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  • Eckart von Hirschhausen
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  • 05.03.2009

Heiteres Berufungsraten

Jeder ist seines Glückes Schmied. Aber nicht jeder Schmied ist glücklich! Juristen sind oft unglücklich, aber ich kenne auch sehr glückliche Juristen.

Aus: "Glück kommt selten allein" von Eckart von Hirschhausen

Ein Freund von mir, nennen wir ihn Florian, obwohl er eigentlich Bernhard heißt, ist für mich ein echter Lebenskünstler. Es reiche ihm, sagte er, von montags bis mittwochs in seiner Kanzlei zu arbeiten, die anderen Tage würde er lieber malen, sich um seine Tochter kümmern und mit Freunden kochen. Es gab Aufruhr und Protest. Ein Skandal, er müsse doch ständig erreichbar sein und so weiter. Florian setzte seine Idee durch und stellte fest: "Ich war in den drei Tagen so gut drauf, dass ich viel mehr geschafft habe als die Jungs, die die ganze Woche bis nachts da hockten."

Langsam spricht es sich auch in Unternehmen herum, dass Herumsitzen noch kein Zeichen von sinnvollem Arbeiten ist. Einige Firmen haben begonnen, nach Resultaten zu bezahlen und nicht nach Anwesenheitszeit. Sie zahlen für die geistige Anwesenheit, nicht für die körperliche. In vielen Jobs geht es nicht mehr darum, mit seinem Körper sein Geld zu verdienen, sondern eine Idee zu haben, auf die vor einem noch keiner gekommen ist. Und die kommt eben leichter im Übergang zwischen Anstrengung und Entspannung, beim Schwimmen eher als beim "Meeting".

Ein Personalleiter einer großen Hotelkette verriet mir seine Beobachtung: "Wer es hasst, Koffer zu tragen, trägt ein Leben lang Koffer. Wer es aber gerne tut, wird schnell befördert zu anderen Aufgaben." Solange man nicht das tut, was man liebt, kann man ja versuchen zu lieben, was man tut, und darin besser zu werden.

Die Sache hat nur einen großen Haken: Wird man immer weiter befördert, landet man dort, wo man eigentlich nie hinwollte. Der engagierte Lehrer wird Rektor und macht Dienstpläne. Der begeisterte Arzt wird Chefarzt und wirbt hauptsächlich Drittmittel ein. Weil wir das, was wir gerne machten, nicht mehr machen können, sondern andere dabei beaufsichtigen, verwalten und kontrollieren, werden wir unzufriedener. Und so mutieren die meisten netten Menschen ab einer bestimmten Ebene plötzlich zum Monster, machen wir uns doch nichts vor. Und wer bis Mitte 30 keinen Job hat, wo er andere befehligen kann, bekommt eben Kinder …

Was wir als "Erfolg" definieren, hängt maßgeblich von unserem Lebensalter ab - und sollte gelegentlich angepasst und aktualisiert werden. Der Zyklus des Lebens ist ein Zirkelschluss: Erfolg ist mit einem Jahr, nicht in die Hose zu machen. Mit 25 Sex zu haben. Mit 50 viel Geld. Mit 75 noch Sex zu haben und mit 90 - nicht in die Hose zu machen.

Spätestens ab der Pubertät muss jeder Jugendliche ständig erklären, "was er mal werden will". Dazu gibt es eine Antwort:"Ich bin schon!" Warum die Erwachsenen alle Jüngeren mit der Frage nach dem Berufswunsch nerven, ist doch klar: Die suchen händeringend nach guten Ideen für sich selbst!

Nicht nur Fernsehredakteure gehen täglich in eine "Anstalt". Nicht alles, was man mit einem ernsten Gesicht tut, ist deshalb schon vernünftig. Dennoch laufen viele Menschen mit einem Gesicht herum, als wäre das ganze Leben eine Strafe. Mit Mitte 30 sind sie gefühlte 65, und aus Mitleid will man sie eigentlich schon jetzt in Rente schicken. Ich möchte denen am liebsten ein Schild auf ihren Schreibtisch stellen: "Ich weiß nicht mehr, was ich als Kind werden wollte, aber das hier war es sicher nicht!"

Wer sein Hobby zum Beruf macht, muss nie mehr arbeiten. Ich kann das nur empfehlen. Ob Ihre Arbeit schon etwas von "Berufung" hat, können Sie mit einer Frage für sich klären: Würde ich das auch tun, wenn ich kein Geld dafür bekäme? Das muss man ja dem Chef in der Gehaltsverhandlung nicht sagen, aber für einen selbst ist das eine gute Frage. Wofür setze ich mich gerne ein? Woran hängt mein Herz? Was möchte ich mit meiner Lebenszeit und Energie wirklich bewegen? Und warum bewege ich mich dann nicht mal aus den bekannten Bahnen? Wir brauchen mehr Verrückte, schauen Sie sich an, wohin uns die Vernünftigen gebracht haben!

Berufungs-Check

  • Würde ich das, was ich für Geld tue, auch ohne Bezahlung tun?
  • Denke ich: "Erst die Arbeit und dann das Vergnügen", oder macht mir mein Job auch währenddessen
    Freude?
  • Nutze ich meine wesentlichen Stärken in meiner Arbeit?
  • Bekommt es jemand mit, wenn ich mich anstrenge?
  • Bekomme ich mit, wenn jemand mitbekommt, dass ich mich anstrenge?
  • Bin ich überfordert oder unterfordert?
  • Lerne ich noch etwas dazu?
  • Wenn ich nochmal von vorn anfangen könnte - würde ich so was wieder machen?
  • Arbeite ich mit Menschen, mit denen ich gerne zu tun habe?
  • Freue ich mich am Morgen auf etwas anderes als auf die Pausen und den Feierabend?
  • Trage ich zu einem Wert bei, der größer ist als ich, der über mich hinausweist, der auch weiter Bestand
    hat, wenn ich nicht mehr dabei bin?
  • Macht die Arbeit für mich Sinn? Und für andere auch?

Wer eignet sich fürs Medizinstudium?

Diskutieren Sie mit im Redaktionsblog! -> Einserkandidaten oder gute Auswendiglerner?

 


 

 

   

Glück kommt selten allein...

Eckart von Hirschhausen

Rowohlt Taschenbuch-Verlag

2. Auflage, 2/2009

ISBN-13: 978-3498029975

Preis: 18,90 Euro

Der Abdruck erscheint mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlags.

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