- Interview
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- aki
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- 17.04.2012
Was macht eigentlich ein ... Expeditionsmediziner?
Berge sind seine Leidenschaft - schneebedeckte Hügel und spiegelglatte Eiswände sind für Rainald Fischer Alltag: Er ist ausgebildeter Pneumologe und Expeditionsmediziner. Was ist so faszinierend an der Arbeit in eiskalten Höhen? Und wie kommt man mit der Doppelbelastung Bergsteigen plus ärztliche Verpflichtung zurecht? Darüber haben wir uns mit ihm unterhalten.
> Das Fachgebiet "Expeditionsmedizin" hört sich sehr spannend an. Ist es das auch tatsächlich?
Rainald Fischer: Auf jeden Fall. Das Schöne daran ist, dass das Fachgebiet sehr praxisnah und wenig theorielastig ist. Im Grunde geht es um die Praxis der Bergrettung, zum Beispiel Spaltenbergung oder Rettung aus unwegsamem Gelände -also allesamt Gebiete, in denen man wenig Ressourcen hat. Medizinisch gesehen umfasst das eine große Bandbreite: Angefangen von Reise- und Infektionskrankheiten, über Verletzungen des Bewegungsapparates bis hin zu höhenspezifischen Krankheitsbildern, wie die akute Höhenkrankheit oder das Höhenlungen- und Höhenhirnödem. Dies spielt sich aber natürlich alles in den Bergen ab. Für andere Expeditionen kommt dann eher die Zusatzausbildung Tropenmediziner in Frage.
Alle Fotos: Dr. R. Fischer
>Gibt es Ärzte, die hauptberuflich als Expeditionsmediziner arbeiten?
Fischer: Ich kenne keine hauptberuflichen Expeditionsmediziner, die meisten meiner Kollegen nehmen immer in einer Doppelfunktion an einer Expedition teil: Als Teilnehmer und Arzt. Das ist natürlich ein Interessenskonflikt, der sich nicht so leicht lösen lässt: Zum einen möchte man selbst den Gipfel erreichen, zum anderen ist man auf das Wohl der anderen Expeditionsteilnehmer bedacht.
>Welche Möglichkeiten hat ein Expeditionsmediziner, wenn er mit wenigen Mitteln auskommen muss?
Fischer (lacht): Im Grunde macht der Expeditionsmediziner das, was Ärzte eigentlich immer machen: Er kümmert sich drum, dass alle gesund und munter bleiben. Der Unterschied ist nur, dass die Leute alle auf einen Berg hinauf wollen und vor allem auch unbeschadet wieder herunterkommen sollen. Expeditionen finden meist in Entwicklungsländern statt, die Gebiete sind abgelegen. Auf aufwändige Diagnostik kann man also nicht zurückgreifen. Aber man hat seine fünf Sinne, auf die man sich als Arzt verlassen kann. Viele internistische Erkrankungen kann man mit Medikamenten und einer Infusionstherapie gut behandeln. Wichtig ist aber vor allem, dass der Arzt überhaupt in der Lage ist, zu seinem Patienten zu kommen - auch wenn das in einer senkrechten Wand aus Eis ist. Ein zweiter wichtiger Punkt ist, dass der Expeditionsmediziner sich mit den örtlichen Gepflogenheiten auskennt. Wie wird im Notfall ein Abtransport organisiert? Im Hubschrauber oder doch eher auf Yaks?
>Und welche fachlichen Voraussetzungen braucht man dafür als Mediziner?
Fischer: Beim Expeditionsmediziner handelt es sich um ein freiwilliges Diplom - es ist also keine anerkannte Weiterbildung, daher gibt es fachlich keine Restriktionen. Es wäre aber wünschenswert, die Weiterbildung "Notfallmedizin" vorher abgeschlossen zu haben - eine Pflicht ist dies aber nicht. Schwerwiegender sind eher die körperlichen Voraussetzungen. Man muss sich im Klaren sein, dass man als Expeditionsmediziner die gleichen Ziele erreichen muss, wie die Expeditionsteilnehmer auch. Und das mit der zusätzlichen Belastung, sich als Arzt noch um andere kümmern zu müssen.
>Haben so berühmte Bergsteiger wie Gerlinde Kaltenbrunner bei ihren Unternehmungen auch immer einen Arzt dabei?
Fischer: Soweit ich weiß, in der Regel nicht. Aber auch kommerzielle Expeditionen haben nur selten einen Arzt dabei, es sei denn, es wird speziell damit geworben.
>Und was passiert dann im Ernstfall?
Fischer: Medikamente und Verbandsmaterial führen fast alle Expeditionsteilnehmer mit sich. Im Ernstfall liegt es am Expeditionsleiter, was er daraus macht. Bei organisierten Expeditionen gehen die Teilnehmer schließlich eigenverantwortlich mit. Wenn man als Arzt an einer Expedition teilnimmt, gibt es meist auch nur einen Nachlass auf den Reisepreis, aber kein wirkliches Honorar. Und das obwohl die Verantwortung für den Expeditionsmediziner immens ist. Deshalb fordern wir von der "Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin" auch, dass die Reiseveranstalter die Arbeit der Ärzte entsprechend honorieren.
>Haben Sie selbst denkwürdige Erlebnisse auf einer Expedition oder in den Bergen gehabt?
Fischer: Es ist auffällig, dass gerade Expeditionsmediziner überdurchschnittlich oft selbst erkranken auf einer Expedition. Das liegt sicherlich an der Verpflichtung, die sich Mediziner gegenüber den Expeditionsteilnehmern auferlegen. Auch wenn es einem persönlich nicht so gut geht, versucht man trotzdem, mit den anderen Schritt zu halten - schließlich möchte man niemanden im Stich lassen. Bei einer Expedition auf den Mustagh Ata (7509m hoher Berg im chinesischen Pamirgebirge) bin ich selbst an einem Höhenlungenödem erkrankt, weil ich zu schnell aufgestiegen bin.
>Mussten Sie als Arzt die Expedition dann abbrechen?
Fischer: Nein, ich habe das gemacht, was man in so einer Situation immer machen muss. Ich bin ins Basislager abgestiegen und habe mir später mehr Zeit für die Akklimatisation genommen. Denn wenn ich ehrlich bin, hatte ich schon immer Probleme mit der Höhe.
Lebenslauf Dr. med Rainald Fischer
PD Dr. med. Rainald Fischer wurde im Jahr 1965 geboren, seine Vorliebe für die Berge entdeckte er schon in frühester Kindheit - und machte bei seinen ersten Touren in große Höhen selbst Bekanntschaft mit der akuten Höhenkrankheit. Grund genug für den damals jungen Mediziner, dieser Erscheinung auf den Grund zu gehen: Zu seiner Besteigung auf den 7509m hohen Mustagh Ata nahm er ein Lungenfunktionsgerät mit.
Neben seiner Tätigkeit als pneumologischer Oberarzt an der Ludwig-Maximilians-Universität München, mit den klinischen und wissenschaftlichen Schwerpunkten Asthma bronchiale, COPD und Mukoviszidose, widmet sich der 47-Jährige der Höhenmedizin. Für die Grundlagenforschung auf diesem Gebiet hat der Pneumologe die Möglichkeit, die 2 650 m hoch gelegene Forschungsstation "Schneefernerhaus" auf der Zugspitze zu nutzen - einer Arbeit, die der Mediziner sehr gerne nachgeht.
Rainald Fischer ist Gründungsmitglied und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin (BExMED e.V.). In seiner Freizeit betätigt sich der Münchner nicht nur gerne als Bergsteiger, sondern ist auch als ehrenamtlicher Bergwachtarzt im Einsatz.
Ausbildung zum Expeditionsmediziner
Die Deutsche Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin e.V. bietet in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin die Ausbildung zum Alpinarzt mit dem "Diploma in Mountain Medicine" an. Grundlage dafür sind die Teilnahme an einem Frühjahrs-, Sommer- und Winterlehrgang mit abschließender Prüfung. Neben Inhalten wie Kälte-, Lawinen- oder Höhenmedizin, geht es vor allem auch um die Versorgung von Notfällen, die bei den unterschiedlichen Spielarten des Bergsteigens vorkommen.
Nachdem man die Ausbildung zum Alpinarzt durchlaufen hat, kann man sich zusätzlich noch auf Expeditionsmedizin und Bergrettung spezialisieren. Alle Kurse und Abschlüsse werden sowohl von der Medizinischen Kommission des Weltbergsportverbandes (UIAA), wie auch der Internationalen Kommission für Alpines Rettungswesen (IKAR) und der "International Society for Mountain Medicine" (ISMM) anerkannt. Weitere Informationen gibt es auf folgenden Internetseiten:
Homepage der Deutschen Gesellschaft für Berg- und Expedition