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  • Miriam Heuser
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  • 30.08.2019

Doktorarbeit’s Diary Teil 2: Von Zellkulturschalen und Labor-Erkenntnissen

Miriam möchte neben den Experimenten der Doktorarbeit schon einmal den Methodenteil schreiben und ein paar Uni-Kurse belegen. Ob ihr Plan aufgeht, erzählt sie hier.

 

Morgens klingelt um 7 Uhr mein Handywecker. Blinzeln, nochmal umdrehen. Der Tageslichtwecker scheint warmweiß auf mein Gesicht und beginnt zu zwitschern. Ich gehe im Kopf durch, welche Versuche heute anstehen. Kann ich nicht doch noch ein paar Minuten länger schlafen?

Die infizierten Zellen von vorgestern zu Proben verarbeiten.
In den Keller zum FACSen gehen, um zu schauen, ob ich endlich die gewünschte Infektionsrate hinbekommen habe.
Nochmal die Ergebnisse von gestern mit meiner Betreuerin durchsprechen.
Ach, und wann machen wir eigentlich die Einführung in die PCR?

Klingt wie eine lustige Fremdsprache? Dass die Arbeit im Labor mich mit in eine eigene Welt nimmt, hätte ich vor neun Monaten nicht gedacht. Mittlerweile kann ich die wichtigsten Arbeitsmethoden im Labor selbstständig durchführen, habe eine enge Beziehung zu den Zellen aufgebaut, die ich für meine Versuche verwende – und nebenbei habe ich einige Erkenntnisse über die Laborarbeit gewonnen, die mich überrascht haben.

Eine Vollzeit-Doktorarbeit lässt wenig Platz für anderes.

Die Lüftung brummt, irgendwo piepst eine Maschine. Noch fremde Menschen, die sich in mehreren Sprachen unterhalten. Jede Woche eine, zwei neue Labortechniken lernen. Eine Dreiviertelstunde länger als geplant brauchen und schon steht der nächste hinter einem, der den Arbeitsplatz braucht. Und dann, kurz vorm Schlafengehen, ein Gedanke wie ein Blitz: Mist, habe ich meinen Versuch falsch pipettiert?

In den ersten zwei Monaten Vollzeit-Laborarbeit war ich jeden Abend unglaublich erschöpft. Irgendwann hat sich eine leise, beruhigende Routine in meinen Arbeitsalltag gemischt und er wurde weniger aufregend, weniger ermüdend. Trotzdem: Meinen ursprünglichen Plan, neben den Experimenten der Doktorarbeit schon einmal den Methodenteil zu schreiben und ein paar Uni-Kurse zu belegen, musste ich recht schnell verwerfen. Ich bin froh, wenn ich es nach dem Labor noch zum Supermarkt schaffe oder mich verabrede. Fühlt sich so das Arbeitsleben an?

Die Laborarbeit hat ihren ganz eigenen Rhythmus und Zeitplan.

Eine 45-Stunden-Woche lässt sich theoretisch in einen entspannten Neun-bis-Fünf-Arbeitsalltag einteilen. Im Labor habe ich den allerdings selten gefunden. Die meisten Versuche, die ich mache, laufen über mehrere Tage und müssen zu bestimmten Zeitpunkten weitergeführt werden. 24, 30, 48 Stunden nach Infektion ernten. Zwei Stunden Inkubationszeit, dann wieder zwanzig Minuten pipettieren, 30 Minuten im Dunkeln stehen lassen, auswerten. Und bloß nicht vergessen, die Spezialarbeitsplätze für nächste Woche im Online-Kalender der Arbeitsgruppe zu buchen!

Das führt dazu, dass ich an manchen Tagen zwölf Stunden im Labor bin, während ich an anderen frühmorgens anfange und gegen Mittag schon nach Hause gehen kann. Und ist das entscheidende Gerät besetzt, der benötigte Antikörper nicht auffindbar oder das Medium noch nicht auf Zimmertemperatur aufgewärmt, dauert der Arbeitstag plötzlich ein, zwei Stunden länger als gedacht. Das macht es quasi unmöglich, Verabredungen zum Mittagessen oder Kaffeetrinken einzuhalten – die Laborarbeit bestimmt momentan, wann ich zwischendrin mal essen oder verschnaufen kann.

Als unbezahlte medizinische Doktorandin decken sich meine Interessen nicht immer mit denen meines Doktorvaters oder meiner Betreuerin.

Meine Interessen sind in diesem Fall: Ausführlich in neue Methoden eingearbeitet werden, möglichst schnell gute Ergebnisse haben, in dem von mir gesteckten Zeitrahmen fertig werden und am Ende eine gut bewertete Doktorarbeit in den Händen halten. Am besten noch mit einer Veröffentlichung in einer renommierten Fachzeitschrift und mich als Erstautorin, yeah!

Für das Labor, in dem ich meine experimentelle Doktorarbeit mache, ist meine Doktorarbeit aber bei weitem nicht so wichtig wie für mich. Ja, ich treibe die Forschung in einem kleinen Gebiet weiter. Ja, ich arbeite unbezahlt. Aber meine Einarbeitung kostet den anderen Mitarbeitenden viel Zeit (und manchmal Nerven), die sie nicht in ihre eigenen Experimente und Projekte stecken können. Bin ich also einmal eingearbeitet, hat das Labor kein Interesse daran, dass ich nach sieben Monaten mit meiner Arbeit fertig bin und danach nicht mehr auftauche. Alle wollen im Labor etwas veröffentlichen, am liebsten als Erstautor – da fragt mich niemand, ob ich diesmal gerne Erstautorin werden möchte. Und vielleicht findet mein Doktorvater ein anderes Thema als das, woran ich gerade arbeite, viel interessanter?

Für mich hat sich bewährt, meine Ziele und meinen Zeitplan klar an die für mich Verantwortlichen zu kommunizieren – sonst werde ich meine Interessen nicht verwirklichen können.

Meiner Erfahrung nach hoffen vor allem junge Frauen, dass sie „nur“ hart genug arbeiten müssen, damit ihnen jemand als Dank dafür ihre beruflichen Wünsche erfüllt. Offene Fragen zum Verlauf meiner Doktorarbeit zu stellen fiel mir am Anfang schwer, hat mir aber sehr dabei geholfen, meine Arbeit einzuschätzen und in meinem Zeitplan zu bleiben:

Wie läuft unsere Zusammenarbeit bislang aus deiner Sicht?
Was muss in den nächsten Wochen und Monaten noch passieren, damit am Ende genug Experimente für eine Doktorarbeit da sind?
Ich möchte gerne am Ende publizieren. Möchtest du das auch? Wie schaffen wir das gemeinsam?

(Letzteres ist ein Gespräch, das bei mir noch ansteht – wish me luck!)

„Eine Doktorarbeit zu schreiben bedeutet weniger Freizeit und weniger Zeit für das eigentliche Medizinstudium, potentiell längere Studiendauer, örtliche Gebundenheit und viel Ausdauer und Durchhaltevermögen – Gründe, weshalb sich immer mehr Medizinstudierende gegen den Doktor-Titel entscheiden. Ich hingegen habe mich dafür entschieden, während des Studiums eine medizinische Doktorarbeit zu beginnen.“
Das schrieb ich vor knapp 9 Monaten.
Bislang habe ich es noch nicht bereut, dass ich diesen Weg eingeschlagen habe. Und die Wahl meines Doktorarbeit-Themas, aber vor allem meiner Betreuerin und meines Labors hat sich für mich in vielerlei Hinsicht als Glücksgriff herausgestellt. Trotzdem fordert mich der Laboralltag immer wieder heraus und bringt mich an meine Grenzen – aber hoffentlich auch immer weiter meinem Ziel entgegen: Irgendwann eine gute Ärztin zu werden.

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