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  • Christina Liebermann
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  • 27.03.2015

Facharztcheck Allgemeinmedizin – Ein Arzt für alle Fälle

Viele Medizinstudenten denken, ein Hausarzt behandle nur Husten, Schnupfen, Heiserkeit und sortiere Patienten für den jeweiligen Fachspezialisten vor. Von wegen! Warum der Mann für alle Fälle nicht nur Rezeptblockzücker und Überweisungsspezialist ist, erfährst du im Facharztcheck Allgemeinmedizin.

In Zeiten von Grippewellen herrscht in Hausarztpraxen Hochbetrieb: Aber Vorsicht: Das Wartezimmer birgt auch ein Ansteckungsrisiko. Foto: Alexander Liebermann

8.00 Uhr: Die Sprechstunde bei Hausarzt Ralph Hönscher beginnt. Der Allgemeinmediziner ruft seinen ersten Patienten ins Behandlungszimmer**. „Herr Wiegand* bitte“. Der 41-jährige ist schon seit etlichen Jahren bei ihm Patient, genauso wie seine Frau und seine beiden kleinen Kinder. Heute kommt er wegen Rückenschmerzen in die Praxis.

 

Tatsächlich sind Rückenschmerzen neben Grippewellen, Diabetes, Bluthochdruck oder COPD eines der häufigsten Leiden, wegen denen Ralph Hönscher konsultiert wird. Der Arzt befragt Herrn Wiegand ausführlich zu seinen Symptomen und führt eine gründliche körperliche Untersuchung durch. Dann beschließt er, zur Sicherheit auch noch den „Schallkopf draufzuhalten“. Schließlich hegt er den Anspruch, in seiner Praxis einen „Full Service“ anzubieten und ist dementsprechend gut ausgestattet. Ein CT- oder Röntgengerät hat er zwar nicht, aber schon „einige apparative Möglichkeiten“. Dazu zählt beispielsweise auch ein EKG-Gerät.

 

Aufmerksam mustert Herr Hönscher das Ultraschallbild auf dem Monitor, während er den Schallkopf geübt bewegt. Doch, was ist das? Er entdeckt ein fast babykopf großes echoarmes Areal auf der Bildfläche. Das verheißt nichts Gutes. Vermutlich hat Herr Wiegand einen Tumor, der schon so groß ist, dass er auf die umliegenden Strukturen drückt und ihm deshalb Rückenschmerzen bereitet. Er erklärt seinem Patienten, dass er eine auffällige Veränderung sieht, die weiter abgeklärt werden muss und überweist ihn für eine CT-Untersuchung zu einem Radiologen.

 

Und täglich grüßt die Bürokratie

Fälle wie dieser zählen zwar eher zu den „Kolibris“ in der Hausarztpraxis. Aber sie „kommen immer wieder vor“, so Ralph Hönscher. Auf der einen Seite muss er die kritischen Fälle herausfiltern, auf der anderen müssen die Routinefälle möglichst effizient abgearbeitet werden – ganz abgesehen von dem täglich anfallenden „Papierkram“. Reha-Anträge müssen ausgefüllt, neue Rezepte ausgestellt und Anfragen von Krankenkassen bearbeitet werden. Eineinhalb Stunden Bürokratie gegenüber neun Stunden Patientenkontakt, beschreibt er das „normale“ und wie er findet auch erträgliche Verhältnis. „Es kommt darauf an, wie man sich organisiert und strukturiert“. Vieles versucht er an seine Praxisassistentinnen zu delegieren.

 

 

Wie aus dem Bilderbuch: Die „Landarztpraxis“ von Dr. med Gerd Stern liegt im beschaulichen Ort Schlitz, der knapp 10.000 Einwohner zählt. Foto: Alexander Liebermann

 

Weniger positiv sieht das Kollege Dr. Stern, der seit fast 30 Jahren in einer allgemeinmedizinischen Praxis auf dem Land arbeitet: „Die Bürokratie ist überbordend und eigentlich während dem gesamten Praxisalltag ständig präsent. Das komplette Denken und Handeln wird davon geprägt.“ Besonders auf die Kassenärztliche Vereinigung (KV) ist der 64-jährige, der kurz vor der Rente steht, gar nicht gut zu sprechen. Wie auch viele andere seiner niedergelassenen Kollegen fühlt er sich durch die Zeit- und Abrechnungsvorgaben der KV massiv unter Druck gesetzt und in seiner Arbeit beeinträchtigt.

 

Unter den strengen Regeln und der daraus häufig resultierenden Minuten-Medizin leiden schließlich auch die Patienten. Trotzdem mag der „gestandene“ Hausarzt seinen Beruf: „Natürlich sind ein großer Teil der Praxisarbeit Routinetätigkeiten. Aber es gibt auch immer wieder besondere Highlights, die die differentialdiagnostischen und therapeutischen Leckerbissen herauskitzeln“. Das macht den Beruf ja auch so spannend und vielseitig.

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