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- Sven Jungmann
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- 25.08.2015
Drei Wege zum E-Health Pionier – Teil 1: Studium und Fortbildung
Neue Computerprogramme werden die Medizin revolutionieren. Wer Spaß am Programmieren und neuen Technologien hat, kann im Bereich E-Health Karriere machen. Doch wie schafft man den Einstieg?
Viele Wege führen in den Bereich E-Health. ©endrille/Fotolia.com
Glückwunsch zum richtigen Riecher
Die Reaktionen auf meinen Artikel über die Chancen der digitalen Zukunft der Medizin haben gezeigt, dass sich viele junge Medizinstudierende für den Bereich E-Health interessieren. Die Rückmeldungen machten aber auch klar, wie undurchsichtig die eHealth-Szene für die meisten deutschen Medizinstudenten ist.
Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, um deine Karriere als E-Health-Pionier zu starten:
1. durch Aufbaustudiengänge oder Fortbildungen,
2. über eine Doktorarbeit und
3. via Nebenjobs mit eHealth-Bezug und Hackathons.
Dieser Artikel liefert eine kleine Orientierungshilfe durch die internationalen Studienangebote. Über Dissertationen und Nebenjobs wird es einen separaten Artikel geben.
Welche Rolle passt zu dir?
Zu allererst solltest du dich fragen, was dir am meisten Freude bereitet. Bist du mehr der Techie, der Spaß am Programmieren hat oder früher gerne mit dem Elektrobaukasten gespielt hat? Oder Interessieren dich die menschlichen und (organisations-)psychologischen Aspekte von Technologie und Innovation mehr?
Beides ist wichtig, denn wie man bereits aus der 'klassischen' Laborforschung weiß, gibt es unzählige Barrieren, die die Übersetzung neuer Erkenntnisse in die klinische Praxis erschweren. Diese Barrieren zu verstehen und zu umgehen ist eine Wissenschaft für sich, die man "Translational Research" getauft hat.
Die E-Health-Revolution braucht beides in großen Mengen: Grundlagenforscher und 'Change Manager'. Die Wahl von Zusatzausbildungen sollte deshalb in erster Linie davon abhängen, was du am spannendsten findest. Ein Grundverständnis davon, wie Programme funktionieren, was Software-Architektur ist und wie Programme entwickelt werden, sollte jedoch jeder besitzen.
Deutsche E-Health-Fortbildungen
In Deutschland sind die Angebote eher schmächtig. Es gibt zwar eine Zusatzweiterbildung nach einem Curriculum der Ärztekammer, das ist jedoch nicht sonderlich innovativ und erfreut sich keiner großen Nachfrage. Aber es gibt viele Institute für Medizininformatik und manche medizinischen Fakultäten haben Partnerschaften mit den informatischen Lehrstühlen ihrer Universität etabliert. Es lohnt sich, hier etwas in den Suchmaschinen zu stöbern.
Fortbildungen mit überschaubarem Zeitaufwand
Wer einen einfachen und kostengünstigen Start sucht, kann sich auf MOOC-Plattformen wie Coursera, edX oder der Khan-Academy nach online Kursen umschauen. Wer ein wenig programmieren lernen möchte, findet zum Beispiel auf Codecademy ein gutes Lernprogramm.
Zudem gibt es Intensivkurse, wie zum Beispiel am Recurse Center in New York oder teure Hochschulzertifikate wie das "Safety, Quality and Informatics Leadership Program", was nach einem erfolgreichem Abschluss sogar ermöglicht, Associate Member der Harvard Medical School zu werden.
Vollwertige Studiengänge
Und dann hat man noch vollwertige Studiengänge mit Bachelor- und Masterabschluss zur Auswahl. Vergiss den Bachelor. Die dauern mindestens drei Jahre, kosten viel Zeit (und oft auch Geld) und verlangen üblicherweise Praktika, die sich schwer mit dem Medizinstudium oder dem Arztberuf kombinieren lassen. Dazu ist ihr Marktwert ist gering, vor allem für einen Mediziner.
Man braucht übrigens nicht immer zwingend einen Bachelor-Abschluss, um einen Master machen zu können. Ich habe meinen ersten Master of Science als Fernstudium an der renommierten London School of Hygiene and Tropical Medicine schon während meines Medizinstudiums anfangen dürfen. Ich habe das damals so argumentiert, dass ich in meinen ersten drei Jahren Medizinstudium bereits deutlich mehr ECTS-Punkte erworben hatte als jeder Bachelorabsolvent je haben würde. Da wir ja in Deutschland kein Bachelor- und Mastersystem im Medizinstudium haben, akzeptierten die Londoner meine Bewerbung und ich hatte Zugang zu einer lehrreichen Zusatzausbildung. Auch wenn es vielleicht nicht immer funktionieren wird, ein Versuch ist es allemal wert.
Für E-Health-Begeisterte interessant sind die Fernstudiengänge des University College London. Dort kannst du sowohl einen anwendungsorientierten Master of Science als auch einen (üblicherweise vollfinanzierten) Master of Research absolvieren. Ein gutes Programm gibt's auch am renommierten Karolinska-Institut in Stockholm, dort muss man aber zwei Jahre in Vollzeit studieren. Das lohnt sich durchaus, wenn man die Zeit und das Geld hat, denn Mediziner und Gesundheitswissenschaftler studieren dort zusammen mit Informatikern, sodass man viel voneinander lernen kann. Es muss auch nicht gleich ein vollwertiger Master sein, gerade in England werden zum Beispiel so genannte Postgraduate Certificates oder Diplomas vergeben, die etwas weniger umfangreich sind als ein Master, aber einen guten Einstieg bieten.
Aber auch andere Studiengänge können nützlich sein, wie schon gesagt, technologische Innovation ist primär ein soziologischer und psychologischer Prozess, der starke Führungspersönlichkeiten braucht. Eine häufige Frustration, die Führungskräfte in unserem Gesundheitssystem immer wieder spüren, ist dass Partikularinteressen guten Innovationen oft im Wege stehen.
Vor diesem Hintergrund können auch Masterstudiengänge in Business Administration, Change Management oder Public Policy durchaus interessant sein. Denn da lernst du, Innovationen strategisch geschickt voranzutreiben. Ich habe meinen Master of Public Policy in Oxford gemacht, wo es hervorragende Intensivmodule zu Wissenschaft und Technik gibt.
Den eigenen Weg gehen
Die Möglichkeiten, in die E-Health Szene zu gelangen sind vielfältig, dieser Artikel kann nur erste Inspirationen für deine weitere Recherche liefern. Sicherlich wirst du auf viele Schwierigkeiten in der Umsetzung stoßen, schließlich willst du ja Pionierarbeit leisten. Denke daher stets an Franz Kafka's Aphorismus: „Wege, die in die Zukunft führen, liegen nie als Wege vor uns. Sie werden zu Wegen erst dadurch, dass man sie geht."
Lass dich nicht abschrecken, auch nicht von Finanzierungsproblemen. Du wirst überrascht sein, wie schnell man finanzielle Unterstützung für eine originelle Idee mit potenziell hohem sozialem Mehrwert bekommen kann. Mir hat zum Beispiel Oxford selbst 5.000 Pfund geschenkt, damit ich bei ihnen studiere und Rotary International hat nochmal 30.000$ drauf gelegt. Es gibt auch einige medizinische Fachgesellschaften, die sehr interessante Förderprogramme anbieten und günstige Studienförderungskredite, zum Beispiel von der KfW.
Viel Erfolg beim Innovieren! Sven Jungmann (@s_jungmann.de)
Drei Wege zum E-Health Pionier - Teil 1