- Interview
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- Bettina Link, Fotos: Björn Hickmann
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- 11.12.2012
Musik oder Medizin – Entscheiden? Besser nicht …
Felix Artmann (28), Sänger und Songwriter aus Nordrhein-Westfalen, hat im Frühjahr diesen Jahres sein Medizinstudium beendet. Sein erstes eigenes Album hat er während dem PJ aufgenommen, es erschien kurz vor seinem Hammerexamen. Nun ist er als Duo mit Michael Burger ein halbes Jahr auf Tournee, bevor er Anfang nächsten Jahres seine erste Stelle als Assistenzarzt antritt.
> Felix, was wolltest Du eigentlich als Kind von Beruf werden?
Ich wollte immer gerne Musik machen und darum Lehrer für Musik, Sport und Kunst werden. Als ich mir später Gedanken über das Studium machte, war klar, ich will Lehrer werden - und Musiker. Aber mir fiel auf, um Musik zu machen, musste ich das nicht unbedingt studieren. Ich habe seit meinem 14. Lebensjahr bis heute in verschiedenen Bands gespielt und ein Studium kann dabei natürlich förderlich sein, aber auch hinderlich – wenn man sich bis ins kleinste Detail mit etwas auseinander setzen muss, das man vielleicht gar nicht so theoretisieren will. Und ich wollte einfach nur Musik machen. Wie ich darauf kam, Medizin zu studieren kann ich gar nicht mehr so genau sagen. Aber ich weiß, dass mir in einem Pantomimen-Kurs ein Arzt begegnet ist, der mich sehr beeindruckt hat. Ich habe mich für das Medizinstudium interessiert, weil ich das Gefühl hatte, das könnte etwas für mich sein. Obwohl ich in der Schule nie ein großer Fan von Biologie und Naturwissenschaften war.
> Wann hast Du angefangen, Musik zu machen?
Ich habe mit acht Jahren Gitarre gelernt. Und ich bin dankbar, dass ich mir damals ein Instrument aussuchen durfte und nicht ein klassisches Instrument wie Geige oder Cello lernen musste. Dann
war ich auf einer musischen Schule, hab dort verschiedene Instrumente gespielt und einzelne Projekte gemacht. Mit 16 waren wir mit unserer Schülerband auf Tour und haben eigene Stücke
gespielt. Ich habe Songs geschrieben, aber mich nie selbst als Sänger gesehen. Das war lange so. Erst in meiner Uni-Band war ich nicht mehr glücklich damit. Aber ich war auch mit meiner Stimme und
meinem Gesang nicht so zufrieden, dass ich damit vor Publikum hätte auftreten wollen. Dazu hat schließlich ein Zufall geführt: Michael Burger, mit dem ich heute noch spiele, und ich wurden von einer anderen Band gefragt, ob wir auf ihrem Konzert nicht zwanzig Minuten spielen wollten. Da habe ich mich das erste Mal getraut und vor – naja, vielleicht - 50 Leuten gesungen. Und ich bin froh, dass ich damals über meinen Schatten gesprungen bin, denn das Feedback war durchaus positiv. Ich habe nie richtig singen gelernt und bin auch heute noch nicht zufrieden mit dieser Tatsache. Aber seit ich mehr singe, ist mein Gesang besser geworden. So kann ich mich jetzt immerhin guten Gewissens auf die Bühne stellen und es ist einfach unheimlich schön, die Musik so darzustellen, wie sie gemeint ist.
> Singst Du nur eigene Lieder?
Manchmal covere ich ein Lied, das mir besonders wichtig ist. Aber meistens singe ich meine eigenen Lieder. Ich mag covern nicht so sehr, denn es ist unheimlich schwierig, das Gefühl, für das ein Lied steht, zu greifen und rüber zu bringen. Das war mit meinen Liedern, die jemand anderes gesungen hat, genauso. Es ist, als ob man jemand anderer beschreibt, wie man sich ein Bild vorstellt, das dieser dann malt. Das wird nie so, wie du es wolltest.
> Gibt es denn ein Lied, an dem Du besonders hängst?
Nee, das ist ein bisschen so, als ob man eine Mutter fragen würde, welches Kind sie am liebsten hat. Natürlich gibt es Lieder, die einen im Moment etwas mehr bewegen, weil sie aktuell sind und man gerade drin steckt, aber ansonsten, nein.
> Gibt es Lieder, die etwas mit Medizin zu tun haben?
Ja, es gibt schon Einflüsse, nur kann ich sie nicht an einzelnen Liedzeilen festmachen. Aber ich habe immer wieder mit dieser „inneren Zerrissenheit“ zu kämpfen, ob ich nun Musik oder Medizin
machen will oder beides zur Zufriedenheit machen kann. Kann ich mich teilen oder muss ich mich entscheiden? Und was würde so eine Entscheidung mit mir machen? Dieses Gefühl beeinflusst schon meine Lieder.
> Das heißt, Du kannst Dich nicht nicht entscheiden?
Ich will mich nicht entscheiden. Zumindest im Moment nicht. Jetzt bin ich ja seit Juni fertig mit meinem Studium und habe mir ein halbes Jahr frei genommen. Also, von der Medizin – arbeiten tu ich ja trotzdem. Aber ich mache eben im Moment nur Musik, denn wir sind derzeit auf Tour. Der Plan ist, Anfang nächstes Jahr mit der Arbeit in der Medizin anzufangen. Das bedeutet, ich mache mir natürlich jetzt schon Gedanken, wie es weitergehen soll. Und muss mich damit befassen, was ich anfangen will, wo ich mich bewerbe und so weiter.
> Hast Du denn schon einen genaueren Plan?
In der Theorie schon. Momentan kann ich mir nur eine Kombination aus Musik und Medizin vorstellen. Selbst wenn es mit der Musik klappt und ich einen Major-Vertrag bei einem Label bekommen würde, könnte ich nicht sagen, ich mache nicht mit der Medizin weiter. Vielleicht würde ich noch ein paar Monate nur Musik machen, aber dann will ich anfangen zu arbeiten. Nach der Prüfung war ich froh, mal ein bisschen raus zu kommen. Aber ich merke jetzt schon, dass ich „mit den Hufen scharre“. Ich will jetzt Medizin praktisch lernen und als Arzt arbeiten. Wie und in welchem Ausmaß, das wird sich zeigen. Momentan stelle ich mir eine reduzierte Stelle vor - bei einem Chef, der für meine Situation Verständnis hat.
> Weißt Du schon, in welchem Fachbereich Du arbeiten möchtest?
Ich wollte schon immer etwas Handwerkliches machen - das liegt mir einfach vom Typ her am meisten. Sprich etwas Chirurgisches. In den letzten Jahren habe ich mir viel Kinderchirurgie angeschaut. Das finde ich von den chirurgischen Fächern das Spannendste. Wobei ich natürlich weiß, dass das kein Fach ist, in dem man mit einer halben Stelle anfangen und davon ausgehen kann, dass es schon irgendwie läuft. Dort muss man viel Zeit verbringen, um die handwerklichen Dinge zu erlernen. Von daher gesehen, wird es sich aus den Umständen heraus entwickeln, ob ich tatsächlich in der Kinderchirurgie anfange. Aber im Moment wäre das mein Wunsch.
> Ist die Medizin unerwartet eine Konkurrenz zur Musik geworden?
Ich hatte eigentlich nie das Gefühl, dass die Musik unter dem Studium gelitten hat oder umgekehrt. An diesem Punkt bin ich sehr froh, dass ich in Witten-Herdecke studiert habe. Dort kann man sich viele Dinge selbst einteilen. Mehr als an anderen Unis. Jedenfalls konnte ich dort meine Zeit gut strukturieren und das hat mir viel Freiheit gegeben. Anders wäre das alles vielleicht nicht möglich gewesen. Und von der Produktivität her ergänzen sich beide eher. Ich habe zum Beispiel festgestellt, dass ich in stressigen Lernphasen musikalisch am produktivsten war. Also, wenn ich viel gelernt und den ganzen Tag über den Büchern gesessen habe, habe ich auch am meisten Lieder geschrieben. Komischerweise. Irgendwie wirkte das wie ein Puffer. Auch umgekehrt, wenn ich Konzerte gespielt habe: Zwei Wochen vor dem Hammerexamen haben wir eine Acht-Tages-Tour in die Schweiz gemacht. Als die erste Konzertanfrage ein halbes Jahr zuvor kam, dachte ich mir, das ist ja lange genug vor der Prüfung. Dann kam eine Anfrage zur anderen, so dass eine Tour daraus geworden ist. Da dachte ich mir schon: Hmm, okay, dann muss eben Michael fahren und ich auf der Fahrt lernen. Und das haben wir dann auch so gemacht. Viele denken jetzt vielleicht, ich sei wahnsinnig. Aber mir hat das irgendwie eher den Kopf frei gemacht. Und es hat alles gut geklappt.
> Was ist denn am Medizinstudium an der Uni in Witten-Herdecke so besonders?
Es gibt schon die gleichen Lerninhalte wie überall und auch einen Stundenplan. Aber die Grundstruktur ist, denke ich, anders. Zum Beispiel hat man in der Vorklinik nicht so viele Pflichtveranstaltungen. In Hamburg, wo ich mein Studium angefangen habe, musste man wesentlich häufiger anwesend sein. Dabei ist das Angebot in Witten äußerst vielfältig, aber eben nicht verpflichtend. Später in der Klinikphase, ist man wirklich nur noch in der Klinik. Wir hatten schon einzelne Wochen Vorlesungen an der Uni, vor allem in der Propädeutik. Aber ansonsten ist man wochen- oder monatelang nicht mehr an der Uni. In der Inneren Medizin zum Beispiel waren wir Studenten alleine oder zu zweit auf einer Station und einem Arzt zugeteilt. Wir haben - je nach Ausbildungsstand und abhängig vom jeweiligen Arzt natürlich - die Visiten oder Behandlungen mitgemacht, eigene Patienten betreut oder waren in der Sono. Man hat sich eben alles angeschaut und dabei gelernt. Und, man wurde überall an die Hand genommen. Jeden Tag hatten wir zudem vormittags und nachmittags jeweils eineinhalb Stunden Unterricht bei einem Oberarzt, dem Chef oder einem fortgeschrittenen Assistenten. So verbringt man in Witten seine drei Jahre Klinikzeit und wechselt durch alle Fächer der Medizin.
> Das klingt doch sehr intensiv, wann hast Du denn dabei noch Zeit für die Musik gefunden?
Die Klinik-Blöcke kann man sich sehr flexibel einteilen. Ich habe das ganze Studium lang bei einem Amerikaner als Gitarrist in seiner Band gespielt und wir waren ein- bis zweimal im Jahr auf Tour ohne, dass es groß mit meinem Studium kollidierte. Es war schon toll.
> Der Amerikaner. Ist das Steve Savage, der deine CD produziert hat?
Ja, genau. Steve ist ein Ausnahme-Musiker, der seit 15 Jahren nichts anderes als Musik macht. Er spielt in einer Band, produziert aber auch andere Musiker. Zuerst in Amerika und nun in Holland, wo er jetzt lebt. Als Steve mir anbot, meine CD aufzunehmen, war ich dankbar für diese Chance. Aufgrund unserer jahrelangen Zusammenarbeit und einem „Freundschafts-deal“ von ihm, war es mir möglich, den finanziellen Aufwand der CD-Produktion parallel zu meinem Studium zu tragen. Abgesehen davon haben auch Freunde von mir mit ihrem Engagement und ihrer Begeisterung dazu beigetragen, dass das Projekt erst möglich wurde. Im Dezember war das Release-Konzert und ich bin immer noch ganz glücklich über das Album.
> Wie ist es denn so, sein eigenes Album aufzunehmen?
Die Zeit, in der wir die Songs aufgenommen haben, war etwas ganz besonderes. Es war in meinem vorletzten PJ-Tertial und ich habe Nachtschichten geschoben, um dann ein verlängertes Wochenende frei zu haben. So konnte ich immer wieder 3-4 Tage ins Studio. Und schließlich das eigene Album in den Händen zu halten, war ein besonderer Moment für mich. Nicht nur, weil es mein erstes Album war, sondern auch, weil ich meine Lieder das erste Mal mit einer Band zusammen gespielt habe. Auf der CD bin ich nämlich nicht allein mit Gitarre oder mit Michael zu hören. Ein Teil der Songs ist übrigens auf meiner Homepage veröffentlicht und es gibt Videos auf YouTube.
> Mit welcher Band hast Du die CD aufgenommen?
Das war keine bestehende Band. Meine Lieder sind auch nicht dafür komponiert gewesen. Sie sind in der Zeit im Studio zu dem geworden, was sie jetzt sind. Daran haben befreundete Musiker von mir mitgearbeitet. Einfach so, unentgeltlich, weil sie das Projekt gut fanden und mich dabei unterstützen wollten.
> Das klingt ja nach einem großen Kompliment an Dich. Was war für Dich das Besondere an dieser Zusammenarbeit?
Das war insgesamt sehr beeindruckend, denn das waren alles Berufsmusiker. Die leben seit Jahren von der Musik, haben das Fach teilweise studiert, unterrichten, spielen selbst oder produzieren. Also unheimlich gute und talentierte Leute und ich denke, nur deshalb ist das Album so gut geworden. Und für mich war es eine tolle Erfahrung, als Autor der Stücke zu beobachten, wie sich das Projekt während der Zeit im Studio weiter entwickelt hat und gewachsen ist. Und es war so, dass ich ein Teil davon lenken durfte, aber auch loslassen konnte. Für diese Zusammenarbeit bin ich unglaublich dankbar und ich wäre glücklich, wenn das beim zweiten Album nochmal in so einer Art gelingen würde.
> Dann wird es bald eine weitere CD von Dir geben?
Also, von den Liedern her ist das Album fertig. Momentan arbeite ich noch an der Konzeption, bzw. an der Instrumentierung. Dabei versuche ich, mich inspirieren zu lassen und einen Sound zu finden, den ich grob im Ohr habe. Aber der muss sich noch setzen.
> Gemeinsam an Songs zu arbeiten, das klingt wie die Idealvorstellung einer Band. Würdest Du Dir das zukünftig wünschen?
Ja, es ist schon etwas besonderes, die Lieder mit einer Band klanglich in so einer Tongewalt zu beschreiben. Das ist ganz anders, als alleine oder zu zweit zu spielen. Aber es gibt ganz pragmatische Gründe, warum Michael und ich nur als Duo unterwegs sind. Unsere derzeitige Tour wäre zum Beispiel für mehrere Leute gar nicht finanzierbar. Wir spielen drei Monate lang 50 Konzerte in Deutschland und der Schweiz. Das ginge vielleicht mit Studenten, aber ansonsten muss man die Leute natürlich bezahlen. Selbst wenn sie von dem Projekt überzeugt sind, müssen sie ja etwas verdienen. Und so viel bringt unsere Tour nicht ein. Auf der anderen Seite sind Michael Burger und ich in den letzten Jahren als Duo so zusammen gewachsen, dass wir momentan mit dieser Situation glücklich sind. Wir haben das Gefühl, das ist ziemlich genau das, was wir gerade machen wollen – das was wir sein wollen.
> Und was genau ist das?
Michael spielt zur Zeit auf unserer Tour – glaube ich – sieben oder acht Instrumente von E-Gitarre über Melodika, Ukulele und Synthesizer bis hin zum Tenor-Horn. Das ermöglicht uns, die Musik - auch ohne Band - auf verschiedene Art und Weise darzustellen. So können wir auch zu zweit jedem Lied genau das zu geben, was es gerade braucht. Und das habe ich in dieser Art auch noch nicht so häufig gesehen und ich bin unheimlich froh darum, dass wir das so hin bekommen.
> Woher kennt ihr beide Euch?
Wir haben uns in Witten kennengelernt. Michael hat dort auch studiert. Philosophie und Kulturreflexion.
> Wenn Du dich jetzt als Arzt bewirbst, möchtest Du im Ruhrgebiet bleiben?
Eigentlich wollte ich immer zurück nach Hamburg. Ich habe dort zwei Jahre nach dem Abitur gewohnt, mein Pflegepraktikum und meine Rettungssanitäter-Ausbildung dort gemacht. Danach war ich in Mali / Westafrika, bin dort herumgereist und habe viel in verschiedenen Krankenhäusern gearbeitet. Aber zum Medizinstudium bin ich zurück nach Hamburg. Ich habe mich dort immer so wohl gefühlt, dass ich dachte, hierher komme ich wieder zurück.
> Warum hast Du dann an die Uni in Witten-Herdecke gewechselt?
Ich bin ja ein Ruhrgebiets-Kind. Ich bin in Recklinghausen geboren, in Bochum zur Schule gegangen und in verschiedenen Städten darum herum aufgewachsen. Also ganz in der Nähe von Witten – so hatte ich von der besonderen Uni dort gehört und mich nach und nach mehr damit beschäftigt. In Hamburg wurde ich oft gefragt: Warum denn nach Witten? Dort ist es doch so grau. Aber das Studium dort war eben so gut. Inzwischen habe ich aber das Gefühl, hier lebt es sich eigentlich gar nicht so schlecht. Wenn man aus anderen Städten Deutschlands kommt und durch Essen oder Dortmund fährt, ist das vielleicht optisch nicht besonders schön. Aber das Ruhrgebiet hat schon etwas für sich, besonders von den Menschen her. Und insgesamt gesehen ist es praktisch „die größte Stadt Deutschlands“ und dadurch unglaublich vielfältig. Allein, wenn ich das Kulturangebot betrachte: um das auszuschöpfen, fahre ich von Witten nur zehn Minuten nach Bochum oder Dortmund und eine Viertelstunde nach Essen.
> Das klingt, als würde es Dich nicht mehr unbedingt weg ziehen
Ja, ich finde es hier so spannend, dass ich im Moment gerne bleiben würde. Ich fühle mich hier einfach wohl. Es ist auch von der Natur her sehr schön – und wer hierher kommt ist echt überrascht. Witten ist insgesamt sehr grün, man kann im Sommer in der Ruhr schwimmen und stundenlang durch Wälder laufen.
> Nochmal zurück zur Musik: Wie komponierst Du?
Also, ich habe von Leuten gehört, die ihre Musik als einen Job ansehen und sich hinsetzen, um etwas komponieren. Das finde ich total beneidenswert. Aber ich kann das nicht. Ich mache das eigentlich so: wenn mir eine Textzeile oder eine Melodie einfällt, sei es in der Badewanne oder auf dem Weg ins Kino, dann schreibe ich das auf. In mein Handy oder in ein kleines Buch. Oder ich sitze mit einem Tee und Spekulatius am Schreibtisch und lerne, meinetwegen Urologie oder so. Dann greife ich immer wieder – manchmal alle 20 Minuten oder auch mal einen Tag gar nicht - zur Gitarre und spiele einfach so herum. Dabei bleibt meistens etwas hängen oder ich probiere etwas aus und spiele dann so weiter.
> Und das schreibst dann auf?
Ich habe es zwar gelernt, Noten zu schreiben, aber ich finde das so theoretisch. Als Schüler der Musik, wäre das wahrscheinlich nicht vorbildlich, aber ich habe mir angewöhnt, was ich spiele mit dem Handy oder einer Kamera aufzunehmen. Lieder auf der Gitarre sind komplex und nicht einfach durch Noten einzufangen. Zum Beispiel kommt es darauf an, auf welchem Bund man einen Akkord spielt. Also filme ich meine linke Hand beim Gitarre spielen. Mit dem Ton dazu, entstehen so kleine Videos, die alle wichtige Infos beinhalten. Inzwischen habe ich davon schon 100te Gigabyte.
> Und daraus setzt du dann deine Lieder zusammen?
Ja, durchaus, so mache ich das. Ich schaue die Sammlung immer wieder durch, denn dort sind alle meine Ideen gespeichert. Bei vielem kommt einfach irgendwann der Punkt, an dem ich es wieder komplett vergessen habe. Manchmal weiß ich nicht mal mehr ansatzweise, was ich am Tag zuvor gespielt habe. Man könnte natürlich sagen, dann war es die Idee auch nicht wert. Aber das denke ich nicht. Manche Gedanken sind einfach so flüchtig, dass sie das Gehirn nicht festhalten kann. Darum habe ich mir angewöhnt, alles aufzunehmen, was mir einfällt. Wobei ich sagen muss, dass ich die meisten meiner Lieder am Stück komponiere. Oft innerhalb einer kürzeren Zeit. Denn wenn ich merke, dass etwas bleibt – eine Melodie, eine Zeile, eine Idee oder ein Gefühl – dann wird das Stück meistens ein Guss.
> Nun seid ihr ja gerade auf Tour. Was waren dabei bisher deine persönlichen Highlights?
Es ist einfach sehr schön mit meinem Bus in so vielen verschiedenen Städten unterwegs zu sein. Und dann sind da vor allem die Wohnzimmer-Konzerte. Wir haben vor eineinhalb Jahren das erste Mal in Berlin und in St. Gallen ein Wohnzimmer- Konzert gegeben. Das heißt, irgendjemand hat Freunde und Bekannte zu sich eingeladen und wir haben dann dort gespielt. Das war so toll für uns und für die Musik! Meine Musik passt da einfach gut rein – also nicht nur in ein Wohnzimmer, aber eben in eine ruhigere „intimere“ Atmosphäre. Denn wir spielen eben kein Rock 'n Roll, wo man vorne steht und die Leute gehen ab, sondern Musik zum Zuhören. Und das ist für die Menschen unheimlich schwierig, wenn sie nicht die Atmosphäre dazu haben. Das haben wir in den Wohnzimmern so entdeckt und versuchen das seither in unsere Tour einzupflegen. Dabei werden wir natürlich nicht reich, aber vielleicht entdecken Leute die Musik für sich. Und es sind einfach häufig schöne Konzerte. Was wir dabei erleben, ist unbeschreiblich. Da kommen die Leute, bringen Essen mit und ziehen die Schuhe aus. Dann sitzen manchmal 40 Menschen in einem 20 qm-Zimmer. Der Raum ist voll gestopft und wir - mit unserer Mini-Anlage mittendrin - spielen eineinhalb Stunden. Das ist schon etwas ganz besonderes und wir sind dankbar dafür.
> Und wie werden die Konzerte organisiert – über Eure Homepage?
Ja, teilweise. Manchmal werden wir zu Bekannten eingeladen, aber mehr als die Hälfte der Konzerte haben sich anders ergeben. Und zwar habe ich Leuten, die eine CD bestellt haben - meist nachdem sie Interviews mit mir im Radio gehört oder einen Zeitungsartikel gelesen haben - einen handschriftlichen Brief mitgeschickt. Auf dem stand, dass wir im Herbst auf Tour gehen und sie sich gerne melden können, wenn sie Interesse an einem Wohnzimmer-Konzert hätten. Das Feedback war überraschend groß und positiv. Auf unserer Homepage sind alle Konzertdaten veröffentlicht und hinter diesen Konzerten steht „Wohnzimmer-Akustik“. Wer Interesse hat, dort vorbei zu kommen, kann auf Anfrage von uns die Adresse bekommen. Und es ist echt spannend, denn wir wissen ja gar nicht, wo wir da landen. Aber nahezu alle
Konzerte haben sich als echt schön erwiesen. Demnächst spielen wir in Zürich bei einem Architektenpaar ein Konzert in deren Arbeitsstudio. Da bin ich echt gespannt.