• Bericht
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  • Franziska Stern
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  • 10.08.2004

Mein erster Tag als Famulantin

Piep, piep, piiiep - völlig verschlafen schrecke ich hoch und werfe einen Blick auf meinen Wecker. 5:30 Uhr blinkt es mich aus dem Dunkel an. Erleichtert lasse ich mich wieder ins warme Bett fallen und will noch eine Runde schlafen.

Ach nein, halt, heute ist ja mein erster Tag in der Chirurgie und pünktlich 7 Uhr ist Morgenvisite. Also doch aufstehen. Im Dunkeln schleiche ich ins Bad und versuche mit Unmengen kalten Wassers meine Augen zum Öffnen zu bewegen. Jetzt schnell und vor allem leise duschen und anziehen, denn die anderen in der WG schlafen noch.

Das frühe Aufstehen ist gewöhnungsbedürftig!

Nach einem erneuten Blick zur Uhr lasse ich meine halbvolle Teetasse stehen und sprinte zur Bushaltestelle. Nervös stehe ich im Schneeregen und warte auf den Bus, der ausgerechnet heute zu spät kommt.

7 Uhr Allgemeinchirurgie Uniklinik Hamburg - Ich werde sehr nett begrüßt und eine AiPlerin leiht mir gleich einen Kittel. Dann beginnt die Morgenvisite. Ein Gruppe von Weißkitteln marschiert von Zimmer zu Zimmer. Bis auf mich sehen alle munter aus. Nachdem ich das dritte Mal gegähnt habe, lacht mich ein Arzt an und sagt, dass ich mich daran noch gewöhnen werde. Bei dem Rundgang bekomme ich ein Einblick, an welchen Krankheiten die Patienten leiden. Einige sind chronisch krank (Pankreatitis, Mb. Crohn, Colitis ulcerosa), andere sind zum ersten Mal im Krankenhaus.

Nach der Visite werde ich mit den Blutabnahmen beauftragt. Etwas irritiert bitte ich um Unterstützung, denn die paar Versuche, die ich im Klinischen-Chemie-Praktikum gemacht habe, liegen schon einige Zeit zurück. Der PJler nimmt ein Tablett mit Kanülen und Stauschläuchen in die eine und mich an die andere Hand und weiht mich in die Tricks der Venenpunktion ein. Sehr vorsichtig und zaghaft steche ich dann die Patienten, meist ohne Erfolg. Wenn ich doch mal "getroffen" habe, bin ich überglücklich. Zum Glück merken die meisten nicht, dass ich mehr Angst vor ihnen habe als sie vor mir. Mit ziemlicher zeitlicher Verzögerung liegen endlich 30 blutgefüllte Röhrchen auf dem Tablett.

Im OP oute ich mich als Neuling

9.15 Uhr, jetzt könnte ich eigentlich mal frühstücken. Auf dem Weg zum Aufenthaltsraum fängt mich die AiPlerin ab und fragt, ob ich nicht Lust hätte mit in den OP zu gehen. Erfreut stimme ich zu und wir marschieren in die entgegengesetzte Richtung. Sie erzählt mir, dass das erste Mal im OP für viele Leute mit Übelkeit und Kreislaufproblemen verbunden sei. Wenn ich also merken würde, dass mir schlecht wird, soll ich rechzeitig Bescheid sagen. Lachend beruhige ich sie und verweise auf meine sportliche Kondition.

Mit grüner Kleidung, Kopfbedeckung und Mundschutz sehe ich ziemlich professionell aus, doch schon bei der Händedesinfektion oute ich mich als Neuling.

Eine Schwester erklärt mir geduldig die Prozedur, dann desinfizieren wir uns und betreten den Saal. Die nächste Hürde besteht im Anziehen des sterilen Kittels. Auch da gibt es Möglichkeiten etwas falsch zu machen und ich nutze sie. Irgendwie scheint eine andere Schwester nur darauf gewartet zu haben, denn im selben Moment schreit sie mich an. Na prima, jetzt haben wenigstens alle mitgekriegt, dass ich neu bin.

Alles ist so leicht und entspannt ...

Die AIPlerin ruft mich zu sich und sagt mir, wie ich stehen soll. Ich darf mich an den Arm des Patienten anlehnen und soll meine Hände auf seinen Brustkorb legen. Dies tue ich, worauf mich keine 5 min später der Anästhesist bittet, mich doch nicht anzulehnen, da er so kein Blut abnehmen könne. Ok, jetzt kann`s losgehen. Der Bauch wird bei diesem Eingriff quer eröffnet. Dazu wird die Haut mit einem Skalpell angeritzt, dann werden mit einem Elektrokauter blutende Gefäße koaguliert. Während ich so stehe und in den halboffenen Bauch schaue, gehen mir viele Gedanken durch den Kopf. Dann fühle ich mich ganz leicht und entspannt.

Plötzlich höre ich aus weiter Ferne meinen Namen, wieder und wieder, so störend wie der Wecker heute morgen, der sich penetrant in meine Träume piepte. Eigentlich habe ich keine Lust, aber dann mache ich doch die Augen auf. Über mir ist gleißendes OP-Licht, die AiPlerin hält meine Beine hoch, links kniet der Anästhesist und rechts die Schwester. Alle schauen mich an und fragen, wie es mir geht. Ach du Schande, ich bin ohnmächtig geworden. Zum Glück bin ich nicht nach vorn in den Patienten gekippt und habe auch sonst nichts umgerissen. Einige schauen mich mitleidig, andere verständnisvoll an und die Schwester führt mich Richtung Kaffeeautomat.

Der Rest des Tages blieb spannend - Braunülen und Einmalkatheter legen, Patienten aufnehmen, Blutkulturen anlegen etc. Vor jeder neuen Aufgabe bekam ich Schweißausbrüche, aber immer kam jemand mit und zeigte mir, wie man vorgeht. Völlig erschöpft ging ich dann abends nach Hause. Die restlichen 3 Wochen waren wesentlich entspannter, doch die Qualen des ersten Tages werden mir noch lange in Erinnerung bleiben.

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