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- Alexandra Schmidt
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- 19.02.2014
Homöopathie – Wahrheit oder Mythos, Quacksalberei oder Medizin?
"Warum ist nicht einfach ein harmonisches Miteinander zwischen Homöopathie und Schulmedizin des 21. Jahrhunderts möglich?" Kommentar von Medizinstudentin Alexandra Schmidt über die Homöopathie.
Globulis - Foto: Thieme/Chris Meier
Schon seit ihrer Geburtsstunde im ausgehenden 18. Jahrhundert überzeugt die Homöopathie durch beeindruckende Heilungserfolge und innovative Konzepte. Gleichzeitig ist sie jedoch auch umstritten und angefochten wie kaum ein anderer Bereich der Medizin und muss um den Stand als Wissenschaft kämpfen. Mit ihrer dem Vitalismus zugrunde liegenden Theorie der Lebenskraft – einer dem Organismus innewohnende und lebensspendende vitale Kraft – sowie dem Prinzip der hochgradig verdünnten und potenzierten Arzneimittel hat sie es schwer, in der Wissenschaft Fuß zu fassen.
Bereits 1835 sagte Samuel Hahnemann, Begründer der Homöopathie, zu den Kritikern der Homöopathie: „Ich fordere gar keinen Glauben dafür und verlange nicht, dass dies jemanden begreiflich sei. Auch ich begreife es nicht; genug aber, die Tatsache ist so und nicht anders. Bloß die Erfahrung sagt’s, welcher ich mehr glaube als meiner Einsicht.“ [1]
Heutzutage – über 200 Jahre später – gibt es zahlreiche Studien zur Homöopathie. Trotzdem gibt es immer noch anhaltende Diskussionen. Es ist heute somit weniger das Problem, dass es keine placebokontrollierten Doppelblindstudien gibt – laut Lüdtke [2] konnten ca. 150 identifiziert werden – sondern vielmehr, dass die Studienlage sehr widersprüchlich ist. Es stellt sich die Frage, warum die vorhandenen Studien zu derart kontroversen Ergebnissen kommen.
So konnte zum Beispiel Jacobs (1993, 1994, 2000) in seinen drei randomisierten, placebokontrollierten Studien zur homöopathischen Behandlung von kindlicher Diarrhoe die Erkrankungsdauer und Anzahl der Stühle statistisch signifikant verringern [3]. Ebenso ist die Studienlage zu homöopathischen Komplexmitteln, wie zum Beispiel Traumeel [4] bei Sportverletzungen und Blutergüssen, durchaus positiv zugunsten der Homöopathie. In einer Outcome Studie der Charité Berlin im Jahr 2005 (Witt et al [5]) konnte unter anderem eine Zunahme der Lebensqualität unter homöopathischen Behandlungen verzeichnet werden. Demgegenüber stehen jedoch eine Reihe von Studien, die derartige positive Ergebnisse nicht teilen konnten. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die stark präsentierte Meta-Analyse von Shang (2005) [6] mit der Schlussfolgerung, dass Homöopathie ein reiner Placebo-Effekt sei. Interessanterweise kommen Lüdtke und Rutten (2008) [7] mit ihrer Analyse, die auf den gleichen Daten wie von Frau Shang basiert, zu dem Ergebnis, dass diese Aussage nicht so endgültig zu treffen sei, wie sie infolge der Veröffentlichung von Frau Shangs Metaanalyse diskutiert und dargestellt wurde. Die untersuchten Studien waren zu verschieden, um überhaupt miteinander vergleichbar zu sein und lassen nach Lüdtke und Rutten weder den Schluss zu, dass homöopathische Anwendungen reiner Placeboeffekt seien, noch dass sie diesem überlegen sind.
Aber warum brauchen wir eigentlich derartige Handlungsbeweise? Reicht es nicht aus, dass Menschen durch homöopathische Anwendungen eine Verbesserung ihres Wohlbefindens und ihrer Lebensqualität erfahren?!
„Der höchste Grad der Arznei ist die Liebe“ sagte Paracelsus. Auch die Liebe kann wohl kaum mit objektiven placebokontrollierten Methoden nachgewiesen werden. Jedoch hat sie – anders als die Homöopathie eine Art „Bestandsschutz“. Während die Mehrzahl der in unserem Kulturkreis lebenden Menschen nicht abstreiten würde, dass unser Leben ohne Liebe trostlos wäre und sie Kraft und Quelle für unser tägliches Leben ist, muss die Homöopathie auf den Prüfstein. Solange es keine einschlägigen naturwissenschaftlichen Beweise und Doppelblind-Studien gibt, die eine 100%ige Wirksamkeit nachweisen, wird dieser Kampf weiter gefochten. Für den „höchste[n] Grad einer Arznei“ fehlt es ihr an Wissenschaftlichkeit und Objektivierbarkeit.
Dass zahlreichen Menschen durch eine fachgerechte homöopathische Behandlung Schmerzen genommen und Lebensqualität oder sogar Heilung ermöglicht wird, wird dabei außer Acht gelassen (vgl. zum Beispiel Dr. Jens Wurster: „Die homöopathische Behandlung und Heilung von Krebs und metastasierter Tumore“). Behandlungserfolge und Heilungen werden mit Spontanheilungen und Placeboeffekten abgetan. Vielen Patienten, denen mit Hilfe von Homöopathie zu mehr Gesundheit und Wohlfinden verholfen wurde, fordern jedoch gar keinen wissenschaftlichen Beweis. Allein die eindrücklichen und positiven Erfahrungen mit Homöopathie sind den meisten Beweis genug und führen häufig zu der Aussage „Wer heilt, hat recht“.
Es ist durchaus schade, dass die Potentiale der Homöopathie in der wissenschaftsbasierten „Schulmedizin“ nicht genutzt werden. Sei es die Anamnesetechnik und die ganzheitliche Sichtweise des Menschen oder die beeindruckenden Wirkungsweisen der Milchzucker-Globuli. Warum ist nicht einfach ein harmonisches Miteinander zwischen Homöopathie und Schulmedizin des 21. Jahrhunderts möglich?
Zur Autorin:
Alexandra Schmidt ist Medizinstudentin im 11. Semester.
Homöopathie – eine Pseudowissenschaft auf Wasserbasis
Lese hier die Meinung von Medizinstudentin Marlen Lauffer, die sich gegen die Anwendung der Homöopathie ausspricht:
Homöopathie – Eine Pseudowissenschaft auf Wasserbasis
Kommentar zu diesem Artikel:
Sehr geehrte Frau Schmidt,
ihr Artikel ist interessant zu lesen und dass sie sogar Studien bemüht haben ehrt Sie. Da ein wissenschaftlicher Diskurs beabsichtigt scheint, nehme ich die Gelegenheit wahr und lege Ihnen meinen Meinung zur Verquickung von Esoterik und Wissenschaft dar.
Der erste Satz zeugt schon von der Intention hinter dem Artikel:
„beeindruckende Heilungserfolge und innovative Konzepte“
Mit den beeindruckenden Heilungserfolgen meinen Sie sicher die Einzelfälle, die aus den Erzählungen Bekannter oder Verwandter zu erfahren sind. Diese subjektiven Eindrücke sind in ihrem statistischen Aussagegehalt bei null und können nicht zur Beurteilung herangezogen werden.
Diese „innovativen Konzepte“, von denen Sie sprechen, sind leider nicht gegeben. Durch den dogmatischen Aufbau der Lehre Hahnemanns kann keinerlei Weiterentwicklung der Homöopathie erfolgen, was in den letzten 200 Jahren auch nicht geschehen ist.
„dem Vitalismus zugrunde liegenden Theorie der Lebenskraft“
Der Versuch in der Wissenschaft Fuß zu fassen, mit einem Prinzip, das jeglichem chemischen und physikalischen Wissen zuwiderläuft, kann nur scheitern. Ohne die theoretische Basis, die einen Hinweis darauf liefern könnte, dass diese These(n) realistisch sind, kann eine Beweisführung nicht durchgeführt werden. Trotz dieses Makels sind Studien durchgeführt worden, darauf gehen Sie ja im Folgenden ein.
„Es stellt sich die Frage, warum die vorhandenen Studien zu derart kontroversen Ergebnissen kommen.“
Diese Frage ist auch zu Genüge beantwortet worden. Es besteht ein Zusammenhang mit der Größe der Testgruppe und der positiven Aussage, hinsichtlich einer besseren Wirkung von Homöopathika. Je kleiner jene Gruppe war, desto besser wirkte das Mittel, d.h. je statistisch insignifikanter das Ergebnis, desto besser die Wirkung.
Die Studien im Einzelnen hier zu diskutieren wäre zu langwierig und hätte zu viele TL:DRs zur Folge, deshalb eine kleine kommentierte Linksammlung:
Die Jacobs Studien sind keine RCT (Bsp. Homöopathische Anamnese) und widerstehen keiner kritischen Betrachtung:
http://dieausrufer.wordpress.com/2011/10/01/homoopathen-im-siegesraus-durchfall/
Die Charité-Studie über „Lebensqualität“ krankte allein schon an der Definition von „Lebensqualität“, der Rückschluss auf eine intensivere Betreuung und der damit erklärbaren Wirkung auf diesen Begriff/dieses Gefühl steht wie ein Elephant im Raum.
Die Shang et al Meta-Analyse, die angeblich von Lüdtke und Rutten „widerlegt“ wurde, ist hier ausführlich auf die Methoden von Lüdtke und Rutten untersucht und diskutiert:
http://scienceblogs.de/kritisch-gedacht/2008/12/10/neue-evidenz/
Ihre Ausführungen auf das diffuse Thema „Liebe“ enden zu lassen, ist ein mehr oder weniger geschickter Schachzug. Er reduziert eine überflüssige und sinnlose Debatte darauf, dass es auf „das Gefühl“ ankommt.In gewisser Hinsicht bin ich Ihrer Meinung, die aufmerksame Zuwendung einer Person kann dem Erkrankten/Leidenden eine Last von den Schultern nehmen und auch die Heilung beschleunigen, oder wenigsten die Zeit bis dahin erträglicher gestalten.
Auch der Verkauf von Homöopathika ist meiner Meinung nach nicht verwerflich, denn seit ewigen Zeiten gab es schon Schamanen und Quacksalber, die für wenig Geld ein bisschen Wohlbefinden an den Mann gebracht haben. Nur die Apothekenpflichtigkeit und der Binnenkonsens erschließen sich mir nicht, warum sollte jemand im „Gesundheitswesen“ ein eigenes Steckpferd bekommen?
Die Gefahr, die ich in diesem Konglomerat an esoterischen Inhalten, gepaart mit mehr oder minder „wissenschaftlichen“ Methoden sehe, ist auf zwei Ebenen zu beschreiben.
Die erste Ebene spielt auf universitärem Niveau, wo langsam aber sicher privat finanzierte Lehrstühle oder Stellen in die Universitäten drängen, um dort jede Konfrontation mit Studien und der Wissenschaft zu scheuen. Diese Lehrstühle bieten Lehre für Medizinstudenten an und nehmen ihnen dadurch die schon genügend kostbare Zeit, um sich mit wirklich wichtigen Dingen zu beschäftigen. Ein einfaches Statistikseminar würde meiner Meinung nach der öffentlichen Gesundheit besser tun, denn die mathematischen Kenntnisse von Medizinstudenten sind (subjektiv) erschreckend. Wer die Studien selber lesen und verstehen könnte, kann auch die statistischen Tricks dahinter erahnen.
Die zweite Ebene ist die Verbindung von Esoterischem. Da Hahnemanns Lehren mit einer Vielzahl von anderen Ansichten kombiniert werden, entsteht ein Batzen an esoterischen Ansichten, die Schaden verursachen. Eine muntere Mischung von Homöopathen, Anthroposophen und ähnlichen Geistesbrüdern besetzt in der Gesellschaft Stellen, die zum Schutz jener geschaffen wurden.
Die Folgen davon sind Kinderärzte die nicht mehr oder nur eingeschränkt impfen, was Todesopfer auch in Deutschland fordert:
https://www.youtube.com/watch?v=cd3qGk86rNE&feature=share 3sat
Menschen die auf notwendige Medikation verzichten und sich so, beim Versuch sich mit alternativen „Therapien“ behandeln zu lassen, Leiden aussetzen, welche ihnen erspart geblieben wären.
Und um abschließend in Ihren emotionalen Tenor von „Warum ist nicht einfach ein harmonisches Miteinander zwischen Homöopathie und Schulmedizin des 21. Jahrhunderts möglich?“ einzustimmen:
http://blog.psiram.com/2013/11/naturheilkunde-denn-unfuehlend-ist-die-natur/
Mit freundlichem Gruß,
U.G.
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Quellen:
[1] Jütte, Robert (2005). Samuel Hahnemann, Begründer der Homöopathie. In: Hahnemann CK (1835), S.311. München: dtv. S.76.
[2] Lüdtke (2006). Homöopathie zum Stand der Forschung. Eine Stellungnahme der Karl und Veronica Carstens Stiftung. [Online]. S.3f. Verfügbar unter: http://www.carstens-stiftung.de/ eigene/ fa/ stand/ stand_der_forschung_homoeopathie_07MAR06.pdf [17.02.2014].
[3] Lüdtke (2006). Homöopathie zum Stand der Forschung. Eine Stellungnahme der Karl und Veronica Carstens Stiftung. [Online]. S.12. Verfügbar unter: http://www.carstens-stiftung.de/ eigene/ fa/ stand/ stand_der_forschung_homoeopathie_07MAR06.pdf [17.02.2014].
[4] González de Vega, Speed, Wolfarth, González (2013). Traumeel vs. diclofenac for reducing pain and improving ankle mobility after acute ankle sprain: A multicentre, randomised, blinded, controlled and non-inferiority trial. The International Journal of Clinical Practice [Zeitschrift], Vol. 67 (10), S.979-989.
[5] Witt, Lüdtke, Baur, Willich (2005). Homeopathic medical practice: long-term results of a cohort study with 3981 patients. BMC Public Health [Zeitschrift], Vol. 5, S.115.
[6] Shang, Huwiler-Muntener, Nartey, Juni, Dorig, Sterne, Pewsner, Egger (2005). Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy. Lancet [Zeitschrift], Vol. 366 (9487), S.726-732.
[7] Lüdtke, Rutten (2008). The conclusions on the effectiveness of homeopathy highly depend on the set of analyzed trials. Journal of Clinical Epidemiology, S.1-8.