- Serie
- |
- Via medici, Dr. T. Schlegel
- |
- 04.08.2006
Medizinrecht in Frage & Antwort: HIV- und Hepatitis-Infektion bei Ärzten
Frage: Muss das Krankenhaus die Folgekosten für Erkrankungen tragen, die man sich während der Famulatur oder des PJs zuzieht, z.B. HIV, Hepatitis B oder C? Wenn nicht - wer trägt die Folgekosten?
Antwort: Grundsätzlich handelt es ich bei Erkrankungen während der Arbeitszeit um einen Arbeitsunfall, gegen den das Krankenhaus versichert ist. In der Regel ist hierfür die Berufsgenossenschaft zuständig. Sollte das Krankenhaus versäumt haben, eine entsprechende Versicherung abzuschließen, so ist es grundsätzlich als Arbeitgeber verpflichtet, Folgekosten zu tragen.
Bei Nadelstichverletzungen (NSV) gilt aber eine Besonderheit:
Seit November 2003 gilt die TRBA 250 (Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege). Dort ist geregelt: "Bei Tätigkeiten, bei denen grundsätzlich von einer Infektionsgefährdung ausgegangen werden kann, sollen "spitze, scharfe oder zerbrechliche Arbeitsgeräte (...) durch solche geeigneten Arbeitsgeräte oder -verfahren ersetzt werden, bei denen keine oder eine geringe Gefahr von Stich- oder Schnittverletzungen besteht."
Sollte nunmehr ein Haftungsfall aufgrund einer NSV eintreten, muss der Arbeitgeber begründen, warum entsprechende technische Geräte nicht eingesetzt wurden. Kann er dies nicht begründen, haftet er für den entstandenen Schaden.
Werden demnach in einem Krankenhaus herkömmliche Spritzen eingesetzt und geht von diesen die Gefahr einer NSV aus, muss der Arbeitgeber begründen, warum er nicht andere Spritzen eingesetzt hat, mit denen die Gefahr einer NSV gegebenenfalls geringer oder gebannt wäre. So existieren zunehmend Spritzensysteme, die nach dem Einstich die Nadel im Kolben versenken, so dass von ihnen keine Verletzungsgefahr ausgeht. Die Einführung solcher Spritzensysteme ist nicht zuletzt Aufgabe des Krankenhauses.
Frage: Was ist, wenn man als Folge eines in der Famulatur geschehenen Ereignisses berufsunfähig wird?
Eine Berufsunfähigkeit ist dann gegeben, wenn der ausgeübte bzw. angestrebte Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann. Das ist im Falle unmittelbar ansteckender Krankheiten im Zusammenhang mit der Ausübung aktiver Medizin am Patienten sicherlich regelmäßig gegeben. Nadelstichverletzungen kommen häufig allein im OP vor, indem der Operateur sich selbst oder einen Mitarbeiter verletzt. Da hierbei ein direkter Blutkontakt zum Patienten nicht vermieden werden kann, wäre dieser einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt, sodass diese Tätigkeit ausscheidet. Grundsätzlich dürfte davon ausgegangen werden, dass infektionsträchtige ärztliche Tätigkeiten die Ausübung des Berufes ausschließen. Allerdings ist eine Tätigkeit denkbar, in der kein unmittelbarer Patientenkontakt besteht. Dennoch sollte sich der infizierte Arzt überlegen, dass er/sie für die Übertragung einer Infektion haftet, wenn a) der Patient über das Risiko nicht aufgeklärt worden ist und b) hierin nicht hat einwilligen können.
Bei einer Infektion haftet erst einmal der Arbeitgeber für die Folgekosten, der aber regelmäßig gegen solche Betriebsunfälle versichert ist. Diese Versicherung sollte aber nicht darüber hinweg täuschen, dass lediglich eine monatliche Rente an den Berufsunfähigen gezahlt wird, die nicht sehr hoch ist.
Frage: Wenn ich mir eine Verletzung durch eine Nadel zuziehe, mit der ich vorher einem Patienten Blut abgenommen habe, kann ich dann einen HIV-Test oder Hepatitis B/C-Test des Patientenblutes anfordern?
Antwort: Ja, Sie bzw. der Arbeitgeber sind dazu sogar verpflichtet, da festgestellt werden muss, ob von Ihnen künftig eine Ansteckungsgefahr ausgeht.
Im übrigen besteht eine Meldepflicht nach § 294a SGB V (neu eingefügt), wonach Ärzte und Krankenhäuser gegenüber den Krankenkassen melden müssen(!), falls eine Krankheit vorliegt, die auf einen Unfall zurückzuführen ist, da dann der Unfallversicherungsträger hierfür die Kosten übernimmt. Ein Unterlassen einer solchen Meldung kann das Krankenhaus oder den niedergelassenen Arzt schadensersatzpflichtig machen.
Weitere Fragen (Klick):
Haben ein Eltern ein uneingeschränktes Auskunftsrecht gegenüber ihren Kindern?
Dürfen Patienten in ihre Krankenakte Einsicht nehmen?
Worauf ist bei der Notfallbehandlung bei Zeugen Jehovas zu achten?
Wann kann auf die Patientenaufklärung verzichtet werden?
Wer haftet, wenn Ärzte nach überlangem Dienst Fehler begehen?
Darf man als PJler bzw. Famulant gegenüber Patienten Auskunft geben?
Gibt es in der ärztlichen Hierarchie eine interdisziplinäre Weisungsbefugnis?
Greift die Schweigepflicht auch gegenüber Angehörigen?