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- Via medici, H. Marcus
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- 22.06.2007
Medizinrecht in Frage & Antwort: Schweigepflicht gegenüber Angehörigen
Frage: Wenn Angehörige eines Patienten kommen und den Arzt sprechen wollen und gerne Informationen haben möchten, der Patient aber wach, orientiert, mündig und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist, darf der Arzt dann etwas sagen? Eine sehr häufige Frage ist: "Was hat er denn eigentlich?"
Hier greift ganz klar die ärztliche Schweigepflicht einer Antwort des Arztes vor – selbst gegenüber dem Ehepartner oder gegenüber den leiblichen Kindern!
Hier ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung in Form der Achtung der Intimsphäre des Patienten oberstes Gebot, das sich strafrechtlich in § 203 Strafgesetzbuch (StGB), berufsrechtlich in § 9 der ärztlichen (Muster-) Berufsordnung und zivilrechtlich als Ausprägung des ärztlichen Behandlungsvertrages mit dem Patienten widerspiegelt. Die Schweigepflicht erstreckt sich auf das ärztliche und nicht-ärztliche (Krankenhaus-) Personal, Praktikanten und Medizinstudenten, gilt auch über den Tod des Patienten hinaus und wirkt gegenüber allen Dritten, die nicht notwendig in die ärztliche Behandlung dieses Patienten (also auch ärztliche Kollegen!) und daher gleichfalls in das konkrete Vertrauensverhältnis mit einbezogen sind.
In allen Fällen kann die Antwort gegenüber den Angehörigen nur lauten, dass sie doch den Patienten befragen und sich mit ihm selbst darüber unterhalten mögen. Natürlich steht man dann für fachliche Rückfragen im Gespräch zwischen dem Patienten und seinen Angehörigen gerne in Anwesenheit beider zur Beantwortung weiterer, noch offener Fragen zur Verfügung.
Andernfalls liegt eine unbefugte Offenbarung von Berufsgeheimnissen vor, die je nach Lage des Falles gemäß § 203 StGB der Freiheitsstrafe von 1-2 Jahren oder Geldstrafe unterliegt.
Nur bei Eltern von Kindern bis 14 Jahren fällt die Antwort diesbezüglich anders aus: Aufgrund des elterlichen Sorgerechts haben diese ein Recht darauf zu erfahren, was ihren Kindern aus medizinischer Sicht passiert ist. Die Eltern sind als gesetzliche Vertreter von Kindern bis 14 Jahren Teil des ärztlichen Behandlungsvertrages mit den jungen Patienten und daher regelmäßig vollumfänglich aufzuklären. Die Eltern treffen dann auch die Entscheidung über die Behandlung ihrer Kinder.
Sehr deutlich wird die Beantwortung dieser Frage übrigens aus Sicht eines niedergelassenen Arztes in einer Arztpraxis: Dieser darf gegenüber Angehörigen des Patienten nicht einmal offenbaren, ob oder dass der Patient als solcher seine Praxis aufgesucht hatte, geschweige denn aus welchem Grund.
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