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  • Helmar Weiß
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  • 01.08.2011

Automatisierte Defibrillatoren für Ersthelfer und Laien?

Eine frühe Defibrillation ist beim Kammerflimmern für das Überleben des Patienten entscheidend. Studien aus den USA belegen den Nutzen automatisierter Defibrillatoren bei Ersthelfern und medizinischen Laien. Am 30. Januar 2004 diskutierten Fachleute auf dem Kongress "Medizin 2004" in Stuttgart über dieses Thema.

 

Vom 29. Januar bis zum 01. Februar 2004 fand in der Stuttgart der 39. Kongress der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg "Medizin 2004" statt. Zum Thema "Automatische externe Defibrillatoren - Möglichkeiten und Grenzen ihres Einsatzes" referierten Ärzte, ein Vertreter des DRK und der Staatsanwalt Ralf Tries über den Einsatz automatisierter Defibrillatoren in Deutschland. Den Nutzen des AED aus ärztlicher Sicht und deren Übertrabarkeit auf Deutschland fasste Dr. Kehrberger in seinem gleichnamigen Vortrag zusammen. Er ist leitender Notarzt eines Landkreises und Oberarzt der Anästhesieabteilung des Paracelsus-Krankenhauses Ruit.

 

Jede Minute zählt

"Jährlich sterben zwischen 100.000 und 150.000 Menschen in Deutschland an plötzlichem Herztod. Das entspricht einem Todesfall alle 5 Minuten", so Dr. Kehrberger. Ursache für den plötzlichen Kreislaufstillstand sind Kammerflimmern (KV), pulslose ventrikuläre Tachkardie (PVT) und Asystolie. Während bei Asystolie die Therapieoptionen und Prognose stark eingeschränkt sind, kann bei Kammerflimmern oder PVT das Defibrillieren Leben retten.

Kammerflimmern im EGK, Quelle:

Kammerflimmern im EGK, Quelle: "Der EKG-Trainer" Horacek, Thieme

 

Dabei spielt ein möglichst früher Beginn der Defibrillation eine entscheidene Rolle. Während die Überlebenschance eines Patienten in der ersten Minute nach dem Herzstillstand noch bei 90% liegt, ist nach 10 Minuten überleben nur ein winziger Bruchteil der Patienten. Nach dieser Zeit geht das Kammerflimmern in eine Asystolie über ("ausgebranntes Kammerflimmern"). Die Überlebensrate sinkt mit jeder verstrichenen Minute um 7-10%.

 

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Die automatisierten externen Defibrillatoren sind so konstruiert, dass sowohl Ersthelfer wie Polizei oder Feuerwehr als auch zufällig anwesende Passanten diese bedienen können. Dadurch kann die Zeit zwischen Kollaps und Defibrillation stark reduziert werden.

 

Wie funktioniert ein AED?

Ein "automatisierter externer Defibrillator" (AED) ist ein batterie-, bzw. akkubetriebes Gerät, das selbst ein EKG ableitet, auswertet und den Benutzer genaue Anweisungen gibt, was dieser zu tun hat.

 

Biphasischer AED für Laien und Profis FR 2+ , Quelle: Reavita AG, Zürich

Biphasischer AED für Laien und Profis FR 2+ , Quelle: Reavita AG, Zürich

 

Nach dem Einschalten des AED fordert das Gerät den Nutzer per Sprachmodul auf, die Elektroden am Patienten anzubringen. Per Knopfdruck setzt der Erstehelfer die Analyse in Gang. Das Gerät schreibt ein EKG und prüft, ob die Kontakte gut angebracht sind. Nach der Analyse des EKGs trifft der AED eine Entscheidung. Liegt ein defibrillations-würdiger Befund vor, empfiehlt das Gerät die Defibrillation. Die Entladung erfolg per Knopfdruck.

Helfer könnten dem Gerät in jedem Fall vertrauen, so Dr. Kehrberger. "Wenn das Gerät zum Defibirllieren anrät, dann liegt auch wirklich eine pluslose ventrikuläre Asystolie oder ein Kammerflimmern vor. Die AEDs machen das sicher besser als eine große Zahl der Ärzte, die zu einem solchen Notfall kommen."

 

Situation in Deutschland

Die American Heart Association (AHA) empfiehlt, dass mit dem Defibrillieren innerhalb von 5 Minuten begonnen werden soll ("Frühedefibrillation"). "Die deutsche Verhältnisse entsprechen in keiner Weise diesen Vorgaben", so Dr. Kehrberger. 2 Minuten dauere es, bis es zum Absetzen des Notrufes komme, bis der Krankenwagen angewiesen sei vergeht seiner Rechnung nach eine weitere 1 Minute und nach ca. 10 min tauche der Rettungswagen am Unfallort auf. 2 Minuten später sei dann der Difibrillator einsatzbereit. Das ergibt eine Summe von 15 Minuten. Seiner Meinung nach liege die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Patienten bei 1 bis 2%. "Das kann uns nicht zufriedenstellen! In Deutschland kann man wohl eher von Spätdefibrillationsprogrammen reden!"

 

Public Access Defibrillation

Da AEDs einfach zu bedienen sind, besteht die Möglichkeit, dass Defibrillatoren an öffentlichen Plätzen aufgestellt werden. Der Nutzen öffentlich aufgestellter Defibrillatoren (Public Access Defibrillators, PAD) wird vor allem in einer Studie aus den USA eindrücklich belegt ("Public Use of Automated External Defibrillators" N Engl J Med 2002; 347: 1242).

Für diese Studie wurden 70 AEDs auf den drei Chicagoer Flughäfen gut sichtbar aufgestellt. 3000 Flughafenangestellte wurden in der Benutzung der Geräte und der Basisreanimation geschult. Werbetafeln und Infobroschüren warben zusätzlich auf dem Flughafengelände für das Programm.

Das Ergebnis spricht für den Einsatz von AEDs. 18 Patienten erlitten während der Studiendauer einen Kreislaufstillstand mit Kammerflimmern, 11 davon (61%) überlebten. 6 dieser Patienten wurde nicht von trainiertem Flughafenpersonal, sondern von zufällig anwesenden Passanten mit Hilfe eines AEDs wiederbelebt. Die Kosten dieses Programmes beliefen sich auf ca. 7000 Dollar pro gerettetem Leben.

Die Kosten sind laut Dr. Dr. Dirks, Leiter der Fortbildungsveranstaltung, ein wichtiger Aspekt bei Public Access Defibirillatoren. Der Einsatz von AEDs müsse vor allem effizient sein, forderte er. Unter Effizient versteht er das Verhältnis aus geretteten Leben und dafür notwendigen Aufwand.

Die American Heart Association empfiehlt einen AED an jedem Ort, an dem innerhalb von 5 Jahren wahrscheinlich ein plötzlicher Herztod erfolgen wird. "Defibrillatoren an Orten bekannter Inzidenz für Kreislaufstillstände sind eine effektive Strategie", so Dr. Dr. Dirks. Allerdings passierten die meisten Kreislaufstillstände zu Hause (70-80%).

Einig sind sich die Ärzte über den Nutzen der AEDs bei Ersthelfern, zurückhaltender bei Public Access Defibrillators. "AEDs sind sicher und einfach zu bedienen, retten Leben und sind kosteneffektiv", so Dr. Kehrberger. Frühdefibrillation und Public Access Defibrillation mit AEDs seien die wichtigste und interessanteste Entwicklung seit Einführung der Herzdruckmassage. "Über Aufstellungsorte können wir noch reden."

 

Ausblick in die Zukunft

Über die Zukunft der AEDs und PAD-Programme in Deutschland hat Dr. Kehrberger sehr genaue Vorstellungen. Für die Zukunft fordert er den Einsatz von AEDs für:

  • Jedes Fahrzeug mit Blaulicht
  • Helfer vor Ort-Gruppen auf dem Land
  • Sanitätsdienst, z.B. bei Großveranstaltungen
  • Orte mit hohem Personenaufkommen wie Flughäfen, Bahnhöfen usw.
  • evtl. Ersthelfer im Sinne von PAD
  • Seniorenwohnheime und Dialysezentren
  • Evtl. auch AEDs für Risikopatienten (koronare Herzkrankheit)

In den späten 50er Jahren entwickelte der Arzt Peter Safar eine damals neue Reanimationstechnik, die Mund-zu-Mund-Beatmung mit Thoraxkompressionen kombiniert. Safar gilt als einer der Mitgründer der Kardiopulmonalen Reanimation. Bereits 1986 hat Peter Safar sich zum Thema Defibrillation geäußert:"

"Mit den heutigen technischen Möglichkeiten der Automatischen Externen Defibrillatoren sollte jeder Laie defibrillieren können, gar nicht zu reden von Rettungssanitätern. Wer dies nicht erkennen oder verstehen will, der versteht nicht wie die Menschen sterben."

Dies zitiert auch Dr. Kehrberger und unterstütz diese Forderung. "Ziel muss sein, Patienten mit plötzlichen Herztod so schnell wie möglich zu defibrillieren, egal durch wen", empfiehlt er in seinem Abstract zum Vortrag.

 

Links zum Thema

"Sportler-Todesfälle verhindern"

Der 24-jährige ungarische Nationalspieler Miklos Feher von Benefica Lissabon erlag während eines Fußballspiels Ende Januar einem Herzinfarkt. Professor Dietrich Grönemeyer fordert daher die sofortige Ausstattung aller Stadien mit Defibrillatoren.

mehr bei Via medici online

"Medizin 2004" in Stuttgart

Abstracts der Referenten vom Kongress "Medizin 2004" in Stuttgart:"Automatische externe Defibrillatoren - Möglichkeiten und Grenzen ihres Einsatzes"

Website der Ärztekammer Baden-Würrtemberg

Björn-Steiger-Stiftung

Die Björn-Steiger-Stiftung wurde 1969 von den Eltern des damals 8-jährigen Björn gegründet. Dieser wurde von einen Auto angefahren und starb, weil die Rettungskräfte zu spät eintrafen (nach 1h). Informative Website mit Infos zur Stiftung, dernen Zielen und vielen Texten zum Thema AED.

Björn-Steiger-Stiftung

Website der American Heart Association

Website der American Heart Association (AHA)

 

Circulation

Circulation ist das Publikationsorgan der AHA. Hier finden Sie die aktuellen Guidelines des AHA und diverse Full-Text-Publikationen.

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