• Bericht
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  • Tobias Herbers
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  • 27.02.2014

Medizin und Menschlichkeit

Im Januar 2014 fand der erste deutsche Pflegetag in Berlin statt. Während den Debatten kam immer wieder das Thema Menschlichkeit und Menschenwürde auf. Eugen Brysch, von der Deutschen Stiftung Patientenschutz, kritisierte in einem Interview unter anderem die „Kaltschnäuzigkeit“ mit der Pflegebedürftige derzeit diskriminiert werden würden. Aber nicht nur in diesem Bereich bleiben zwischenmenschliche Beziehungen häufig auf der Strecke. Der Verein „Medizin und Menschlichkeit“ greift dieses Problem auf, will schulen und aufklären, um die Menschlichkeit wieder ins Zentrum der Medizin zu stellen.

 

Eine Hand wird gehalten - Foto: Thieme/Studio Blofield

 

Brauchen wir mehr Menschlichkeit in der Medizin? Dieser Frage begegnet Eva Wartner vom Verein „Medizin und Menschlichkeit“, kurz MuM, mit einer klaren Antwort: „Die Menschheit steckt derzeit auf allen möglichen Ebenen in einer Krise fehlenden Miteinanders. Unsere Gesellschaft ist immer mehr auf Effizienz, auf Schnelligkeit und den technischen Fortschritt bedacht. Zusätzlich findet man in den Krankenhäusern immer noch verkrustete Hierarchiestrukturen, in denen Autorität und Macht missbraucht werden.“ Doch damit nicht genug. Frau Wartner erzählt, dass die Menschlichkeit auch auf der Patientenseite immer mehr in den Hintergrund rückt. Dieser Meinung ist auch die Münchner Medizinstudentin Milena Auhagen: „Im Vordergrund steht immer mehr die Krankheit und nicht mehr der Mensch.“ So sieht das auch Frau Wartner und führt weiter aus, dass aber genau der Mensch im Mittelpunkt einer gesunden Arzt-Patienten-Beziehung stehen müsse. Schließlich sei er das Schlüsselelement im Krankheits- und Heilungsprozess. Ein zusätzliches Problem sieht Frau Wartner darin, dass die zuhörende Medizin zwar politisch gewünscht, aber nicht entsprechend finanziell honoriert werden würde.

 

Der Verein „Medizin und Menschlichkeit“

„Hier muss sich etwas ändern!“ – beschlossen einige Medizinstudenten und gründeten kurzerhand den Verein „Medizin und Menschlichkeit e.V.“. Seit 2008 treffen sich die Mediziner nun regelmäßig, um zu diskutieren, Erfahrungen zu sammeln und dem Mangel an Menschlichkeit in der Medizin mit kreativen Ideen zu begegnen. Jeder kann mitmachen, egal welcher Weltanschauung, welcher Religion oder politischen Überzeugung er ist – nur „menschlich“ sollte er sein. Frau Wartner erzählt: „Der Verein ist aus einem empfundenen Mangel heraus gegründet worden und versteht sich als eine Art Graswurzelbewegung, die eine Veränderung des Gesundheitswesens von innen heraus bewirken will. Der Ansatz des Vereins ist dabei, bei sich selbst anzufangen.“ Man müsse zunächst für sich selbst herausfinden, was das eigene Arztbild und die individuelle Vision für den eigenen Weg seien. Frau Wartner hat dabei das große Glück, in einem gut besetzten und stimmig zusammengestellten Team, motivierenden, ansprechbaren Oberärzten, sowie einer tollen Chefärztin, einen guten Nährboden zum Lernen und Wachsen gefunden zu haben. Doch sie erzählt, dass dieses Glück wohl nicht alle jungen Mediziner hätten.

 

Homepage des Vereins: http://www.medizinundmenschlichkeit.org

 

Gruppe des Vereins Medizin und Menschlichkeit - Foto: Verein Medizin und Menschlichkeit

Gruppenbild bei einer Veranstaltung des Vereins Medizin und Menschlichkeit.

 

Menschlichkeit und medizinische Ausbildung  

Milena Auhagen erklärt die Situation in der medizinischen Ausbildung so: „Das Thema ‚Menschlichkeit‘ macht nur einen verschwindend geringen Anteil unseres Studiums aus. So gibt es beispielsweise an der LMU München während des gesamten Studiums nur zwei Seminare zum Thema Patienten-Zentrierte-Kommunikation. Dabei ist das Thema Menschlichkeit eine zeitlose und zentrale Aufgabe der Medizin, die nicht nur in Form einer Multiple-Choice Antwort im Studium vorkommen darf.“ Die Wichtigkeit des Themas greift auch der Arzt und Autor Klaus Ratheiser in seinem Buch „Die Schärfe des Augenblicks“ auf und schreibt: „Gestalten, Sinn stiften, Verantwortung tragen, Leid lindern, Entlastung schaffen, Freude empfinden und weitergeben. Der klinische Alltag zeigt, wie sehr es neben Fachkompetenz auf solche Tugenden ankommt.“ Doch wo lernt man solche Tugenden – kann man sie überhaupt erlernen?  

Ulrike Fehr, Assistenzärztin im zweiten Ausbildungsjahr, meint dazu: „Menschlichkeit lernen kann man natürlich nicht und erst recht nicht nach Plan B.“ Dennoch könne man seine Beobachtung schärfen, um das Nonverbale der Patienten besser zu verstehen.“ Hierbei möchte der Verein jungen Medizinern helfen, ihnen einen geschützten Raum geben und mit Rat und Tat zur Seite stehen. Milena Auhagen, die junge Münchener Medizinstudenten ergänzt: „Hierzu sind Seminare sehr sinnvoll. Sie können uns helfen, uns selber zu hinterfragen und andere Mentalitäten und Weltanschauungen zu erkennen und zu respektieren.“  

 

Übungen des Vereins Medizin und Menschlichkeit - Foto: Verein Medizin und Menschlichkeit

Übungen bei einem Treffen des Vereins Medizin und Menschlichkeit

 

Für mehr Menschlichkeit – Seminare des Vereins

Ein Schwerpunkt der Seminare ist es daher zur Eigenverantwortung zu ermutigen und den eigenen Weg in der Medizin zu gehen. Um dies zu verwirklichen, wird den Teilnehmern ein Raum gelassen um sich und die anderen wahrzunehmen. Frau Auhagen erzählt, dass die zentrale Themen dabei Berührung, Widerstand, Kommunikation, Umgang mit Spiritualität, Sterben und Achtsamkeit seien. Bezüglich des Themas Berührung gibt Ulrike Fehr an: „So etwas fehlt in der bisherigen Medizin total. Ich selbst habe im Rahmen eines solchen Seminars erkannt, dass es noch viel zu lernen und zu entdecken gibt, um nicht weiterhin im Erdulden der Gegebenheiten festzustecken.“

Konkret umsetzen wollen die jungen Mediziner das Konzept unter anderem im Rahmen ihrer jährlichen Frühlingsakademie. Während der fünftägigen Veranstaltung kommen etwa 40 junge Mediziner aus ganz Deutschland in einem Seminarhaus bei München zusammen. Sie wollen gemeinsam über Verantwortung und Selbstfürsorge, Achtsamkeit und Mitgefühl sowie Rollenbild und Werte diskutieren. Im Rahmen des abwechslungsreichen Programms und einer Ausgewogenheit zwischen Sein und Tun, werden die Teilnehmer von verschiedenen Dozenten, unter anderem aus den Bereichen Palliativmedizin und Psychosomatik, angeleitet. Die diesjährige Frühlingsakademie findet vom 30.3 bis 4.4.2014 statt, die Teilnahme ist kostenlos.

Für die Entwicklung neuer Lehrformate hat MuM unter andrem schon den „Hildegard-Hamp-Humanitas Preis“  verliehen bekommen. Außerdem wurde das Engagement im Bereich der Palliativmedizin durch die Verleihung des Preises der „Hans Joachim und Käthe Stein Stiftung für Palliativmedizin“ gewürdigt. 

Anmeldung und weitere Informationen zur Frühlingsakademie: http://medizinundmenschlichkeit.de/aktionen/akademie/

 

Der Verein Medizin und Menschlichkeit setzt sich für mehr Menschlichkeit im Klinikalltag ein. - Foto: Verein Medizin und Menschlichkeit

Patienten im Krankenhaus brauchen viel Zuwendung. Der Verein Medizin und Menschlichkeit setzt sich dafür ein.

 

Konkret werden

Das Problem fehlender Menschlichkeit ist groß. Das erkennen junge Mediziner immer mehr. Gemeinsam wollen sie für einen Raum einstehen, in dem man seine Potentiale entfalten kann und Fehler machen darf. Für mehr integrative Behandlung sowie ein verbessertes Miteinander zwischen Ärzten und Pflegeteam.  Gerade in einer Zeit der zunehmenden Ökonomisierung sollte die direkte und menschliche Behandlung von Mensch für Mensch im Zentrum des ärztlichen Handelns stehen.

Der Weg zu mehr Menschlichkeit kann ganz unterschiedlich sein und eint sich in der gemeinsamen Überzeugung, dass sich etwas ändern muss. So wurde in Magdeburg ein Gebärdensprachdolmetscher für Studenten geschaffen. In Berlin, Bochum und Tübingen machen sich Studenten aller Fachrichtungen mit „you-manity“ für eine sinnvolle Entwicklungsarbeit stark und in Dresden begann das von Medizinstudenten betriebene Portal „washabich.de“ damit, ärztliche Befunde laienverständlich übersetzen.

 

Weitere Links:

Gebärdensprachdolmetscher in Magdeburg

„you-manity“ – the humanitarian network

„washabich.de“ – Arztbefunde auf Klartext

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