Diagnostischer Leitfaden und Therapie
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Autor: M. Pees
Die Schimmelpilzmykose (“Aspergillose”) ist eine infektiöse, multifaktorielle, aber kaum kontagiöse Erkrankung mit sehr großer Bedeutung bei Papageienvögeln aus tropischen Klimaten.
Ätiologie & Pathogene
Die Erkrankung wird durch ubiquitär vorkommende Pilze (meist Aspergillus spp., auch Mucor spp. und Penicillium spp.) verursacht. Die Infektion erfolgt durch die Inhalation vor allem der Pilzsporen. Die Pilze vermehren sich im bzw. auf dem Gewebe des Atmungstrakts und können sich im fortgeschrittenen Stadium auch auf andere Organe ausbreiten. Die Entstehung einer Aspergillose ist ein multifaktorielles Geschehen, wobei Haltungs- und Fütterungsfehler von besonderer Bedeutung sind: Tropische Vögel leben in ihrer Heimat bei einer Luftfeuchtigkeit von weit über 80 %. Demgegenüber liegt die Luftfeuchtigkeit in unseren Breiten oft nur bei 30–50 %.
Durch Austrocknung des Epithels der Atemwege nimmt die Resistenz gegenüber Pilzinfektionen stark ab. Dazu kommt ein oft zu geringer Luftaustausch, wodurch die Ansammlung von Pilzsporen und sonstigen Schadstoffen in der Luft gefördert wird. Auch dieses Problem tritt in der Natur nicht auf. Außerdem spielt die Ernährung der Tiere eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer Aspergillose: Nahezu alle kommerziellen Papageienfuttermittel enthalten Erdnüsse. Gerade Erdnüsse (und auch andere Nüsse) sind sehr stark mit Pilzsporen kontaminiert, die der Vogel dann bei der Nahrungsaufnahme inhaliert. Der Vitamingehalt im Körnerfutter ist oft unzureichend. Insbesondere eine Hypovitaminose A führt zu einer Schädigung des respiratorischen Epithels, wodurch eine Pilzinfektion zusätzlich begünstigt wird. Schließlich verursacht Stress eine Schwächung der Widerstandskraft des Körpers – Managementprobleme, wie eine zu hohe Besatzdichte, Transporte und Unverträglichkeiten unter den Vögeln, sind deshalb weitere Prädispositionen. Behandlungsfehler, wie immunsuppressive Medikamente oder einseitige antibakterielle Therapien, wirken ebenfalls begünstigend auf das Pilzwachstum.
Klinik & Diagnose
Die klinische Symptomatik ist durch zwei Auswirkungen des Pilzwachstums geprägt: Erstens der Einengung der Atemwege durch die Pilze und die Entzündungsreaktionen des Körpers sowie zweitens der Wirkung der von Schimmelpilzen produzierten Toxine auf den Körper, insbesondere auf die Leber, den Magen-Darm-Trakt und das Nervensystem. Bedingt durch diese Wirkungen sowie häufig vorkommende bakterielle Sekundärinfektionen treten neben der respiratorischen Symptomatik auch häufig andere Symptome auf.
Bei Papageien aus tropischen Klimaten sollte stets an die Möglichkeit einer Schimmelpilzinfektion gedacht werden, da die Symptomatik sehr vielfältig sein kann und nicht immer respiratorische Störungen vorkommen müssen!
Häufiger Grund für die Vorstellung der Patienten ist eine Stimmveränderung oder der Stimmverlust. Es sind z. T. deutliche Atemgeräusche zu hören, die sich bei Anstrengung des Vogels noch verstärken. Eine Atemnot kann, muss aber nicht vorhanden sein. Bedingt durch Stenosen im Bereich der Luftsäcke und Nasennebenhöhlen können Luftsacküberdehnungen und Emphyseme entstehen. Eine weitere Folge ist das sogenannte „Backenblasen“, ein atemsynchrones Vorwölben der Haut zwischen Auge und Schnabel jeweils während der Exspiration, wenn durch den Luftstrom und den verengten Sinusausgang ein Überdruck entsteht. Die wichtigste Begleitsymptomatik kann eine allgemeine Schwäche, Apathie und Abmagerung sein. Bedingt durch die Toxine kommt es häufig zu Durchfall und zu zentralnervösen Ausfallerscheinungen (Krämpfe, Ataxien s. Mykotoxikose) sowie „Erbrechen“. Infolge von Veränderungen im Bereich der Nasenöffnungen kann es zu Schnabelfehlstellungen kommen.
Schimmelpilzerkrankungen sind dadurch gekennzeichnet, dass es sich zwar meist um einen chronischen Krankheitsverlauf (über mehrere Jahre) handelt, die klinische Symptomatik aber oft akut ist.
Die akute Symptomatik kann z. B. durch sich ablösende „Pilzrasenstücke“ ausgelöst werden, die die luftleitenden Wege verlegen und dadurch zu Atemnot führen.
Diagnose
Aus dem Vorbericht (Spezies, Haltung, Fütterung, Herkunft) ergibt sich eine Verdachtsdiagnose. Die klinische Untersuchung kann diesen Verdacht erhärten, das vielgesichtige klinische Bild erlaubt aber in der Regel keine sichere Diagnose. Deutlicher Hinweis ist ein Schimmelpilzwachstum in den Nasenöffnungen . Ein wichtiges Hilfsmittel bei der Diagnostik am klinisch kranken Vogel ist die Röntgenuntersuchung, hier können vor allem chronische Folgen einer Infektion gesehen werden. Von besonderem Interesse sind hierbei die Luftsäcke, ihre Grenzen zueinander sowie die Lunge und der Stimmkopf. Das Pilzwachstum kann zu einer diffusen Verdichtung der Lunge und der Luftsäcke führen, wenn es homogen erfolgt. Häufig kommt es zur Bildung von Pilzgranulomen – diese stellen sich als (multiple) fokale Verschattungen dar . Ein wichtiger Hinweis ist die Darstellbarkeit der Luftsackgrenze zwischen Bauch- und kaudalem Brustluftsack.
Beim gesunden Vogel sind die Luftsackgrenzen hauchdünne seröse Häute , durch die Infektion verdicken sie sich teilweise so stark, dass sie im Röntgenbild sichtbar werden. Werden die Ausführungsgänge der Luftsäcke eingeengt, kann es zu einem sogenannten „air trapping“, einer Überdehnung der Luftsäcke, kommen. Schließlich ist auch eine im Röntgenbild sichtbare Spangenbildung durch „Pilzbrücken“ in den Luftsäcken möglich Leber, Herz und Nieren sind bei fortgeschrittenen Infektionen und bei Mykotoxikosen häufig vergrößert. Die Endoskopie ist das direkteste und sicherste Mittel zur Diagnostik einer Schimmelpilzinfektion. Die Luftsäcke und der kaudale Lungenrand können beurteilt werden. Schimmelpilzinfektionen zeigen sich als opake Verdichtung der Luftsackwände. Granulome können exakt lokalisiert und beurteilt werden . Neben dem Zugang auf der linken Bauchseite muss ggf. auch der Zugang rechts erfolgen, um beide Körperseiten zu beurteilen, da die Veränderungen durchaus lokalisiert sein können.
Der Nachteil der Endoskopie besteht in der notwendigen Narkose, da alle Vögel mit respiratorischer Symptomatik als Risikopatienten einzustufen sind. Eine Endoskopie via Trachea ist zur Darstellung (und Entfernung) von Syrinxgranulomen sinnvoll. Der Erregernachweis mittels Tupferproben (Trachea) ist sinnvoll, allerdings muss beachtet werden, dass es sich um ubiquitäre Keime handelt, die also auch beim gesunden Vogel nachgewiesen werden können. Deshalb sollte die Interpretation nur unter Berücksichtigung der sonstigen Befunde erfolgen. Auch ein negativer kultureller Nachweis ist nicht aussagekräftig, da das Pilzwachstum häufig auf den unteren Respirationstrakt beschränkt ist. Die Blutuntersuchung hat weniger diagnostische, sondern eher prognostische Aussagekraft (erniedrigter Hämatokrit, Heterophilie, Monozytose, Leber- und Nierenparameter). Serologische Untersuchungen sind möglich, aber noch wenig ausgereift. Der Nachweis von Aspergillus-Antikörpern ist problematisch, da der Titerverlauf nicht mit dem klinischen Bild korreliert und bei chronischen Infektionen relativ niedrig ist. Auch neuere Testverfahren aus der Humanmedizin, direkte Stoffwechselprodukte der Pilze im Blut nachzuweisen, haben sich bislang nicht bewährt.
Therapie
Unbedingte Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist die Bereitschaft der Besitzer, die Fütterungs- und Haltungsbedingungen zu optimieren. Insbesondere auf eine ausreichende Luftfeuchtigkeit (mindestens 60 % auch in den kalten Monaten) und genügenden Luftaustausch ist zu achten. Dazu sollte die Fütterung auf ein geeignetes Futter (ohne Nüsse) umgestellt und mit einem Ergänzungsfuttermittel (z. B. Korvimin ZVT®) ergänzt werden. Therapiebegleitend sollten bakterielle Sekundärinfektionen behandelt werden. Die Unterstützung mit Vitamin A zur Regeneration des Epithels der Atemwege ist essentiell, eine Überdosierung muss aber vermieden werden. Als Antimykotika stehen vorwiegend Azolderivate zur Verfügung: Die beiden inzwischen am häufigsten eingesetzten Medikamente sind Itrakonazol und Vorikonazol. Letzteres gilt als potentestes Antimykotikum, es ist allerdings auch erheblich teurer. Bei Graupapageien wird aufgrund beschriebener Unverträglichkeiten nach Itrakonazol-Applikation auch das in Deutschland nicht mehr zugelassene Ketokonazol verwendet. Enilkonazol wird zur Inhalationstherapie verwendet und hat daher keine systemische Wirkung, sodass die Hauptanwendung in der Prophylaxe und der Weiterbehandlung bei chronischen Mykosen liegt.
Ein weiteres eingesetztes Antimykotikum ist Terbinafin, das eine gute Gewebegängigkeit und Verträglichkeit aufweist. Dieses Präparat wirkt im Gegensatz zu den meisten Azolen fungizid. Klinische Studien haben die Wirksamkeit belegt, aber es gibt auch Berichte über rasche Resistenzbildung nach Anwendung. Bei Graupapageien stellt es eine Alternative dar, wenn Vorikonazol und Ketokonazol nicht verfügbar sind. Das früher noch beschriebene Flukonazol ist geringer wirksam gegen Schimmelpilze und hat deshalb eher eine Bedeutung für die Bekämpfung von Schimmelpilzmykosen. Amphotericin B ist toxisch für Niere und Leber und wird nur zur Initialbehandlung in Notfällen eingesetzt. Es ist fungzid, die Wirkung tritt – im Gegensatz zu den Azolen – bei entsprechender Applikation sehr rasch ein.
Therapie der Aspergillose:s. Quelle
PrognoseIn den meisten Fällen ist es nicht möglich, die Tiere im Sinne einer Restitutio ad integrum zu heilen. Es wird vielmehr versucht, die klinischen Symptome zu beseitigen und die „Pilzlast“ zu senken sowie nach Beendigung der Behandlung durch regelmäßige Inhalation zu Hause niedrig zu halten.
Quelle: M. Pees, Leitsymptome bei Papageien und Sittichen, Diagnostischer Leitfaden und Therapie,
ISBN: 9783830410843, 2. Aufl., überarb. 2010, S. 36-38
Diagnostischer Leitfaden und Therapie
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