praxen ist es üblich, für diese Kastrationsgespräche einen entsprechenden Zeitrahmen zu bieten, um die Besitzer umfassend aufzuklären. Dabei geht es auch um die Verantwortung gegenüber den uns anvertrauten Mitgeschöpfen, die in drei richtungsgebenden Papieren niedergelegt ist:

Das Tierschutzgesetz bezeichnet in § 1 das Tier als unser Mitgeschöpf, dessen Leben und Wohlbefinden geschützt werden muss. Wohlbefinden setzt auch Kenntnis dessen voraus und meint nicht die subjektive Meinung eines Tierhalters. Niemand darf ohne einen vernünftigen Grund einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Bei einer Kastration ohne strenge medizinische Indikation wäre dies der Fall.

Der § 6 regelt u. a. das Entfernen von Organen, welches grundsätzlich verboten ist. Die Einschränkung dieses Verbotes bezüglich der unkontrollierten Fortpflanzung oder der Unfruchtbarmachung zur weiteren Haltung oder Nutzung wird klar von der tierärztlichen Meinung abhängig gemacht.

Der Ethikcodex der Bundestierärztekammer und dessen Umsetzungsanleitung geben noch deutlichere Leitlinien vor. Auch hier wird neben dem Schutz der Gesundheit auch das Wohlbefinden der Tiere als Ziel formuliert. Der Tierarzt vertritt die Interessen der Tiere gegenüber der Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und soll vorrangig bei Zielkonflikten die Bedürfnisse der Tiere berücksichtigen. Er setzt sein Wissen dafür ein, Tiere vor Schmerzen, Schäden, Leiden und Angstzuständen zu bewahren, Krankheiten zu vermeiden und orientiert sein tierärztliches Handeln am Ziel der Wiederherstellung, des Erhalts oder der Verbesserung der individuellen Lebensqualität. Daneben wird auch die Aufklärung der Tierhalter über die Anschaffung und Haltung eines Tieres durch den Tierarzt hervorgehoben, über die physischen, psychischen und sozialen Bedürfnisse der einzelnen Tierarten zu informieren und damit Leiden durch Unkenntnis vorzubeugen.

Der Codex Veterinarius der TVT richtet sich nach dem Leitsatz „in dubio pro animale“. In seiner Präambel betont der Codex die „ethische Verantwortung“ aller Tierärzte für das empfindungsfähige und leidensfähige Tier und fordert Schutz und Fürsorge nicht nur aufgrund seines Nutzwertes ein. Auch verpflichtet er die Tierärzte zur stetigen Aktualisierung des Wissensstandes, um diese Bedürfnisse erfüllen zu können. Der Gleichheitsgrundsatz bei Bedürfnissen und Interessen von Mensch und Tier ermahnt, die Interessen der Menschen nicht grundsätzlich höher zu bewerten.

Diese Rahmenbedingungen sind bei jeder Diskussion, ob Kastration sinnvoll ist oder nicht, zu berücksichtigen und unterstreichen den Stellenwert von Tieren und ihr Dasein als Mitgeschöpfe. In der Regulationsmedizin stellt diese Haltung die Grundlage für unser Handeln und unsere Therapien dar.

Lesen Sie den gesamten Beitrag hier: Kastration von Hund und Katze – eine Betrachtung aus ganzheitlicher Sicht

Aus der Zeitschrift: Zeitschrift für Ganzheitliche Tiermedizin 04/2018

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