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  • Anna Wolter
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  • 11.12.2014

Facharztcheck Innere Medizin - Fach der unbegrenzten Möglichkeiten

Kein anderes Fach ist so vielseitig wie die Innere Medizin. Zu sagen: „Ich will Internist werden!“, reicht deshalb nicht. Wer sich heutzutage für dieses Fach entscheidet, muss für sich klären: In welchem Bereich möchte ich Internist sein?

 

 

Oberarztvisite auf der internistischen Intensivstation: Von schwerer Lungenentzündung über Sepsis bis zum akuten Herzinfarkt – hier werden alle kritisch kranken Patienten aus dem gesamten Spektrum der Inneren Medizin behandelt. 

 

Es sollte ein schöner Tag werden für Herrn Wolff * und seine Familie. Seine Tochter heiratet. Doch die Aufregung ist zu groß. Als das frischvermählte Paar die Kirchentreppe herabsteigt, bricht er zusammen. Herr Wolff klagt über Schmerzen in der Brust und schnappt verzweifelt nach Luft. Seine Frau ruft sofort den Notarzt. Jetzt liegt der 63-Jährige im Herzkatheterlabor des Stuttgarter Karl-Olga-Krankenhauses.

 

Unter den wachsamen Augen ihres Chefarztes punktiert Dr. Sibel Catalkaya die A. femoralis in seiner Leiste und führt einen dünnen Schlauch in das Blutgefäß ein. Den Katheter schiebt sie bis zu den Herzkranzgefäßen vor. Dann spritzt sie Kontrastmittel. Ihr Blick ist dabei an den Bildschirm geheftet, auf dem das Blutgefäßsystem des Herzens sichtbar wird. Da ist sie! Eine Engstelle im vorderen Bereich des Ramus interventricularis anterior (RIVA). Zusammen mit ihrem Chefarzt entscheidet sie sich für eine Ballondilatation mit anschließender Implantation eines Stents. Im Schaltraum haben die Schwestern die Vitalwerte im Blick. Zwei Stunden später atmen alle auf: Die Stenose ist beseitigt – und Herrn Wolff geht es gut.

 

Für Sibel Catalkaya sind solche minimalinvasiven Interventionen Alltag. Die Ärztin steht am Anfang ihres sechsten und letzten Jahres der Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie. Den Großteil ihrer Arbeitszeit verbringt sie in einem der zwei Herzkatheterlabore, wo sie unter anderem lernt, wie Herzkatheteruntersuchungen und PTCAs durchgeführt oder Stents gelegt werden. Ihr Tag beginnt um 8.00 Uhr mit einer Besprechung der Nachtschicht. Im Anschluss schaut sie ihre Akten durch und startet mit der Visite.

 

 

Dr. Sibel Catalkaya beim Blutabnehmen. Die Stationsarbeit macht für die junge Katheterassistentin nur einen kleinen Teil ihres Arbeitsalltags aus. Zurzeit betreut sie nur vier Patienten, um möglichst viel Zeit im Herzkatheterlabor verbringen zu können. 

 

Zurzeit betreut sie vier Patienten – somit nimmt der morgendliche Rundgang wenig Zeit in Anspruch, und Dr. Catalkaya kann sich im Herzkatheterlabor auf Punktionsnadel und Führungsdraht konzentrieren. „Ich bin sehr gerne im Labor“, erzählt die Assistenzärztin. „Die handwerkliche Arbeit macht mir Spaß. Anfangs dachte ich, dass ich zwei linke Hände habe! Aber mit viel Übung und einer guten Anleitung klappte es immer besser.“

 

Da die Station gleich neben den Katheter­laboren liegt, hat sie kurze Arbeitswege und ist immer schnell zur Stelle, z. B. um einen Neu­zugang wie Herrn Wolff aufzunehmen. Um 12.20 Uhr findet die Mittagsbesprechung mit der Röntgendemo statt. Der Nachmittag gestaltet sich ruhiger, und sie kann sich dem Papierberg auf dem Schreibtisch widmen, oder sie schaut nochmals im Labor vorbei. Wenn nichts da­zwischenkommt, ist um 16.30 Uhr Feierabend.

 

Spezialist oder Generalist?

Rund 45.500 Internisten gibt es zurzeit in Deutschland. Fast 15.000 davon haben sich auf ein Fachgebiet spezialisiert. Dabei ist die Kardiologie nur eine denkbare Option. Die Auswahl ist groß: Wer gerne handwerklich arbeitet, hat vielleicht bei der Durchführung von Endo­skopien oder Koloskopien Freude und wird Gastroenterologe. Eher pharmakologisch geht es in der Endokrinologie und Diabetologie zu, wo Erkrankungen der hormonbildenden Drüsen im Vordergrund stehen. Rund um die Niere dreht es sich in der Nephrologie: Hier hat man es ­unter anderem mit chronischen Nieren- und renalen Hochdruckerkrankungen zu tun, und die Durchführung von Dialysen und Nierensonografien steht auf der Tagesordnung.

 

 

Die meisten internistischen Patienten sind betagt und häufig multimorbide. Um ihren Ansprüchen gerecht zu werden, ist die deutschlandweite Einführung des Facharztes für Innere Medizin und Geriatrie in der Diskussion. Bisher bieten ihn nur drei Bundesländer an. 

 

Pneumologen kümmern sich vor allem um chronische Lungen­erkrankungen, Bronchialkarzinome oder ­pulmonale Hypertonien. Weitere Op­tionen sind die Angiologie, die Hämatologie und ­Onkologie oder die Rheumatologie. Eine gute Nachricht für Unentschlossene: Die Ent­scheidung muss nicht gleich zu Beginn der Ausbildung getroffen werden. Alle Weiterbildungs­möglichkeiten bauen auf eine dreijährige Grundausbildung auf. Erst danach muss man wählen. Und für diejenigen, die sich auch dann nicht auf ein Fach fokussieren möchten, sondern sich eine universelle Ausbildung wünschen, bietet sich der Facharzt ohne Schwerpunkt an. Hier wird die ganze Bandbreite der inter­nistischen Medizin abgedeckt.

 

Sibel Catalkaya erinnert sich noch gut an ihre Grundausbildung, die sie in der Gastroenterologie, der Kardiologie und auf der Intensiv­station verbrachte: „In den ersten Jahren lernte ich vor allem die Stationsarbeit kennen. Ich bekam einen Überblick über die verschiedenen Krankheitsbilder, übte den Umgang mit Patienten und gewöhnte mich vor allem an die organisa­torische Arbeit“, erzählt sie. „Nebenher hatte ich immer die Möglichkeit, in die Funktions­bereiche zu gehen."

 

Zum Beispiel konnte ich auf der Gastroenterologie Abdomensonos durchführen oder bei Gastroskopien und Kolos­kopien zuschauen. Auf der Kardiologie war ich bei Echokardiografien oder Schrittmacher­untersuchungen dabei.“ Für die schwerpunktspezifische Weiterbildung ging sie dann für weitere drei Jahre auf die kardiologische Station. Hier macht ihr die Arbeit als Katheterassistentin bisher am meisten Spaß.

 

Auch Lisa Pertzborn arbeitet auf einer kardiologischen Station. Sie sieht das Herzkatheterlabor aber eher selten von innen. Gerade hat sie ihr drittes Jahr im Sankt-Elisabeth-Krankenhaus in Neuwied begonnen. Zwar darf auch sie ins Labor und bei Eingriffen zusehen, aber neben der Stationsarbeit – sie betreut zwölf Patienten – hat sie dafür kaum Zeit. Schlimm findet sie das nicht: „Die interventionellen Methoden sind natürlich spannend, aber ich fände es schade, den ganzen Tag im Katheterlabor zu stehen“, erklärt sie.

 

Am Vitaldatenmonitor überwacht Sibel Catalkaya die Parameter ihrer Patientin. Je nach Krankheitsbild und Begleiterkrankungen bleiben die Patienten zwischen wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten
auf der Intensivstation.

 

Ich bin gerne auf Station und habe Kontakt mit den Patienten.“ Deshalb hat sie auch keinen Schwerpunkt gewählt – sie will sich lieber als Hausärztin niederlassen. „Ich habe mich für dieses Fach entschieden, weil es inhaltlich so breit gefächert ist. Bei einer Spezialisierung geht es oft nur noch um ein Organ. Ich möchte aber Familienmedizin machen und meine Patienten und ihr Umfeld richtig kennenlernen“, erzählt sie.

 

Forderndes Fach mit Perspektive

Ärzte wie Lisa Pertzborn werden in Deutschland dringend gebraucht. Hausärzte finden bereits keine Nachfolger mehr, viele ländlich gelegene Praxen stehen leer. Doch aus der Inneren Medizin bekommt der hausärztliche Bereich wenig Nachschub, weil sich immer mehr junge Internisten heutzutage auf eine Subspezialisierung konzentrieren.

 

Prof. Dr. Ulrich Fölsch, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, hält diesen Trend für gefährlich: „Es ist zwangsläufig so, dass durch die Fortschritte in den einzelnen Bereichen immer mehr Spezialisten benötigt werden – diese Entwicklung ist ja auch zu begrüßen. Trotzdem ist es ungeheuer wichtig, die Innere Medizin zusammenzuhalten! Denn es ist ausgeschlossen, dass sich kleine Krankenhäuser zehn inter­nistische Spezialisten leisten können. Deshalb brauchen wir Kollegen, die die Innere Medizin in ihrer Gesamtheit verstehen und den menschlichen Organismus als Einheit sehen.“

 

Dabei ist der Trend zur Spezialisierung durchaus keine Erscheinung des 21. Jahrhunderts. Schon vor 130 Jahren klagte der Internist Friedrich Theodor von Frerichs, Pionier der experimentellen klinischen Medizin, dass zu viele Bereiche aus seinem Fach abwandern. Damals machte ihm die Abspaltung der Neurologie und Dermatologie Sorgen. Von Frerichs war ein Generalist mit Leib und Seele. Er forschte an Nierenkrankheiten, schrieb Buchkapitel über die Verdauung und die Synovia und verfasste sein letztes Werk über den Diabetes – und Augenarzt war er auch noch.

 

Dies war für einen Arzt seiner Zeit gar nicht so ungewöhnlich. Egal ob Erkältung oder Vergiftung, Ver­dauungsprobleme oder Bronchitis, Krebs oder Kinderlähmung, zuständig war meist nur ein Arzt – eben der Innere Mediziner, der sich zunächst um alles kümmerte, was nicht von Chirurgen versorgt werden musste.

 

Deshalb wird die Innere Medizin seit jeher als „Königsdisziplin“ bezeichnet. Und den Titel trägt sie auch heute noch zu Recht. Kein anderes Gebiet umfasst ein so breites Spektrum und fordert solch ein hohes Maß an Fachwissen. Für viele macht gerade das den Reiz aus – andere hingegen schreckt es ab. Lisa Pertzborn kann die Bedenken gut nachfühlen: „Die Details zu allen Patienten mit Laborwerten, Medikation und Nebendiagnosen präsent zu haben – das ist eine riesige Herausforderung.

 

 

Die kathetergeführte Ablation ist Routine für Kardiologen. Durch sie können Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern therapiert werden. 

 

„Die ersten Wochen meiner Ausbildung fand ich ganz furchtbar. Aber im Laufe der Zeit nimmt man sehr viel Wissen auf, und Diagnosen wiederholen sich.“ Das Fach bringt allerdings auch zeitliche Entbehrungen mit sich. Keineswegs jeder Arzt kann kurz vor fünf die Klinik verlassen, wie das Dr. Catalkaya häufig gelingt. Vor allem in ­größeren Kliniken muss man damit rechnen, dass der Arbeitstag erst in den Abendstunden endet.

 

Teilzeitstellen sind nach wie vor Mangelware und oft auch nicht einfach zu realisieren, da viele Patienten eine intensive Betreuung brauchen. Wer Interesse an der Inneren Me­dizin hat, sollte sich dennoch nicht entmutigen lassen, denn sie bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten und hervorragende Berufsaus­sichten. Vom angestellten Arzt in der Klinik oder in einer Praxis bis zur Niederlassung in eigener Praxis ist alles drin.

 

Und kaum ein anderes Fach ist wissenschaftlich so aktiv: Vor allem in der Erforschung der Vorgänge bei chronischen Entzündungen wie Rheuma sowie in der Diabetes-Forschung sind in den nächsten Jahren verheißungsvolle Entwicklungen zu erwarten. Besonders hoch wird außerdem die perso­nalisierte Medizin gehandelt. Das Ziel: Gen­sequenzen oder das ganze Genom der Patienten zu entschlüsseln, um anhand dieser Daten individuelle Therapien zu entwickeln.

 

Für angehende Internisten stehen also viele Türen offen. Und kaum einer, der den Weg der Inneren Medizin gewählt hat, bereut diesen Schritt heute. Vor allem Ärzte, die die Medizin als großes Ganzes begreifen und trotz aller Spezialisierungen die Zusammenhänge hinter den Krankheiten ihrer Patienten verstehen möchten, sind in diesem Fach gut aufgehoben. Denn, wie schon von Frerichs einst so schön sagte: „Die Innere Medizin ist kein Teil der Heilwissenschaft, sie ist deren Kern!“

 

Infos zur Inneren Medizin

Keine andere Fachweiterbildung bietet so viele Entwicklungsmöglichkeiten wie die Innere Medizin. Für den, der die ganze Bandbreite des Gebiets abdecken möchte, bietet sich der Facharzt Innere Medizin ohne Schwerpunkt an. Der Vorteil: Bereits nach fünf Jahren kann man sich den Facharzt ans Revers heften. Ein Jahr länger, also insgesamt sechs Jahre, dauert die Ausbildung zum Facharzt mit Schwerpunkt. Beiden Weiterbildungswegen liegt eine dreijährige stationäre Basisweiterbildung zugrunde.

 

Alternativ können danach auch zwei Jahre in der ambulanten haus­ärztlichen Versorgung verbracht werden und man darf sich nach bestandener Prüfung Allgemeinmediziner nennen. Wer nach der Grundausbildung merken sollte, dass er aufs falsche Pferd gesetzt hat, muss sich keine Sorgen machen. Denn: Erfahrungen in der Inneren Medizin sind für viele Facharztweiterbildungen anrechenbar.

 

Warum lohnt es sich, Internist zu werden?

 

 

Prof. Dr. Ulrich Fölsch:

Mit einem Patienten in engem Kontakt zu stehen, ihn zu betreuen und Zuspruch zu geben – das ist das Schöne an diesem Facharzt. Diese intensive Interaktion mit den Patienten führt dazu, dass man fast jeden Tag zufrieden nach Hause geht. Als Gastro­enterologe war ich täglich interventionell endoskopisch tätig. Das hat mir viel Spaß gemacht, und bis heute habe ich den Schritt, Internist zu werden, nicht bereut.

 

 

Dr. Albert Sarrazin:

Die Innere ist das ­umfangreichste Fach in der Medizin. Deshalb bekommt man als Internist eine gute Übersicht über das, was Krankheiten ausmacht. Als hausärztlicher Internist hat man natürlich seine Grenzen und muss im Bedarfsfall an den entsprechenden Facharzt überweisen. Aber diese koordinierende Funktion und die Zusammenarbeit mit den Spezialisten macht wirklich Spaß.

 

 

 

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