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  • Anna N. Wolter
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  • 28.06.2018

Facharztcheck Plastische Chirurgie: Optimieren und reparieren

Nirgendwo in der Medizin spielt die Ästhetik eine so große Rolle wie in der Plastischen Chirurgie. Trotzdem geht es in diesem Fach um sehr viel mehr als nur um die schöne Form.

 

Plastische Chirurgie-  Foto: Kirsten Oborny

Dem siebenjährigen Jungen wurde bei einem Unfall der Vorfuß abgerissen. In einer mehrstündigen Operation gelingt es dem interdisziplinären Team, durch eine Ostheosynthese und eine Revaskularisierung des abgelederten Hautweichteilmantels die maximale Länge des verbliebenen Fußes zu erhalten. Foto: Kisten Oborny

 

Der kleine Leon (Name geändert) ist auf dem Weg in die Schule, als es passiert. In einem unbedachten Moment tritt er auf die Straße. Er sieht den Laster noch kommen – doch da ist es schon zu spät. Mehrere Tonnen rollen über den Fuß des Siebenjährigen. Durch den Zusammenstoß wird er zurückgeschleudert und knallt auf den Asphalt. Minuten später liegt Leon im Rettungshubschrauber, der ihn in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik in Tübingen bringt.

Nach der Erst­versorgung im Schockraum wird er ins CT geschoben. Das Ergebnis lässt alle aufatmen – der Junge hat keine inneren Ver­letzungen. Trotzdem wird er schnurstracks in den OP gebracht, denn der schwerverletzte Fuß muss rasch versorgt werden. Dieser sieht alles andere als gut aus: Der Vorfuß ist abgerissen. Nun heißt es zu retten, was noch zu retten ist – eine Aufgabe für die Plastischen Chirurgen.

 

Vielfalt der Defekte

Während seine Kollegen im OP um Leons Fuß kämpfen, hebt Dr. Phillipp Gonser auf Station behutsam das Abdecktuch von der Hand eines älteren Herrn. Beim Anblick seines Fingers verzieht der Patient das Gesicht. „Igitt! Wenn ich den Wurm sehe, wird mir ganz schlecht“, sagt er und wendet sich von dem Blutegel an seinem Daumen ab. Der Patient hat sich mit der Kettensäge das Fingerendglied abgetrennt. Um die Wunde zu verschließen, wurde ein gefäßgestielter Hautlappen vom Zeigefinger an die gewünschte Stelle transplantiert. Der Blutegel dient der Wundheilung: Die Wirkstoffe im Egelspeichel regen den venösen Abfluss des angestauten Blutes im Daumen an. Dr. Gonser ist zufrieden mit dem Ergebnis und muntert den Patienten auf: Nicht mehr lange, und der Egel wird einfach abfallen.

Weiter geht die Visite – von einem Pa­tienten mit gestieltem Leistenlappen bis zur Dame, der ein Fibrosarkom aus dem Oberschenkel entfernt wurde. „In der Plastischen Chirurgie ist kein Fall wie der andere“, sagt Dr. Gonser. „Trotzdem müssen wir jedes Mal versuchen, Form und Funktion wieder best­möglich herzustellen. Diese Vielfalt fasziniert mich und ist einer der Gründe, warum ich hier angefangen habe.“

Das Leistungsspektrum seiner Klinik reicht von akuten Be­handlungen nach Unfällen mit sofortiger Defektdeckung und Rekonstruktion von verletzten Nerven, Blutgefäßen und Muskulatur bis zur Re­konstruktion der Körperoberfläche nach ­Unfällen, Ver­brennungen, chronischen Wunden und Tu­moren. Eine wichtige Rolle spielt außerdem die Handchirurgie, vor allem die Wiederherstellung nach schweren Verletzungen. „Davon sehen wir besonders im Frühjahr viele, wenn die Leute ihre Rasenmäher wieder benutzen“, erzählt Dr. Gonser. „Im Sommer ist Grillsaison, da behandeln wir viele Verbrennungen. Und im Herbst fangen die Leute an, Holz zu hacken … “

Mittlerweile ist der Assistenzarzt in seinem vierten Weiterbildungsjahr an der Klinik für Hand-, Plastische, Rekonstruktive und Verbrennungschirurgie unter der Leitung von Prof. Dr. Hans-Eberhard Schaller. Momentan führt Dr. Gonser vor allem Lappenplastiken und handchirurgische Eingriffe durch. Das mikrochirurgische Ar­beiten hat es ihm be­sonders angetan: „Wenn wir Gefäße mit einem halben Millimeter Durchmesser per Hand verbinden und durch diese filigrane Arbeit einen Finger, einen Arm oder ein Bein erhalten – dann ist das schon ein tolles Gefühl.“

Nach der Arbeit geht Dr. Gonser meistens noch ins Labor. Mit einem Kollegen forscht er an künstlichen Nervenleitschienen, die eine Transplantation von körpereigenen Nerven bei Defekten überflüssig ­machen sollen. Dabei ist die Mikrochirurgie nur ein spannendes Forschungsfeld von vielen in der Plastischen Chirurgie. Im ästhetischen Be­reich sind besonders in der Implantatforschung oder der Eigenfetttherapie spannende Entwicklungen zu erwarten.

 

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