Diagnostischer Leitfaden und Therapie
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Autor(en): A. Ewringmann, B. Glöckner
Ovarialzysten sind eine durch hormonelle Störungen hervorgerufene Veränderung der Eierstöcke bei Meerschweinchen.
Ätiologie & Pathogenese
Zystische Veränderungen der Eierstöcke kommen bei Meerschweinchen häufig vor. Es handelt sich hierbei um Follikelzysten, die entstehen, wenn Graaf’sche Follikel nicht zum Platzen kommen. Es muss davon ausgegangen werden, dass, wie auch bei anderen Tierarten, hormonelle Dysregulationen (unzureichende Ausschüttung von LH durch die Adenohypophyse) für dieses Geschehen verantwortlich sind.
Die Wand der Ovarialzysten besteht aus Bindegewebe, der Zysteninhalt ist meist klar und kann sowohl farblos als auch leicht blutig sein. Die Zysten enthalten in unterschiedlichem Maße Östrogene und Progesteron. Als Folge der Zystenbildung kann es zur Atrophie der Ovarien kommen. Durch die anhaltend hohen Hormonspiegel sind weitere Folgen möglich, wie Sterilität, hypersexuelles Verhalten, Gebärmutterveränderungen (endometriale Hyperplasie, Neoplasie), Knochenmarksuppressionen und Alopezie.
Die Ursachen für die hormonelle Dysregulation beim Meerschweinchen sind bisher nicht geklärt. Früher wurde vermutet, dass diese durch Einzelhaltung weiblicher Tiere ohne Kontakt zu männlichen Artgenossen ausgelöst werden. Probleme mit Ovarialzysten existieren jedoch auch in Zuchtbeständen mit regelmäßigen Deckaktivitäten, sodass auch andere Faktoren eine Rolle spielen müssen.
Klinik
Aus klinischer Sicht können unterschiedliche Arten von Zysten vorkommen, die auch mit unterschiedlichen Symptomen einhergehen:
Abb. 1: Ovarialzyste bei einem Meerschweinchen
Diagnose
Zystisch veränderte Ovarien sind seitlich der Lendenwirbelsäule leicht zu ertasten. Es handelt sich meist um pralle, polyzystische Gebilde, wodurch sie palpatorisch eine höckrige Oberfläche erhalten. Große Zysten sind röntgenologisch darstellbar. Besser und sicherer ist jedoch der sonografische Nachweis. Die Ultraschalluntersuchung bietet zudem den Vorteil, zystische von neoplastischen Veränderungen abgrenzen zu können. Oft ist auch freie Flüssigkeit in der Bauchhöhle zu finden. Ursache dafür ist ein Platzen einzelner Zysten.
Therapie & Prognose
Liegen raumfordernde zystische Veränderungen vor, die andere Organfunktionen beeinträchtigen, so muss schnellstens eine Entlastung geschaffen werden:
Prinzipiell besteht die Möglichkeit, Zysten durch die Bauchwand hindurch zu zerdrücken. Die frei werdende Zystenflüssigkeit wird dann resorbiert. Dies entspricht durchaus den physiologischen Abläufen, da pralle Zysten auch ohne äußere Einwirkung regelmäßig aufplatzen. Vorteilhaft an dieser Methode ist, dass dem Körper keine Flüssigkeit entzogen wird, es also nicht zu einem Volumenverlust kommt. Allerdings ist die oftmals sehr dicke und derbe, bindegewebige Zystenwand meist sehr widerstandsfähig, sodass extremer Druck nötig ist, um sie zum Platzen zu bringen. Den meisten Meerschweinchen ist jedoch bereits eine Palpation der Zysten unangenehm, sodass das Zerdrücken von Zysten nicht als Standardmethode empfohlen werden kann.
Zysten können durch die Bauchdecke hindurch punktiert und die Flüssigkeit mit einer Spritze abgezogen werden. Diese Methode wird auch von empfindlichen Tieren meist gut toleriert. Sie hat allerdings den Nachteil, dass es zu deutlichen Volumenverlusten kommt. Das Entfernen der Flüssigkeit sollte daher entweder in mehreren Sitzungen erfolgen oder die Patienten erhalten vor dem Eingriff eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr in Form von Infusionen. Die Punktion erfolgt, nach Reinigung der Einstichstelle mit Alkohol, entweder unter Ultraschallkontrolle oder bei sicherer manueller Fixierung der Zyste.
Im Anschluss können HCG-Präparate verabreicht werden, deren Applikation 3-mal im Abstand von 10–14 Tagen zu wiederholen ist. So wird versucht einer übermäßigen Neubildung von Zysten entgegenzuwirken. Haben die Meerschweinchen dennoch rezidivierende Probleme, so ist eine Kastration des Tieres anzuraten.
Quelle: A. Ewringmann, B. Glöckner, Leitsymptome bei Meerschweinchen, Chinchilla und Degu
Diagnostischer Leitfaden und Therapie, ISBN: 9783830410911, 2. Aufl., überarb. 2012, S. 224-225
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