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- Carla
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- 27.11.2020
Darauf solltest du bei der Stellenwahl achten
Es ist nicht immer ganz einfach, den passenden Arbeitsplatz zu finden. Carla hat schon in verschiedenen Kliniken gearbeitet und erzählt, worauf du bei der Arbeitsplatzwahl achten solltest.
Assistenzarztstellen gibt es zurzeit wie Sand am Meer, aber bekanntlich ist nicht alles Gold, was glänzt. Liest man die Stellenanzeigen im Deutschen Ärzteblatt, locken potentielle Arbeitgeber mit bezahlten Überstunden, geregelten Dienstplänen, Weiterbildungsmöglichkeiten und einer guten Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Die Realität sieht hingegen insbesondere an den Unikliniken meistens ganz anders aus: Man kann eigentlich schon von vornerein von einer 50 oder 60 Stunden Woche ausgehen und Überstunden werden als selbstverständlich eingefordert und weder bezahlt noch durch Freizeit kompensiert. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber ich habe selbst erlebt, wie es ist, wenn man nach 36 Stunden Arbeit ohne Ende noch 40 Verbandwechsel machen muss. Dann darf man kurz nach Hause und hat am nächsten Tag schon wieder Dienst.
Also: Augen auf bei der Stellenwahl! Ich habe jetzt in den vergangenen vier Jahren achtmal die Stelle gewechselt. Das ist natürlich schon besonders oft, hatte aber jedes Mal seine Gründe. Meistens waren die Arbeitsbedingungen so schlecht, dass ich es schon rein körperlich gar nicht lange ausgehalten hätte. Dann kamen auch noch private Ereignisse dazu, weshalb ein Stellenwechsel zwingend nötig war. Jetzt, acht Stellenwechsel später, bin ich tatsächlich angekommen. Das Arbeitsklima stimmt, die Arbeitsbedingungen sind vertretbar, die Dienstpläne sind sechs Wochen vor Gültigkeit geschrieben und Überstunden kommen eher selten vor oder beschränken sich dann auf ein bis zwei Stunden.
Was will ich damit sagen? Auf jeden Fall immer kritisch hinterfragen, was der jeweilige Chefarzt im Bewerbungsgespräch verspricht. Am besten mit Assistenten sprechen und unbedingt hospitieren. Vielleicht auch mal im Internet nach Erfahrungsberichten zur jeweiligen Klinik schauen und kritische Fragen stellen. Und auch mal mit dem Pflegepersonal sprechen, nach dem Eindruck fragen. Das ist ganz wichtig.
Worauf sollte man auf jeden Fall bei der Stellenwahl achten? Ich habe mal – erfahrungsbasiert – ein paar Punkte zusammengetragen:
• Fachrichtung: Habe ich das potenzielle Fach schon mal ausprobiert? Weiß ich, was mich erwartet? Möchte ich lieber im OP arbeiten (Anästhesie, Chirurgie), oder interessiere ich mich für medikamentöse Therapie und nicht-invasive Diagnostik (Innere Medizin, Orthopädie, Radiologie)?
• Eigene Fähigkeiten und Fertigkeiten: Bin ich geschickt bei invasiven Verfahren oder habe ich eher zwei linke Hände am OP-Tisch? Brauche ich viel Action, oder möchte ich lieber viel alleine in Ruhe im Arztzimmer Briefe diktieren? Kann ich gut mit Patienten und Angehörigen umgehen, oder fällt mir eine empathische Gesprächsführung schwer? Hier empfiehlt sich eine persönliche Liste mit Stärken und Schwächen aus der Studienzeit.
• Arbeitsbedingungen: Komme ich gut mit Wechselschicht und Nachtdiensten zurecht, oder neige ich zu Schlafstörungen? Sind meine Lebensumstände mit Diensten kompatibel? Muss ich Angehörige betreuen, oder meine Kinder? Was sagt mein Partner zu Schichtdiensten? Sind Dienste mit meinen Hobbies (z.B. im Sportverein mit festen Trainingszeiten) vereinbar? Brauche ich einen Job mit geregelten Arbeitszeiten? Wie stehe ich zu Überstunden?
Das waren natürlich nur ein paar Beispiele, die aber in einem Schritt bei der Selektion auf dem Weg zur passenden Stelle helfen könnten.
Und hat dann der neue Job begonnen ist Durchhaltevermögen gefragt: Der Anfang ist immer schwer, gerade in der Einarbeitung ist man abhängig von Kollegen und hat meistens Tagdienst. Sollten die Bedingungen auf Dauer gar nicht auszuhalten sein, dann den Stellenwechsel nicht scheuen. Gerade in der Medizin ist es nicht verwerflich, wenn man verschiedene Fächer und Kliniken ausprobiert. Ich kann nur allen Unentschlossenen den Mut machen, einfach mal zu starten und zu testen, ob das jeweilige Fach zu einem passt. Arbeitsklima und vor allem auch Arbeitsbedingungen müssen stimmen, damit sich der Job dauerhaft ins Leben einfügt und auch Freizeitaktivitäten noch möglich sind. Und wie mein Beispiel zeigt, sind Stellenwechsel keinesfalls verwerflich. Natürlich war es sehr anstrengend, jedes Mal von vorne anzufangen. Aber die Erfahrungen aus den unterschiedlichen Fächern kann mir niemand mehr nehmen.