- Facharztcheck
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- Christian Klein
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- 24.07.2008
Weiterbildung Allgemeinmedizin
In Mecklenburg-Vorpommern ist jeder vierte Hausarzt älter als 60 Jahre. Schon heute finden rund 40 Hausarztpraxen keinen Nachfolger mehr. Die Universitätsklinik Rostock und die Kassenärztliche Vereinigung kämpfen jetzt gemeinsam gegen den drohenden Versorgungsmangel. Mit einer neuen Verbundweiterbildung für junge Ärzte und mit finanziellen Anreizen soll der Weg zum Facharzt für Allgemeinmedizin schmackhaft gemacht werden.
Allgemeinmedizin - ein vielseitiges Berufsfeld
Der Allgemeinmediziner ist meist die erste Anlaufstelle eines Patienten bei Gesundheitsfragen. Er sieht und therapiert eine Vielzahl verschiedener Erkrankungen und muss den Überblick über die gesundheitlichen Probleme des Patienten behalten.
Als Generalist, der auch psychische und soziale Aspekte betrachtet, braucht der Hausarzt eine besonders breite Ausbildung.
Schwierigkeiten bei der Ausbildung zum Facharzt
Bisher war die Facharztausbildung schwierig, weil oft der Wechsel zwischen den verschiedenen Abteilungen nicht reibungslos funktionierte. Der werdende Hausarzt musste sich selbst auf freie Stellen in der Inneren Medizin, in der Chirurgie und in der Kinder- und Jugendmedizin bewerben, um seinen Weiterbildungskatalog abzuarbeiten. Dabei taten sich oft Lücken auf, weil die Kliniken die freien Stellen lieber mit jungen Medizinern besetzten, die auch in der eigenen Fachrichtung weiterarbeiten wollten. Natürlich kam es auch vor, dass gerade keine Stellen frei war.
Eine neue Verbundweiterbildung soll die Situation verbessern
Ein Kooperationsvertrag zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern und dem Universitätsklinikum Rostock soll diese Situation jetzt verbessern.
In Zukunft werden junge Allgemeinmediziner mit beweglichen Planstellen ausgestattet, die es ihnen ermöglichen, unkompliziert zwischen den einzelnen Abteilungen des Klinikums zu wechseln. Damit wird die Ausbildung junger Ärzte flexibler und ist lückenlos möglich.
Zur Zeit gibt es fünf Planstellen an der Universität Rostock. Bei Bedarf ist eine Aufstockung auf acht bis zehn Stellen möglich. Auch in der anschließenden Weiterbildung in einer Hausarztpraxis und in der Chirurgie werden Stellen durch die KV bereitgestellt.
Das gemeinsame Ausbildungskonzept soll die fünfjährige Weiterbildung durchgängig an einem Standort ermöglichen und so für Absolventen attraktiver werden.
Im Anschluss an die Weiterbildung wird den jungen Allgemeinärzten von der KV ein freier Kassenarztsitz im Land angeboten.
Das Ziel dieses bundesweit einmaligen Schrittes ist, dass sich mehr Mediziner gerade im ländlichen Bereich in Mecklenburg-Vorpommern niederlassen.
Dass die Kooperationsvereinbarung zur Verbundweiterbildung gerade noch rechtzeitig kommt, zeigt ein Blick auf die hausärztliche Versorgung im Bundesland.
Die Situation auf dem Land ist gravierend
Die durchschnittliche Fallzahl je Hausarzt liegt in MV derzeit bei 950 Fällen im Quartal - deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 800 Fällen. Hinzu kommt der steigende Behandlungsaufwand der immer älter werdenden Patienten in Mecklenburg-Vorpommern.
Die Besetzungsprobleme werden in Zukunft eher noch größer, da ein Großteil der Allgemeinmediziner in den nächsten Jahren das Rentenalter erreichen wird.
Gerade auf dem Land ist die Situation dramatisch.
Während sich Praxisinhaber früher mit dem Verkauf ihrer Räume und Geräte noch ihren Renteneintritt vergoldeten, sind viele ältere Hausärzte heute froh, die Praxis an einen Nachfolger verschenken zu können, um so die Versorgung der Patienten zu sichern.
Der Landarzt - ein Auslaufmodell?
Die jungen Mediziner zieht es oft raus aus Mecklenburg-Vorpommern. Das Modell Landarzt, der zu jeder Tages- und Nachtzeit für seine Patienten erreichbar ist, ist für viele out.
Vor zwei Jahren hat die medizinische Fakultät Rostock die Medizinstudenten nach ihrem Berufsziel gefragt. 65 % der Befragten konnten sich vorstellen, später Allgemeinmediziner zu werden, allerdings wollte nur knapp die Hälfte auch in Mecklenburg-Vorpommern bleiben. Gegen Ende des Studiums waren es sogar noch deutlich weniger Studenten, die ihre berufliche Zukunft als Hausarzt in MV sahen.
Auf die Frage, was die Studenten für die Allgemeinmedizin motivieren würde, wünschten sich viele einen besseren Verdienst, weniger bürokratischen Aufwand und eine Arbeitsstelle für den Lebenspartner. Gerade der letzte Punkt ist in vielen strukturschwachen Gebieten oft ein Problem.
Allgemeinmediziner werden besonders gefördert
Viele Kommunen haben inzwischen den Ärztemangel als Standortdefizit erkannt und stellen jungen Ärzten kostenlose Grundstücke zur Verfügung. Auch Praxisübernahmen oder -neugründungen werden finanziell durch einige Kommunen unterstützt.
Für besonders versorgungsgefährdete Regionen kann durch die KVMV eine Umsatzgarantie und ein Investitionszuschuss gewährt werden.
Dr. Eckert, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Mecklenburg-Vorpommern, unterstreicht, dass es finanziell kaum noch Unterschiede zwischen Allgemeinmedizinern und niedergelassenen Ärzten anderer Fachrichtungen gibt.
Die größten Unterschiede der Bezahlung bestanden bisher in der Zeit der Facharztausbildung. Durch die jetzt lückenlose Verbundweiterbildung soll aber auch dieses Problem gelöst werden. Die zukünftigen Allgemeinmediziner haben jetzt eine Planungssicherheit, da Zeiten der Arbeitslosigkeit bei der Ausbildung vermieden werden.
Auch die zwei Jahre Weiterbildung in der Praxis sind finanziell abgesichert. Niedergelassene Ärzte erhalten für die Unterstützung des jungen Kollegen in der Weiterbildung einen monatlichen Gehaltszuschuss von 2040 Euro von der KV und den Krankenkassen.
Unterstützung schon im Studium
Bereits im Studium soll die Ausbildung von Medizinstudierenden in der Allgemeinmedizin besonders gefördert werden.
So gibt es schon seit mehreren Jahren eine finanzielle Unterstützung für Famuli. Für Famulaturen bei niedergelassenen Vertragsärzten in Mecklenburg-Vorpommern zahlt die kassenärztliche Vereinigung einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 200 Euro als Taschengeld für den Famulus. Bei einer Famulatur in einer hausärztlichen Praxis wird zusätzlich ein Lenkungszuschlag in Höhe von 50 Euro pro Monat gewährt. Der Zuschuss ist über einen Antrag bei der KV zu erhalten und wird längstens für zwei Monate gewährt.
Durch die Famulaturen sollen die Studenten frühzeitig in Kontakt mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten kommen. Oftmals helfen positive Erfahrungen in Famulatur und PJ bei der Entscheidung über den künftigen Berufsweg.
Im universitären Bereich soll in Rostock eine Stiftungsprofessur für Allgemeinmedizin geschaffen werden, damit die Lehre besser wird. Die Mittel für den neuen Lehrstuhl, der von der KV finanziert wird, stehen bereit. Die Ausschreibung läuft noch bis August, sodass bis Ende 2008 ein neuer Professor oder eine neue Professorin gefunden sein soll.
Die Universität und die KV beschreiten also viele neue Wege, um den Hausarzt in Mecklenburg-Vorpommern vor dem Aussterben zu bewahren.
Hilfreiche Links
Studentenseite der Kassenärztlichen Vereinigung MV
Antrag auf finanzielle Unterstützung für Famuli
Christian Klein studiert Medizin in Rostock und ist Via medici Lokalredakteur.