Polyomavirusinfektion

Autor: M. Pees

Die Polymavirusinfektion ist eine infektiöse und kontagiöse Viruserkrankung mit weiter Verbreitung und großer Bedeutung. 

Ätiologie & Pathogenese 

Die Erkrankung wurde bei Papageienartigen zunächst bei Wellensittichen beschrieben („Französische Mauser“, Rennerkrankheit, Budgerigar Fledgling Disease, BFD). Sie wird durch ein in der Umwelt sehr stabiles Virus ausgelöst, wobei vor allem adulte Wellensittiche als Dauerausscheider ein Reservoir bilden. Die Übertragung erfolgt horizontal über den Kot sowie Haut- und Federzellen, beim Wellensittich ist aber auch eine vertikale Übertragung nachgewiesen. Nach der Infektion breitet sich der Erreger rasch im Körper aus. Die Erkrankung wurde bei vielen Papageienspezies nachgewiesen, als besonders anfällig gelten Wellensittiche, Agaporniden, Aras und Edelpapageien. Bei Wellensittichen verläuft die Erkrankung generell deutlicher und verlustreicher, bei anderen Papageienspezies kommt es oft zu einem subklinischen Verlauf. 

Klinik 

Die Erkrankung verläuft v. a. alters- und speziesabhängig unterschiedlich. Inzwischen sind massive Ausbrüche aufgrund der Durchseuchung insbesondere der Wellensittichbestände seltener geworden. Das Auftreten klinischer Symptome wird zunehmend nach Coinfektion mit Circoviren und der dadurch verursachten Immunsuppression beobachtet. 

akuter Verlauf
(„Nestlingssterblichkeit der Wellensittiche“) Vor allem bei Nestlingen, nach einer Inkubationszeit von weniger als 1 Woche, kommt es oft ohne vorherige Symptome bzw. nach wenigen Tagen Schwäche (Zittern) und Inappetenz zu plötzlichen Todesfällen. Es können Gelbverfärbungen der Haut, Blutungen in der Unterhaut und an den Federfollikeln sowie eine generell erhöhte Blutungsneigung auftreten. Bei Wellensittichen beträgt die Letalität bis zu 100 %, bei anderen Papageien verläuft die Erkrankung meist weniger heftig. 

chronischer Verlauf
(Rennerkrankheit, „Französische Mauser“) Tritt bei Nestlingen auf, die durch maternale Antikörper geschützt oder zum Zeitpunkt der Infektion älter als 2 Wochen sind. Es kommt vor allem zu Störungen der Federbildung und Ausfall der langen Schwungfedern an den Flügeln und am Schwanz. Nachwachsende Federn sind häufig verdreht und missgebildet. Es treten persistierende Federscheiden auf. Die Veränderungen verlaufen oft progressiv, die Symptome können sich aber auch nach Monaten abmildern. Auch hier ist das klinische Bild bei Wellensittichen am ausgeprägtesten. Durch fehlende Schwungfedern flugunfähige Wellensittiche (s. Abb. 1) werden als „Renner“ oder „Hopser“ bezeichnet. 

Abb. 1: Verlust der Schwungfedern bei einem Wellensittich infolge Polyomavirusinfektion („Renner“) 

klinisch inapparenter Verlauf
Latent infizierte Vögel stellen das Reservoir dar, sie können intermittierend Viren ausscheiden. Sie zeigen hohe Antikörperspiegel, aber keine Krankheitserscheinungen. Durch Stress (Brut, Ausstellung, Futterwechsel …) kann die Krankheit auch klinisch manifest werden. Generell kann es infolge einer Leberschädigung auch zu einer Gelbverfärbung der Harnsäure kommen. Außerdem sind zentralnervöse Störungen und auch akute Todesfälle bei adulten Nicht-Wellensittichen beschrieben. Ein weiteres Problem kann eine gestörte Kropfentleerung oder ein Futterregurgitieren sein. 

Diagnose 

Die Klinik (plötzliches Nestlingssterben, subkutane Blutungen, Federveränderungen) erlaubt die Verdachtsdiagnose. Die sicherste Nachweismethode besteht im Nachweis von Virus-DNA mittels PCR. Hierzu sollten mehrere (veränderte) Federn entnommen werden, sinnvoll sind auch die Untersuchung eines Kloakentupfers (Virusausscheidung über den Kot!) und einer Blutprobe. Auch eine Virusanzüchtung in Zellkulturen ist möglich. Der Nachweis von Serumantikörpern mittels Neutralisationstest gilt nur bei Wellensittichen als beweisend für eine Infektion, er kann aber auch falsch negativ sein. Histologisch finden sich Einschlusskörperchen in verschiedenen Organen (Federfollikel, Nieren, Leber und Milz). 

Therapie & Prophylaxe 

Eine ursächliche Therapie ist derzeit nicht bekannt. Flugunfähigen Vögeln sollten entsprechende Klettermöglichkeiten angeboten werden. Begleitende Erkrankungen müssen symptomatisch therapiert werden. 

Es wird empfohlen, in Wellensittich-Zuchtanlagen bei Auftreten der Erkrankung die Zucht abzubrechen und für 3–4 Monate auszusetzen. In dieser Zeit kann der Bestand durch direkten Kontakt der Vögel untereinander (Haltung in einer Voliere) durchseucht werden, sodass ausreichend maternale Antikörper aufgebaut werden, um die Nestlinge vor der akuten Form mit Todesfällen zu schützen. Befiederungsstörungen können aber trotzdem auftreten. Außerdem sind neu in den Bestand kommende Vögel ungeschützt und das Virus kann durch die Abgabe von Vögeln weiter verbreitet werden. 

Ein Impfstoff als Prophylaxe ist derzeit in Europa nicht zugelassen. Vögel sollten nur aus unproblematischen Beständen zugekauft und eventuell während einer Quarantänezeit getestet werden. Grundsätzlich ist es nicht ratsam, Wellensittiche mit anderen Papageien zusammenzuhalten, da sie ein Reservoir für das Virus darstellen. 

Prognose 

Die Prognose für erkrankte Nestlinge ist schlecht. Für den weiteren klinischen Verlauf nach dem Auftreten von Federveränderungen ist eine Prognose schwierig. Ein Nachwachsen der Federn und ein Abklingen der klinischen Symptomatik nach längerer Zeit (Mauser) ist aber möglich. 

Quelle: M. Pees, Leitsymptome bei Papageien und Sittichen, Diagnostischer Leitfaden und Therapie, ISBN: 9783830410843, 2. Aufl., überarb. 2010, S. 171-173

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Michael Pees, Cornelia Christen, Gabriele Groeneveld, Werner Lantermann, Michael LierzLeitsymptome bei Papageien und Sittichen

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