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- Ines Elsenhans
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- 03.01.2013
Mediziner in der Industrie: Unternehmensberater
Dr. med. Christoph Bischoff-Everding ist Mediziner und Geschäftsführer der HGC GesundheitsConsult GmbH. Bevor er Kittel gegen Anzug getauscht hat und in die Beratungsbranche gewechselt ist, hat er einige Jahre in der Chirurgie gearbeitet. Ines Elsenhans sprach mit ihm über seinen Ausstieg aus der Medizin und seinen Karriereweg fernab der Klinik.
Arzt in der Unternehmens-
beratung: Dr. Christoph Bischoff-Everding
Herr Bischoff-Everding, wie kamen Sie zum Medizinstudium?
Ich studierte Medizin aus Interesse an der Mischung aus empirischer Medizinkunde und den Naturwissenschaften. Außerdem ist das Medizinstudium sehr attraktiv, sowohl hinsichtlich der Berufsperspektiven als auch der Karrierechancen.
Hat Ihnen das Studium Spaß gemacht?
Ja, sehr. Das Studium war damals allerdings schon in dem Sinne reformiert, dass es die Multiple Choice-Prüfungen gab. Dadurch wurden die Prüfungen stark entpersonalisiert und versachlicht. Auch wurde Praxisnähe damals noch nicht sonderlich groß geschrieben.
Haben Sie im Studium schon gemerkt, dass Sie nicht als Arzt arbeiten möchten?
Nein, diese Erkenntnis hab ich erst während meiner Facharztweiterbildung gewonnen - das war nach den ersten fünf bis sechs Berufsjahren. Ich hab den Facharzt für Chirurgie gemacht. Meiner Meinung nach läuft man als Chirurg jedoch in eine Sackgasse. Die Niederlassungsperspektiven sind nicht sonderlich attraktiv und wenn man High-Class-Chirurgie betreiben möchte, ist man auf große Uni-Krankenhäuser angewiesen.
In der Medizin wiederholt sich irgendwann alles und ich fragte mich, was noch groß kommen sollte. Eine wissenschaftliche Laufbahn wollte ich nicht einschlagen und die Toppositionen waren nur Habilitierten vorbehalten - und ich wollte nicht habilitieren. Das Oberarztdasein schien mir eine ziemlich unattraktive Perspektive zu sein, auf die ich keine Lust hatte. Als Konsequenz begann ich nach rechts und links zu schauen. Vor allem stieg ich aber aus dem Arztberuf aus, weil mich die Ökonomie sehr fasziniert. Nichts ist spannender als Wirtschaft.
Wie sah Ihr Werdegang dann aus?
In den 90er Jahren gab es eine Zeit, in der Mediziner von verschiedenen Organisationen gesucht wurden. Ich bin damals von der großen multinationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG angesprochen worden. Nach knapp zehnjähriger medizinischer Tätigkeit bin ich in die prüfungsnahe Beratung zu Fragen von Organisation und Wirtschaftlichkeit gegangen. Bei KPMG beschäftigte ich mich vor allem mit der Beratung von Medizinmandanten, insbesondere Krankenhäusern und Uniklinika sowie privaten als auch gesetzlichen Krankenversicherungen. Zuerst arbeitete ich probeweise über einen Honorarvertrag. Die Arbeit machte mir so viel Spaß, dass ich insgesamt acht Jahre in der Beratung geblieben bin.
Nach KPMG bin ich zum kommunalen Krankenhausunternehmen Vivantes gewechselt. Dort durfte ich den Bereich für strategische Unternehmensentwicklung leiten. Das war eine interessante Aufgabe an der Schnittstelle zwischen Medizin und Management. Meine Arbeit war es, Management und medizinische Leistungsbereiche zusammenzubringen und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in die Sprache der Klinikärzte zu übersetzen.
Nach Vivantes ging ich 2004 als Geschäftsführer und Gesellschafter zurück in die Beratung nach Hamburg zur HGC GesundheitsConsult GmbH (HGC).
Waren bestimmte Qualifikationen Voraussetzung für Ihren Job in der Wirtschaft?
Ich hatte das Glück und konnte mir über die unternehmensinterne Akademie bei KPMG betriebswirtschaftliche Kenntnisse aneignen. Für meine jetzige Tätigkeit als Geschäftsführer der HGC ist es von großem Vorteil, Medizin studiert zu haben. Die Mitarbeiter, die als Betriebswirte und Gesundheitsökonomen aus der Wirtschaft kommen, sind froh, wenn sie für ihre Beratunsgarbeit eine Medizinerperspektive hinzuziehen können.
Was sind Ihre konkreten Aufgaben?
Gerade entwickeln wir für eine Krankenhausgruppe ein Versorgungskonzept zum Thema Onkologie. Da geht es darum, wie sich die Gruppe in den nächsten Jahren mit ihren onkologisch tätigen Fachabteilungen aufstellen kann, so dass sie bei immer stärkerer ambulanter Dienstleistung am Markt weiterhin eine Rolle mit ihren stationären Einheiten spielt. Ich muss "ambulante Öffnung" betreiben, das heißt, ich muss eine ambulante spezialärztliche Versorgung entwickeln. Der Gesetzgeber verlangt zu Recht, dass dies in Kooperation mit niedergelassenen Ärzten durchgeführt wird.
Ein weiteres aktuelles Thema ist die Frage, wie wir in einem kommunalen Verbund eine Integration verschiedener Krankenhausstandorte in NRW so organisieren, dass über die Fläche einer großen Stadt eine ideale Versorgungsstruktur in den verschiedenen Stadtteilen gewährleistet wird.
Zusätzlich führen wir momentan ein strategisches Controlling einer großen süddeutschen Krankenhausgruppe durch.
Außerdem beraten wir in anderen Segmenten einige medizintechnologisch innovative Anbieter neuer Methoden in der Neurologie und Diabetologie. Wir versuchen, die Innovationen der Unternehmen mit in die Vergütung einzuschließen, damit sichergestellt ist, dass sie auch Geld für ihre Entwicklungen bekommen. Die Krankenkassen sind in diesem Fall unsere Gesprächspartner, aber nicht unsere Mandanten. Wir verhandeln mit ihnen vielmehr Verträge oder Vereinbarungen, die dann zu einem wirtschaftlichen Vorteil unserer Mandanten führen.
Welche Aufgabengebiete gibt es ganz generell für Ärzte in Ihrem Bereich?
Das Beratungsgeschäft ist sehr vielfältig. Man muss Ideenreichtum und Kommunikationsstärke mit einer strukturierten, analytischen Arbeitsweise verbinden. Als Berater schafft man eine Entscheidungsvorlage, die dem Management des Mandanten hilft zu sagen, in welche Richtung es unternehmerisch gehen sollte. Man bringt sich so auch in die Strategiediskussion des Mandanten ein. Dazu benötigt man letztendlich kein Medizinstudium, sondern vielmehr gutes Branchenverständnis.
Wie sieht Ihr Alltag aus?
Der Arbeitsalltag ist sehr von modernen Kommunikationsmedien geprägt. Durch Telefonkonferenzen mit Video kann man an verschiedenen Orten arbeiten. Nur einmal in der Woche bin ich im Büro, häufig sind meine Wochen durch Geschäftsreisen geprägt.
Was schätzen Sie an Ihrer Tätigkeit besonders?
Was mir als Geschäftsführer besonders viel Spaß macht ist die Teamleitung. Also Leute zu motivieren, Potentiale in jungen Leuten zu entdecken und sie auf einen guten Karriereweg zu bringen.
Vermissen Sie die Medizin?
Manchmal ja. Ich denke sehr positiv an meine klinische Zeit zurück. Es gab schließlich auch ein paar klinische Highlights, an denen ich damals mitarbeiten durfte. Ich hab viel Intensivmedizin gemacht und war in einem großen Transplantationszentrum für Leber- und Nierentransplantationen tätig. Das waren schon tolle Erfahrungen. Außerdem durfte ich im Team von Prof. E.S. Bücherl seinerzeit eines des ersten Kunstherzen im klinischen Einsatz sehen. Das sind Erfahrungen, die ich auf keinen Fall missen möchte. Doch irgendwann überwogen dann Wiederholung und Routine.
Hat Ihr Beruf auch Nachteile?
Ja - er ist schlecht mit der Familie zu verbinden. Ich muss früh aus dem Haus, komme erst spät abends heim und bin auch oft am Wochenende unterwegs. Das sind nun einmal die Nachteile von Führungspositionen.
Könnten Sie sich vorstellen, wieder als Arzt zu arbeiten?
Nein, schließlich bin schon seit 18 Jahren aus dem aktiven Geschäft raus.
Was haben Sie für Pläne für die Zukunft?
Mit der Erwartung, dass die Firmenentwicklung weiterhin so erfolgreich ist, sehe ich mich irgendwann nicht mehr in der Geschäftsführung, sondern als Seniorberater in der Partnerposition und schlüpfe so in eine reine Expertenrolle. Ich wäre dann von den ganzen administrativen eines Geschäftsführers entbunden und könnte mich ganz den Inhalten und der Beratung widmen.
Was raten Sie unseren Lesern?
Das was man beruflich macht, sollte man mit Hingabe machen. Zweifelt man, können Praktika helfen, um in andere Bereiche reinzuschnuppern. Auch gut ist etwa eine vorübergehende Mitarbeit in einem Unternehmen auf Honorarbasis. Ich hoffe, dass in Zukunft Themen wie Ökonomie, Gesundheitsforschung und Systemanalyse noch mehr in die ärztlichen Ausbildungscurricula integriert werden. Auch ein Medizinstudent sollte erfahren, wie man wirtschaftlich erfolgreich eine Praxis oder eine Krankenhausabteilung führen kann.