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- Via medici, H. Marcus
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- 14.06.2007
Medizinrecht in Frage & Antwort: Haftung bei Fehler im Monsterdienst
Frage: Wer trägt das Haftungsrisiko, wenn der Arzt des Bereitschaftsdienstes nach einem 24-h- Dienst auf Anweisung des Chefs nicht nach Hause gehen darf, sondern weiter Dienst tun muss? (Rechtliche Beurteilung von Kunstfehlern aufgrund Übermüdung wegen überlangen Dienstzeiten)
Antwort: Es ist Teil der Organisationspflicht des Krankenhausträgers und seiner Chefärzte als Organe des Krankenhauses, mittels Personal- und Einsatzplänen die Nacht- und Sonn- bzw. Feiertagsdienste zu organisieren und dadurch sicherzustellen, dass - auch bei personell enger Besetzung - der Facharztstandard, der vom Krankenhaus geschuldet ist, eingehalten wird.
Es liegt daher ein Organisationsverschulden des Krankenhausträgers und/oder des Chefarztes als Vertragspartner des Patienten (sog. totaler bzw. gespaltener Krankenhausvertrag) vor, wenn das nachgeordnete Personal aufgrund von Engpässen arbeitsmäßig so überlastet ist, dass es aufgrund Übermüdung infolge überlanger Tätigkeit zu Behandlungsfehlern kommt.
Dennoch haftet auch der konkret fehlerhaft behandelnde Arzt, der trotz Übermüdung weiter gearbeitet hat, um das vom Arbeitgeber abgesteckte Pensum zu schaffen, auch wenn die Arbeitszeiten viel zu lang und damit rechts- bzw. gesetzwidrig sind. Hier hätte rechtlich auch der Arbeitnehmer um der Patientensicherheit Willen die Pflicht, nein zu sagen.
Arbeitet der betroffene Arzt dann jedoch tatsächlich trotzdem weiter, so sollte er jedenfalls die Anweisung des Chefarztes nachweisen können und sich dies schriftlich mit Datum, Uhrzeit und Unterschrift unter ausdrücklicher Erwähnung des eigenen Widerspruchs bestätigen lassen, um so ggf. eine Haftungserleichterung im Haftungsfall zu erhalten. Dennoch wird die eigentliche Handelndenhaftung auch in diesem Fall nie ganz entfallen - umgekehrt könnte man - etwas provokant - formulieren: die Übermüdung gewährt dem konkret behandenden Arzt keinen "Freifahrtschein" im Fall einer Fehlbehandlung.
Anders kann es unter Umständen dann aussehen, wenn eine "Erpressung" dahingehend vorliegt, dass der nachgeordnete Arzt zum Verbleib in der Klinik genötigt wird, weil ihm andernfalls ein empfindliches Übel wie ein konkret angedrohter Rausschmiss oder eine Abmahnung in Aussicht gestellt wird. dabei handelt es sich um einen strafrechtlichen Fall der Nötigung. Auch dies muss jedoch später nachweisbar sein.
Und nicht zuletzt: Auch wenn dies unüblich ist, sollten sich auch angestellte Ärzte gelegentlich einmal darüber informieren, ob die Berufshaftpflichtversicherung für den jeweiligen Arzt, die regelmäßig in den Arbeitsverträgen von der Klinik zugesagt und von dieser übernommen wird, auch tatsächlich besteht - auch in dem arbeitsvertraglich vereinbarten Umfang und Höhe der Haftpflichtversicherung. Denn es gibt mittlerweile einige Kliniken, die gar keine Berufshaftpflichtversicherungen für ihre Ärzte mehr unterhalten, und zwar trotz der arbeitsvertraglichen Verpflichtung in den Verträgen der angestellten Ärzte! Im Haftungsfall haftet in einer solchen Situation dann zwar - auch - der Geschäftsführer der betreffenden Klinik. Ob er dann jedoch über ein ausreichendes Privatvermögen verfügt, um den Haftpflichtfall aufzufangen, darf bezweifelt werden. Im Übrigen haftet dann aller Wahrscheinlichkeit nach der (fehl-)behandelnde Arzt - mit seinem eigenen Privatvermögen!
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